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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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dieser Art in den eigenen vier Wänden zeugte. »Der Jüngste bist du außerdem auch nicht mehr.«
    Dorothea musste das Gespräch unbedingt in andere Bahnen bringen. Sie stand auf. »Ihr müsst jetzt ganz schnell Entscheidungen treffen. Zum Nachtisch gibt es Apfelstrudel mit Vanilleeis. Das heißt, ich muss von jedem wissen: Schlagsahne dazu oder nicht? Espresso hinterher? Gleich? Gar nicht? Oder was anderes?«
    Das brachte sie auf andere Gedanken. Nach einer längeren Diskussion, in der unter anderem auch männliche Bauchumfänge und weibliche Erinnerungen an schlanke Verehrer eine Rolle spielten, wollte niemand Sahne, aber jeder einen Espresso, Siegmund sogar einen doppelten. »Mein Treibstoff«, erklärte er.
    Markus war nach dem blitzartigen Abgang Silvios wie vor den Kopf geschlagen. Später konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie er den Rest des Tages verbracht hatte; er kam erst abends wieder zu sich, als er einen Burrito mit Salat in sich hineinstopfte und merkte, dass er überhaupt keinen Hunger hatte.
    Dabei hatte der Plan vielversprechend geklungen. Auch Markus hatte an so etwas gedacht. Er war gerade solo gewesen, als er von dem Lokalisierungsprojekt erfahren und sich dafür beworben hatte, und danach hatte er sich nicht mehr mit Frauen verabredet. Er hatte ungebunden sein wollen, wenn er in den USA ankam. Für alle Fälle.
    Aber es würde nicht funktionieren. Davon, dass das Verhältnis der Geschlechter in den USA seit etlichen Jahrzehnten das reinste Minenfeld war, hatte er natürlich gehört – aber wie dicht die Minen lagen, hatte er sich nicht vorstellen können.
    Dabei hatte er sich so gut vorbereitet. Er hatte die anspruchsvollsten Englischkurse absolviert, die zu finden gewesen waren. Er hatte im Sprachlabor hingebungsvoll daran gefeilt, seinen deutschen Akzent auszumerzen. Er hatte Bücher gelesen und Vorträge über die Umgangsformen in den USA besucht – allerdings nur, was das Geschäftsleben anbelangte. Er wusste, dass Amerikaner mehr Wert auf Pünktlichkeit legten als die meisten Europäer. Dass man tunlichst vermied, über Religion oder Politik zu reden. Dass man lieber zu viel als zu wenig lobte, insbesondere, wenn man noch fachliche Fragen oder gar Kritik anzubringen hatte, egal wie konstruktiv sie aus der Sicht eines Europäers sein mochte. Dass der Dress Code unumstößlich war – aus diesem Grund hatte er, abgesehen von zwei Paar Jeans und ein paar T-Shirts für den Abend, überhaupt nur dunkle Anzüge, helle Hemden und gedeckte Krawatten mitgenommen. Verglichen mit seinen Kollegen stand er jeden Morgen overdressed vor der Hoteltür; insbesondere Jean-Marc in seinem schlabbrigen Intellektuellen-Pullover schien sich insgeheim köstlich zu amüsieren.
    »Würde wirklich gerne wissen, was er zu der Frau gesagt hat«, meinte jemand.
    Doch das war nicht die Frage, erkannte Markus. Die bloße Tatsache, dass ausgerechnet in dem Land, das mehr und härtere Pornografie produzierte als der Rest der Welt zusammen, ein wie ungeschickt auch immer formuliertes Kompliment Grund für eine fristlose Kündigung sein konnte, sagte genug: nämlich, dass es zu riskant war, darauf zu spekulieren, dass er es besser machen würde als Silvio. Dazu waren die Regeln zu undurchschaubar.
    Für einen Plan B gab es wenig Alternativen. Zwar hatte Markus die halbe Million Euro aus dem elterlichen Erbe auf seinem Konto, aber das war nur die Hälfte der Summe, die nötig war, um als Investor die permanente Aufenthaltsgenehmigung in den USA beantragen zu können.
    Wenn er also nicht nach Ablauf der Zeit zurückgeschickt werden wollte, blieb ihm nur, zu schaffen, was als unmöglich galt, nämlich: aus einem Lokalisierungsteam heraus eine Karriere in der Muttergesellschaft zu starten.
    Markus hatte noch von keinem derartigen Fall gehört. Aber war Amerika nicht das Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Nun würde es sich zeigen.
    Es musste jedoch schnell gehen. Er hatte nur sechs Monate Zeit, und davon waren zwei Wochen bereits vergangen.
    Er sah in die Runde. Sah Pavel, den gemütlichen Tschechen, einen Witz zum Besten geben. Sah Lourdes, die walkürenhafte Spanierin, so herzhaft lachen, dass ihr gewaltiger Busen wogte. Sah Konstantin, den ruhigen Griechen, schmunzelnd nach dem Salz greifen. Sah Jean-Marc, den durchgeistigten Franzosen, mit dem derben Bengt aus Schweden diskutieren.
    Eine tolle Truppe. Lauter Leute, die in Ordnung waren und mit denen man gut auskam.
    Er musste sich von ihnen absetzen, so schnell

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