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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Kuh von so nahe gesehen, geschweige denn gerochen.
    Außerdem standen in mehreren Boxen Pferde. Die waren ihm besonders unheimlich. Sie wurden immer nervös, wenn er kam, tänzelten dann in ihren Ställen herum und wirkten, als erwögen sie, mit einem Satz über die hölzerne Absperrung zu springen und ihn totzutrampeln. Er warf ihnen dann so rasch wie möglich ihr Heu in den Trog und machte, dass er davonkam.
    Näher musste er zum Glück nicht an diese Tiere heran. Es kam ein Mädchen, um sie zu bürsten und zu striegeln.
    Es dauerte über eine Woche, bis Markus begriff, dass sie absichtlich immer dann kam, wenn er im Stall zu tun hatte.
    Kein Zweifel. Schon wie sie immer zu ihm herübersah, sprach Bände.
    Markus betrachtete sie aus den Augenwinkeln genauer. Sie war noch jung, ein Backfisch, der für den geheimnisvollen Fremden schwärmte. Sie hatte große schwarze Augen, und eine Flut dunkler Locken reichte bis zur Mitte ihres Rückens. Ihre Haut war so rein, dass sie in dem dämmrigen Licht, das die zwei müden Glühbirnen im Stall verbreiteten, zu schimmern schien. Sie war züchtig gekleidet, doch die Knöpfe an ihrem Wams spannten von der Oberweite, die sie darunter verbarg, und auch ihre breiten Hüften ließen sich nicht verheimlichen. Ein gebärfreudiges Becken zweifellos, bereit, die Geschichte der Menschheit wieder von vorn beginnen zu lassen, wenn es sich als notwendig erweisen sollte.
    Sinnlichkeit lag in der Art, wie sie mit den Pferden umging, und wenn Markus zusah, wie sie sich reckte und streckte und die gewaltigen Tierleiber striegelte, spürte er ein Ziehen in den Lenden. Sie strahlte Lebenshunger aus, Neugier, Ungeduld. Sie war … willig .
    Die Arbeit im Heu ging leichter und schneller, wenn man etwas dabei zu denken hatte, und Markus hatte viel zu denken. Sah so seine Zukunft aus? War das das Leben, das das Schicksal für ihn vorgesehen hatte? Körperlich zu arbeiten, sich hier in Bare Hands Creek einzuleben, Kontakte zu knüpfen? Jeden Sonntag in die Kirche zu gehen wie alle und so zu tun, als sei er fromm, um nicht als Außenseiter zu gelten? Eine neue Karriere zu durchlaufen, mit anderen Regeln, aber dem Ziel, das Karrieren immer und zu allen Zeiten gehabt haben, nämlich weiter oben auf der Leiter zu stehen zu kommen, egal, wo sich diese Leiter befand und wie lang sie war?
    Und schließlich eine der Töchter des Dorfes zu ehelichen, Kinder zu zeugen und zu vergessen, dass es einmal Computer und schnelle Autos und Telefone für die Hemdtasche und eine Raumstation und Marsroboter und Wolkenkratzer und Autobahnen über gähnende Abgründe hinweg gegeben hatte?
    Vergessen, dass er einmal die Vision eines gläsernen Turmes gehabt hatte, der seinen Namen trug und den die ganze Welt kannte?
    Mit jedem Tag wurde es kälter, und fast jede Nacht fiel wieder Schnee. Der kleine Stausee begann zuzufrieren. Da seine Wasserkraft dadurch abnahm, musste der Strom rationiert werden. Es gab morgens beim Aufstehen eine Stunde lang Strom, damit man keine Zeit mit dem Anzünden von Lampen verlor und die Männer sich rasieren konnten (woher würde er in zwei, drei Jahren Ersatzklingen für seinen Rasierer kriegen, fragte sich Markus), und abends eine weitere Stunde. Die übrige Zeit blieben die Schieber geschlossen, und wer Licht wollte, musste eine Kerze anzünden.
    »Beschaulich ist es jedenfalls«, meinte Taggard, als sie abends noch bei einem Bier zusammensaßen und die Kerze zwischen ihnen auf dem Küchentisch glomm.
    Man könnte auch ›primitiv‹ sagen , dachte Markus, sagte aber: »Jedenfalls sind wir die Verkehrsstaus endgültig los.«
    »Und die E-Mails.«
    »Die Werbesendungen, die den ganzen Briefkasten zumüllen.«
    »Und sogar das Finanzamt«, grinste Taggard. »Nie mehr Formularkram. Das ist es fast wert, finden Sie nicht?«
    Dann wurden sie aufgefordert, mit dem Holz sparsamer umzugehen. Ab sofort durfte nur noch einmal pro Woche warm geduscht werden, die übrige Zeit hatte man sich mit ungeheiztem, also eiskaltem Wasser zu waschen.
    »Macht frisch«, meinte Taggard.
    »Ja«, sagte Markus.
    »Soll auch gesund sein.«
    »Sagt man.«
    Aber es stimmte, er fühlte sich prima. Eigentlich so gesund wie noch nie. Die körperliche Anstrengung tat ihm gut, ließ ihn nachts schlafen wie einen Stein, und obwohl die Mahlzeiten alles andere als haute cuisine waren, hatte es ihm selten im Leben so geschmeckt. Abgesehen davon war die Arbeit auch nicht mehr so erschöpfend wie anfangs; er hatte sogar den

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