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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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man betäubte es durch einen kräftigen Schlag mit dem Hammer auf die Hirnschale, schnitt den Hals in Längsrichtung auf, ohne die Gurgel zu verletzen, kappte die Adern rechts und links und ließ das Tier ausbluten – und wie man es anschließend richtig zerlegte. »Es ist kaum zu glauben, was man an einem Tier alles verwerten kann. Eigentlich alles. Vom Fell über die Knochen bis zum Darm und der Blase …«
    »Unappetitlich, oder?«, meinte Markus und nahm sich noch eine Scheibe. Mit Pflaumen, das war oberlecker.
    »Grausam, ja«, räumte Taggard ein. »Auf den ersten Blick zumindest. Ich war am ersten Tag völlig fertig, das können Sie mir glauben. Und das, obwohl ich in meinem Beruf ja auch allerhand gesehen habe …« Er goss sich versonnen noch etwas Wein nach. »Man versucht, es so zu machen, dass das Tier nicht leidet. Nicht unnötig jedenfalls. Soweit wir das einschätzen können. Aber man tötet es, klar. Und zerteilt den Körper anschließend in Einzelteile. Vorher ist es ein Lebewesen, und nachher ist es nur noch Fleisch. Nahrung. Unentbehrlich in unserer Lage.« Er nahm einen Schluck, ließ ihn auf der Zunge zerfließen, schmeckte ihm gedankenvoll nach. »Eigenartig, wie das alles eingerichtet ist auf der Welt, finden Sie nicht? Ich verstehe es immer weniger, je älter ich werde.«
    Später erzählte er von seiner Familie und wie er sie verloren hatte.
    »Es war eine Lebenskrise. Und wie das so läuft, manche gehen dann zum Psychotherapeuten, andere holen die Bibel wieder aus dem Schrank. Bei mir war es die Bibel. Wobei ich nicht behaupten will, dass ich Gott gefunden hätte. Habe ich nicht. Aber ich suche jedenfalls.« Taggard sah gedankenverloren in sein Glas, in dem nur noch ein Bodensatz übrig war. »Und nun bin ich hier. Und dass Sie auch hier aufgekreuzt sind, in letzter Minute zudem – schon seltsam.« Er stellte das Glas zurück. »Nun ja, aber wie heißt es? Die Wege des Herrn sind unergründlich.«
    Der Mann, mit dem Markus zusammen auf Patrouille ging, war um die fünfzig und hieß Bruce Burgess. Er hatte ein Vollmondgesicht, eine knollige Nase und den Blick eines von der Welt enttäuschten Mannes.
    Jede Patrouille musste sich bei einem fülligen Mann an- und abmelden, den jeder nur Kane nannte. Jeder von ihnen erhielt ein Gewehr ausgehändigt, geladen und gesichert, dazu je ein Zusatzmagazin. Bruce bekam ein Fernglas, Markus wurde ein Walkie-Talkie anvertraut. Kane bestand auf einem Uhrenvergleich, notierte die Uhrzeit ihres Aufbruchs in eine Liste und nannte ihnen die Uhrzeit, zu der er sie spätestens zurückerwartete.
    Bruce kannte den Weg. Sie waren für die Südroute eingeteilt, die unter anderem die von der 55 heraufführende Straße passierte, über die Markus gefahren war. Vor hundert Jahren, wie es ihm jetzt vorkam.
    »Wir werden keiner Menschenseele begegnen«, prophezeite Bruce. »Kommt niemand rauf hier, schon gar nicht im Winter. Es weiß kaum jemand, dass es uns überhaupt gibt.«
    Markus nickte, während sie gemessenen Schrittes den Waldweg entlangmarschierten. »Mit anderen Worten?«
    »Wir gehen natürlich trotzdem. Man muss wachsam bleiben. Ich sag das bloß, damit du nicht unnötig durch die Gegend ballerst.«
    »Tu ich nicht.«
    »Es ist nämlich höchstens ein Bär, wenn es irgendwo rascheln sollte. Oder ein Wolf. Kein mexikanischer Flüchtling mit seinen siebzehn Kindern im Rucksack, oder wie manche sich das hier so vorstellen.«
    »Es gibt hier Bären und Wölfe?«
    »Massenhaft.«
    Darüber dachte Markus nach, während sie weitergingen. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen; die vorigen Patrouillen hatten den Weg gut festgetreten. Es war nicht allzu kalt heute, mit der Fellmütze aus Kanada ließ es sich aushalten, und sogar seine Stiefel machten mit.
    Bruce stammte aus New York, erzählte er Markus, hatte als Wertpapierhändler gearbeitet und war mit James Heinberg, dem Arzt, zur Schule gegangen. Sie waren in Kontakt geblieben, und schließlich hatte Bruce sich auch in Bare Hands Creek eingekauft. Zusammen mit seiner Frau, bloß hatte die kurz vor dem großen Knall unbedingt noch zum achtzigsten Geburtstag ihrer Mutter fliegen müssen, und seither hatte er nichts mehr von ihr gehört.
    »Tut mir Leid«, sagte Markus und fragte sich, ob Bruce ihm wohl insgeheim grollen mochte, weil er nun gewissermaßen den durch seine Frau frei gewordenen Platz einnahm.
    Der Wald sah harmlos aus. Bäume eben, und jede Menge davon. Man sah kein Ende; irgendwann verlor sich der

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