Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
springen.
„Du bleibst hier!“, hörte er d ie aggressive Stimme des Herrn Bauunternehmers und beobachtete ein wildes Gemenge und Durcheinander im Innern des Wagens. Anscheinend versuchte jeder, den anderen zu boxen, zu schlagen. Er konnte das nicht genau erkennen, jedenfalls hatte er so ein kurioses Schauspiel im Laufe seiner Karriere noch nie erlebt.
„Willkommen im Paradies!“, höhnte er voller Verachtung und hätte fast vergessen, auf den Auslöser seiner Kamera zu drücken. Aber er tat es, schade nur, dass er Gretas Geschrei nicht aufnehmen konnte, dachte er, denn es war herzzerreißend. Dann fuhren sie los und er hinterher, bis zur nächsten Ampel, die gerade auf Rot geschaltet hatte. Die Beifahrertür ging auf, und das Mädchen sprang ohne Ranzen aus dem Wagen. Albert hielt am Trottoir an und rief ihr etwas zu, doch sie ignorierte ihn, ging stur auf den Boden schauend weiter und bog in einen Seitenweg ab. Oskar überlegte, wo hier die nächste Schule war, es wollte ihm keine einfallen. Die Ampel schaltete auf grün und er beschleunigte, vergaß das Mädchen und die Schule und konzentrierte sich auf Alberts rasanten Fahrstil, der ihn zu einem Bestattungsinstitut nach Berlin führte.
Verblüfft hielt Oskar etwas entfernt, sah, wie Albert ausstieg.
Das konnte doch nicht wahr sein, war ihm etwa Saskias Tod entgangen? Gestern, kurz vor Redaktionsschluss, lag sie doch noch brav im Koma, und der rote Jesse hätte sich bestimmt längst gemeldet, wenn sie verstorben wäre. Aber was um Himmels Willen machte dieser Mann heute früh im Bestattungsinstitut?
Verärgert wählte er die Telefonnummer von Team zwei und erfuhr vom Fotografen, dass Saskia gleichmäßig atmend nach wie vor auf der Intensivstation liege und sie gerade die Nachbarschaft abklappern.
„Da stimmt was nicht, Leute. Die Frau muss gestorben sein! Gestern Abend oder heute Nacht. Ich meine, Ihr Mann sucht gerade den Sarg aus! Gib mir mal den Jesse.“
„Der ist nicht hier, der hat sich krank gemeldet, willst Du Corinna sprechen?“
„Wer ist Corinna?“
„Die neue Praktikantin.“ Oskar fiel fast das Handy aus der Hand.
Sein Traum zerplatzte wie eine Seifenblase. Eine Praktikantin für diese schwere Aufgabe, das war sein Todesurteil.
Er war verloren. Praktikanten machten schrecklich viele Fehler, und er konnte sich keinen Fehler leisten, überhaupt keinen. Das war seine Idee, seine Mission, und wenn er scheiterte, dann würde er entgültig in der Bedeutungslosigkeit versinken . Oskar war außer sich und fluchte so laut, dass der Fotograf den Hörer vom Ohr weghalten musste und auch die Praktikantin Zeugin seines Wutausbruchs wurde.
„Was soll ich denn mit so einer dummen Sumpfkuh, die soll im Sekretariat Kaffee kochen. Da brauche ich mich nicht zu wundern, dass ich nichts höre. Wahrscheinlich liegt diese Saskia schon halb verwest in der Leichenhalle!“
Wie Donnergrollen krachten seine Beleidigungen durch die Luft.
Doch bevor er sich weiter aufregen konnte, meldete sich Corinna zu Wort.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie noch nicht angerufen habe, die Aufklärungsarbeit beansprucht mich extrem.“
Logisch, dachte Oskar, das Fräulein tappt heillos im Dunkeln, doch er irrte sich, denn Corinna war für ihn schlau genug und entschärfte geschickt d ie Situation.
„Herr Schmitt, ich kann ihre Wut verstehen. Was Sie gerade über mich sagten, will ich Ihnen verzeihen. Es war mein Fehler, nicht anzurufen. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich kenne die Oberärztin der Station. Sie hat versprochen, uns sofort zu informieren, wenn etwas passiert, und ich schwöre! Es ist noch nichts passiert.“
Ihre tapfere feste Stimme signalisierte Oskar, dass sie die Wahrheit sagte und ihre Entschuldigung beschämte ihn zugleich, denn sie hatte eindeutig gehört, was nicht für sie bestimmt war, und souverän reagiert. Eigentlich war es an ihm, sich zu entschuldigen, doch er kniff, er konnte das nicht, nicht jetzt. Also fragte er routinemäßig, ob es noch andere Neuigkeiten gäbe.
„Da ist eine Sache, die für Sie wichtig sein könnte.“
Und dann erfuhr er von der freigegebenen Organspende und verstand, dass Saskias Todestag ein Datum hatte, welches Albert bereits kannte. Die Entsorgung der versterbenden Gattin war ihm anscheinend wichtiger, als an ihrem Bett auf der Intensivstation zu verharren und die letzten Momente ihres Daseins an ihrer Seite zu verbringen. Was für ein kaltblütiger Mensch, dachte er angewidert und überlegte, dass er mit
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