Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
von Öl erzeugt wurden.«
Taggard beugte sich zu Markus hinüber. »James Heinberg besitzt einen Kurzwellenempfänger«, raunte er. »Das ist im Moment unsere einzige Verbindung zum Rest der Welt.«
»In den betroffenen Städten«, fuhr der Reverend donnernd fort, »heißt es, es sei ein Glück, dass wir Winter haben, sonst wäre die Not viel größer. Ich aber sage euch: Es ist ein Unglück ! Denn nun werden viele Menschen der Versuchung erliegen, in diesen unglückseligen Städten zu bleiben, diesen Manifestationen menschlichen Größenwahns, entstanden aus dem Glauben, alles sei technisch machbar. Und dann? Was wird geschehen? Wie soll der Notstand je wieder enden, nun, da das Öl dabei ist, zu versiegen? Der Sommer wird kommen, und dann? Bis dahin werden andere an den Orten sein, an die diese Menschen jetzt hätten gehen können. Sie werden bleiben müssen, viele werden verdursten oder an der Hitze sterben, und es werden der Überlebenden nicht genug sein, um alle zu begraben. Seuchen werden ausbrechen, die man, mangels Medikamenten und der Möglichkeit, diese an ihren Bestimmungsort zu befördern, nicht wird eindämmen können.« Er hielt inne, sah wieder auf sein Notizblatt. »Wir haben ferner erfahren«, fuhr er fort, »dass es in Mexiko zu Unruhen gekommen ist und dass die Zahl der Flüchtlinge, die über die Grenze kommen, stündlich steigt.« Er faltete die Hände und senkte das vierschrötige Haupt. »Lasset uns beten.«
Diese Aufforderung mündete nahtlos in eine ausgedehnte, inbrünstige Beterei, an der sich der ganze Saal vielstimmig und lautstark beteiligte und die für Markus fast unerträglich sentimental klang. Er atmete auf, als endlich wieder gesungen wurde.
Dann gab es Ermahnungen. Es gelte nun, betonte der Reverend, zusammenzuhalten, die Abgeschiedenheit zu wahren und alle Regeln einzuhalten, die man in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten für diesen Fall erarbeitet hatte. »Verzagt nicht!«, rief er mit Stentorstimme. »Auch wenn euch manches Mal das Gefühl von Vergeblichkeit anwandeln mag angesichts der Katastrophen ringsum: Gebt nicht auf! Denkt daran, dass es nicht mehr als zweitausend Menschen gewesen sind, die die letzte Eiszeit überlebt haben. Die ganze große Menschheit ist aus diesen wenigen Stammvätern und -müttern erneut hervorgegangen. Genau so kann es einmal wieder geschehen, und es ist an uns, an jedem Einzelnen, dies möglich zu machen.«
Eine Lesung aus der Bibel schloss sich an. Es war, passend natürlich, die Geschichte von Noah, die Doktor James Heinberg mit sonorer Stimme vortrug. Wider Willen stieg ein Gefühl beklommener Ergriffenheit in Markus hoch, als er diese uralte Erzählung von der Arche und der Sintflut wieder hörte und von den Tieren, die paarweise an Bord gingen. Es sah ganz so aus, als hätte er sein Glück, im entscheidenden Augenblick hier eingetroffen zu sein, noch gar nicht begriffen.
Kapitel 39
E in bärtiger rothaariger Mann namens Jack, mit Pranken so groß wie Schaufelblätter, teilte Markus zur Arbeit ein.
»Was können Sie?«, wollte er wissen.
Markus hob ratlos die Schultern. »Nun ja, also –«
»Was haben Sie früher gearbeitet?«
»Mit Computern. Im Vertrieb und so.«
»Also können Sie nichts«, resümierte Jack und griff nach dem Bleistift, der in seinen Händen wie Kinderspielzeug aussah ( womit würden sie in zehn Jahren schreiben? ). »Dann fangen Sie am besten mit dem Heu an. Da kann man wenig falsch machen.«
Das hieß, um sechs Uhr morgens im großen Heuschober in der Dorfmitte anzutreten, um anschließend mit einer schweren, dreizinkigen Gabel in den Vorräten an getrocknetem Gras zu wühlen, es zu wenden und wieder zu wenden, damit es frisch blieb.
Gut riechen tat es, das musste er zugeben, nach Sommer und blühenden Hängen, nach Wiesen, Freizeit und Sorglosigkeit. Aber es war noch nicht annähernd Mittag, als ihm von der ungewohnten Anstrengung schon jeder Knochen im Leib wehtat.
»Dann füttern Sie jetzt die Tiere drüben im Stall«, meinte Jack, als er vorbeikam, um nach dem Rechten zu sehen, und erkannte, was los war. »Das ist nicht so anstrengend.«
Das hieß, mit einer großen Schubkarre einen Ballen Heu quer über den verschneiten Hof in den Stall fahren und auf die Futterkrippen der Tiere verteilen, die dort untergebracht waren. Das waren hauptsächlich Kühe, riesige Viecher, die ihn mit riesigen Augen anglotzten. Wie viel so eine Kuh wohl wiegen mochte? Tonnen, oder? Er hatte noch nie im Leben eine
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