Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
fließt in Tanks, die vier Millionen Kubikmeter fassen, und später in die Rotterdam-Rhein-Pipeline, sagen wir, zur Raffinerie in Wesseling bei Köln. Die Pipeline gehört einem Konsortium von Shell, BP und Texaco, das für den Transport drei bis vier Euro pro Tonne berechnet: Damit kostet unser Liter, wenn er vier Tage später in der Raffinerie ankommt, rund 19 Cent.«
»Immer noch nicht viel«, gab ihm Markus Recht.
Taggard nickte und riss den Verschluss der Dose auf. »Nun wird das Rohöl raffiniert – das heißt, chemisch zerlegt in Flüssiggas, Gasöl, Mittelöl, Schweröl, Benzin, Heizöl, Kerosin, Benzol, Propylen und so weiter und so fort. Das geht ziemlich schnell, ein paar Minuten. Länger, als man braucht, um sich darüber klar zu werden, wie man nun kalkulieren muss. Denn aus einem Liter Rohöl wird natürlich nicht ein Liter Benzin, sondern nur etwa ein Drittel. Zwanzig Prozent werden zu Heizöl, sechs Prozent zu Kerosin, und so fort. Aber wie immer man das rechnet, man kommt nicht auf den Preis von 1 , 30 oder 1 , 40 Euro, den ein Liter Benzin an der Tankstelle kostet.«
»Weil noch die Mineralölsteuer dazukommt«, meinte Markus.
»Ja. Haben Sie sich schon einmal überlegt, was das heißt?« Taggard lehnte sich zurück und nahm einen tiefen Schluck aus der Dose. »Diejenigen, die am meisten am Öl verdienen, sind die Regierungen der Verbraucherländer. In Deutschland macht die Mineralölsteuer 75 Prozent des Benzinpreises aus, über einen Euro pro Liter, an dem die Ölfirma nur etwa vier bis fünf Cent verdient.« Er nahm einen zweiten, kürzeren Schluck. »Nicht dass die Ölkonzerne deswegen zu den notleidenden Unternehmen gehören; viele von ihnen zählen zu den profitabelsten Firmen der Welt. Aber jetzt sagen Sie mir: Wieso begnügen sich die Saudis mit so wenig? Am Markt sind für einen Liter Benzin offensichtlich problemlos 1 , 40 Euro zu erzielen – soviel bezahlen Sie in Deutschland oft, und wenn an der Säule 1 , 20 steht, sagen Sie: ›oh, billig heute‹. Doch die Saudis geben den Liter für nicht mal 20 Cent weg – warum? Der Kuchen ist so groß. Warum begnügen sich die Saudis mit einem so schmalen Stück davon?«
»Sie sparen sich immerhin, das Zeug zu transportieren, zu raffinieren und zu verteilen. Was auch was kostet.«
»Aber nicht so viel; das habe ich Ihnen gerade vorgerechnet. Außerdem: Äpfel zu pflanzen, zu ernten, zu versaften, den Saft in Tüten zu verpacken und in die Supermärkte zu stellen ist auch nicht gerade unaufwändig. Trotzdem ist Apfelsaft billiger als Benzin. Warum?«
Markus überlegte. Er begriff allmählich, worauf Taggard hinauswollte. Die einfache Antwort auf seine Frage wäre gewesen, dass auf Apfelsaft keine Steuer erhoben wurde, aber das war nicht der Punkt. Der Punkt war, wieso es wirtschaftlich funktionierte , dass Benzin teurer sein konnte als Apfelsaft.
Er sah den hageren Mann an. Den CIA -Agenten, der nicht im Entferntesten aussah, wie er sich einen CIA -Agenten vorgestellt hätte. »Vielleicht zwingt man die Saudis dazu, ihr Öl so billig abzugeben?«
»Zwingt? Wer zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht, was sich hinter den Kulissen der amerikanischen Außenpolitik tatsächlich abspielt.«
Taggard stutzte, dann lachte er auf. »Großer Gott, dass ich das noch mal zu hören kriege … Glauben Sie das ernsthaft? Dass die saudische Regierung den Ölpreis so niedrig hält, weil sie Angst haben, sonst von den USA besetzt zu werden? Mister Westermann, in den siebziger Jahren hat König Faisal die amerikanischen Ölgesellschaften im Land verstaatlicht. Das heißt, er hat alle Gebäude, Geräte und Installationen, errichtet von Amerikanern, bezahlt von Amerikanern, einfach an sich genommen, gegen den Willen der USA und gegen eine nur symbolisch zu nennende Entschädigungszahlung. Sogar den Namen hat er behalten – ARAMCO war die Abkürzung für Arabian-American Company , ursprünglich gegründet von Chevron, Texaco, Mobil und Exxon. Und damals waren die USA auch schon die größte Militärmacht der Welt. Nein, das ist keine haltbare Theorie.«
Markus runzelte die Stirn. »Okay, vielleicht gehören die Saudis einfach auch zu den Leuten, die auf Milchmädchenrechnungen hereinfallen?«
Taggard wurde wieder ernst. »Anfangs war das sicherlich so. Aber das ist längst nicht mehr der Fall. Die heutige Generation hat an den besten Schulen der Welt studiert und ist fit wie nur was.«
»Gut, dann muss ich passen. Sagen Sie es mir.«
Taggard musterte ihn
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