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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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nichts.« Ich lachte Laura an. »Sie hat mir von Onkel Nase erzählt. Wer ist denn das?«
    Lisas Mutter stutzte und zog dann irritiert an der Tischdecke. »Ach, das ist ein Hals-, Nasen- Ohrenarzt, der Lisa die Wucherungen rausgenommen hat.«
    »Ach, deshalb Onkel Nase.«
    »Seine eigene Nase sah eigentlich ganz normal aus!« plapperte Lisa. »Wie hieß der noch mal richtig, Mama?«
    Laura reagierte ärgerlich. »Das interessiert den Herrn doch gar nicht, Lisa!«
    »Das interessiert mich sehr!« konterte ich. »Lisa hat erzählt, daß Sie neben ihm gewohnt haben.«
    »Ja, früher. Aber der Herr Doktor Schmidtbauer ist vor ein paar Wochen weggezogen. Er behandelt jetzt süddeutsche Nasen. Jedenfalls hat er das erzählt.« Laura nahm ihr Tablett und ging davon.
    Ich schaute Lisa an, die immer noch ganz ernsthaft neben mir auf dem Stuhl saß. »Du hast auch eine gute Nase«, sagte ich zu ihr, »eine echte Spürnase.«

31
    Den ganzen Nachmittag über hatte ich mich nicht konzentrieren können, obwohl ich unbedingt meine erste Unterrichtsstunde in der Zehn hätte vorbereiten müssen, die am Montag morgen anstand. Warum hatte mir Regine nichts erzählt? Jetzt war mir natürlich ganz klar, warum Regine so wenig von ihrem Mann wußte. Wahrscheinlich hatten sie schon seit langem völlig aneinander vorbeigelebt. Ein Paar, das nur noch eine gemeinsame Wohnstätte hatte. Andererseits: warum hätte mir Regine davon erzählen sollen? Ich war schließlich nicht ihr Beichtvater. Außerdem schien die Beziehung zwischen ihr und diesem Doktor Nase beendet, seitdem er in Süddeutschland arbeitete. Warum also eine unangenehme Sache breittreten? Je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, daß Regine sich jetzt doppelt mies fühlen mußte. Zum einen hatte sie ihren Liebhaber verloren, zum anderen war ihr Ehemann verstorben oder sogar ermordet worden. Bestimmt machte Regine sich Vorwürfe, da sie ihrem Mann nicht hatte helfen können in seinen Schwierigkeiten. Vielleicht hätte sie so den Mord verhindern können, wenn es denn einer war. Ich lehnte mich in meinem Bett zurück. Es war Sonntag morgen, ziemlich spät schon, und es herrschte die typische Sonntagmorgenstille, die ich auch von Köln her kannte. Ich erinnerte mich, wie gern ich dort am Sonntagmorgen durch die Straßen gebummelt war. Es war immer gespenstisch leer gewesen. Manchmal war mir ein Hundebesitzer entgegengekommen. Meist nur mit ein paar übergeworfenen Sachen bekleidet, um nachher wieder ins Bett kriechen zu können. Die Atmosphäre war wie die nach einem großen gelungenen Fest. Alle schliefen, und die, die sich nach draußen gewagt hatten, sehnten sich schon wieder nach drinnen. Ich liebte diese Stimmung und konnte mich immer wieder aufs neue darüber wundern, daß eine Großstadt ein so verschlafenes Dasein führen konnte. Ich stand auf und ging zum Fenster. Hier war die Stimmung ganz ähnlich.
    Kein Mensch war auf der Straße. Kein Taxi fuhr ab. Ich atmete tief durch. Wie gern würde ich jetzt Alexas Stimme hören, wie gern mit ihr den Sonntagmorgen erkunden! Aber Alexa war vom Erdboden verschwunden und ich mußte arbeiten – und zwar dringend. Plötzlich erschien wieder Regine in meinen Gedanken. Ob sie zu einem Mord fähig wäre? Die Vorstellung erschreckte mich. Was war, wenn sie an jenem Sonntag morgen mit ihrem Mann zusammen unterwegs gewesen war? Vielleicht hatten sie sich über ihre Ehe unterhalten, über das, was von ihrer Ehe übriggeblieben war. Vielleicht hatte Bruno erst am Todestag von der Affäre seiner Frau gehört, kurz bevor es passierte sozusagen. Es mußte ein Schock gewesen sein. War plötzlich all seine Hoffnung, die sich mit seinem Schreiben verband, dahin? Hatte Bruno sich aus Verzweiflung in den Abgrund gestürzt? Vielleicht aber hatte Regine ihm auch einen Stoß gegeben. Einen kleinen, unauffälligen Stoß. Ich merkte, daß ich zu schwitzen begann und sagte mir, daß ich anfing zu phantasieren. Heutzutage brachte man einander nicht wegen einer gescheiterten Ehe um. Jede dritte Ehe wurde geschieden. Wo kämen wir denn hin, wenn sich die getrennten Partner gegenseitig in Steinbrüche verfrachten würden, nur um sich den Anwalt zu sparen. Anwalt, Anwalt! Mir fiel etwas ein. Wie hatte es noch in Langensieps Notizen geheißen?
    Ich kramte nervös auf meinem Schreibtisch herum. Da war der Zettel. Um 15 Uhr Dr. E. anrufen wegen » Befund « . Könnte es nicht sein, daß Dr. E. ein Rechtsanwalt war, nämlich ein Scheidungsanwalt,

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