Ausflug ins Gruene
düster an. »Ist dir nicht bekannt, daß ich einst gerne mit dem Hund meiner Wirtin spazierenging?«
»Hör auf mit der Geschichte!«
Vincent ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Außerdem hatte ich als Schuljunge einen Yorkshireterrier namens Hugo.«
»Hugo? Wie konntest du dem Hund so einen Namen geben?«
»Es war mehr eine Abkürzung. Eine Zusammensetzung aus Hund und Golfball.«
Alexa lachte, dann wurde Vincent wieder ernst.
»Auch wenn ich jetzt hier rumflachse – ich fühle mich denkbar beschissen. Außerdem bin ich dir, glaube ich, die ein oder andere Erklärung schuldig.«
Und dann erzählte Vincent. Alle Kleinigkeiten, alle Schnüffeleien. Alexa hörte mit großen Augen zu. Als er geendet hatte, sagte sie zunächst gar nichts. Dann schaute sie Vincent unwillig an.
»Warum hast du denn nicht eher davon erzählt?«
Vincent druckste herum. »Ich kam mir einfach zu blöd vor. Es erschien mir, als wären Leo und ich in die Phase zurückgefallen, in der man mit den Nachbarskindern Sherlock Holmes und Dr. Watson spielt.«
Er schaute plötzlich hoch. »Aber was ist mit dir passiert? Hat Max dich nicht mehr rechtzeitig erreicht?«
»Ganz reizend, daß du dich auch nach mir erkundigst. Wie ich schon sagte, Gordon hat Feldhausen zur Vernunft gerufen. Dein lieber Freund Max kam nur noch, um ihn in meinem Sessel zu beaufsichtigen. Wahrscheinlich melancholiert Feldhausen immer noch dort vor sich hin, während Max gerade ein gutes Buch liest. Vielleicht haben sich die beiden ja auch was Nettes gekocht und sitzen jetzt in trauter Zweisamkeit vor meinem Fernseher.«
»Vielleicht sollten wir uns dazusetzen?« Vincent grinste.
»Gute Idee! Und vielleicht haben Sie uns auch noch etwas zu essen übrig gelassen.« Alexa startete den Motor, und Gordon schleckte Vincent vor Freude zweimal durchs Gesicht.
35
Es war ein ekelhaftes Gefühl. Feucht, schlabbernd, schmatzend. Ich fragte mich, woher ich dieses Gefühl kannte. Dann dämmerte es mir, und ich riß die Augen auf. Tatsächlich, das Monstervieh stand schon wieder vor mir und schien sich an meinen Geschmack gewöhnt zu haben. Ich schob es zur Seite und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Zweifellos lag ich in einem Sessel unter einer übel riechenden Decke, während das Monster schwanzwedelnd und grinsend vor mir stand. In meiner Nähe schnarchte noch ein anderes Lebewesen. Ich fuhr herum.
Es war Max, der es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte. So langsam dämmerte mir, was geschehen war. Wir waren zu Alexas Wohnung gefahren, wo wir Max angetroffen hatten. Er hatte es nach zwei Stunden Zuhören geschafft, Ignaz von Feldhausen zum Abrücken zu bewegen, und war gerade auf dem Weg zu seinem Auto. Er stand noch ziemlich unter Hochspannung, so daß Alexa und ich ihn überredeten, eine Flasche Wein zusammen zu trinken. Ich erinnerte mich dunkel, daß beim besten Willen kein Wein in Alexas Wohnung aufzutreiben war. Statt dessen hatte unsere holde Gastgeberin dann diese Flasche Weizenkorn in der Küche gefunden, die sie bei einem nächtlichen Hausbesuch von einem Bauern geschenkt bekommen hatte. Ich fluchte, mein Kopf hämmerte und ich schloß die Augen. Dann fuhr ich hoch. Es war ja schon hell!
»Wie spät ist es? Wie spät ist es?« Ich brüllte Max an, anstatt auf meine eigene Uhr zu schauen.
»Weiß der Geier!« Max’ Stimme war nahezu unverständlich.
»Es ist zwanzig vor acht.« Mich überkam Hysterie. »Ich muß in die Schule. Sofort, ich muß in die Schule!« Panisch lief ich um den Sessel, in dem ich genächtigt hatte.
»Los, ich will ein Taxi!« bölkte ich Max an. Dessen Blick schwankte zwischen völligem Unverständnis und temporärer Verwirrtheit.
»Max«, ich verlegte mich jetzt aufs Flehen, »heute ist mein erster Arbeitstag. In genau neunzehn Minuten beginnt mein Unterricht. Du mußt mich zur Schule bringen. Ich bitte dich!«
Max fing immerhin an sich zu räkeln und hatte die Augen nun schon länger als zwanzig Sekunden am Stück auf. In mir keimte Hoffnung auf.
»Los, Max!« Ich nahm seinen Ellenbogen und zog ihn hoch.
»Ja ja, ich komm ja schon, ich such nur meine Brille.« Er fand sie auf dem Radio. Als er sie aufgesetzt hatte, grinste er mich an. »Sag mal, willst du so in die Schule?« Mir rutschte das Herz in die Hose. Natürlich, ich mußte aussehen wie drei Wochen nicht gebadet. Meine Kleidung zerknittert und mein Gesicht unrasiert. Eine neue, heftigere Welle der Panik überkam mich.
»Ich muß zuerst nach Hause!«
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