Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
nachdem der Hurrikan Katrina die in Louisiana gelegenen Raffinerien und Ölverladehäfen zerstört hatte und die Ölversorgung der USA damit akut gefährdet war.
Zuständig für alle den Ölnotfall betreffenden Fragen ist die so genannte SE Q , die Standing Group on Emergency Questions . Sie hatte auch unmittelbar nach der Explosion am Hafen von Ras Tanura getagt und beschlossen, dass dies ein Notfall war, der es rechtfertigte, die Märkte mit Öl aus den Reserven in der Menge zu versorgen, die während der Reparaturarbeiten am Persischen Golf fehlen würde.
Es herrschte also im Augenblick überhaupt keine Ölknappheit.
Trotzdem stiegen die Preise.
Früher war Dorothea, nachdem sie Julian zum Schulbus gebracht hatte, immer noch einmal nach Hause gefahren, um zusammen mit Werner zu frühstücken, und war erst, wenn er fort war, zum Laden gefahren. Nun hatten sie beschlossen, dass es auf jeden gesparten Kilometer ankam. Also frühstückten sie vorher, und sie kehrte nicht noch einmal zurück, sondern ging gleich zum Laden.
Lange würde sie ihn ohnehin nicht mehr haben.
Trauer erfüllte sie, als sie die blaue Tür aufschloss. Sie hatte sich schon an diese Atmosphäre gewöhnt, liebte die Stille, in die sie eintrat, in der nichts zu hören war außer dem Summen des Kühlregals, liebte den Geruch, der ihr entgegenkam, nach Obst, nach Gewürzen, nach Staub und Reinigungsmitteln … nach Laden eben. Der Geruch ihres kleinen Reiches. Ihres Hobbys, das sie sich nun nicht mehr würde leisten können, weil es zu teuer kam. Sie würden das Geld stattdessen für Benzin ausgeben müssen.
Traurig, wenn man darüber nachdachte. Und ungerecht, dass es nur ein so kurzer Traum gewesen war.
Sie öffnete die Fensterläden. Im Licht der anbrechenden Dämmerung sahen die Regale geheimnisvoll aus. Es war noch viel zu früh. Vor acht Uhr durfte sie nicht öffnen; über eine Stunde also, die sie herumbringen musste.
Zeit, um schon mal ein wenig Abschied zu nehmen.
Sie machte einen Rundgang. Es gab nichts zu tun, sie hatte am Tag zuvor aufgeräumt und ausgefegt, alles war in bester Ordnung. Alles, was fehlte, waren Kunden. Sie hatten Julians Flugblatt drucken lassen, und er hatte es zusammen mit ein paar Freunden verteilt, für ein paar Euro Taschengeld, aber das hatte auch nichts gebracht.
Ihr Blick fiel auf die Tür, die nach hinten ins Haus führte. Vielleicht, wenn sie sich da mal wieder umsah. Ob man dort schon wieder putzen musste, zum Beispiel. Zumal sie das nach der Übernahme eher nur flüchtig erledigt hatte; zu viel anderes, Aufregenderes war damals zu tun gewesen. Als ihre Träume noch nicht mit der Wirklichkeit aneinandergeraten waren.
Welcher Schlüssel war es noch mal? Der altmodische, genau. Dorothea schloss auf. O je, Modergeruch. Besser, sie brachte morgen das ganze Arsenal an Putzgeräten mit. Der Sohn von Frau Birnbauer, der sich um alles kümmerte, was mit der Vermietung zusammenhing, kam immer sofort, wenn etwas war, selbst wenn sie nur irgendeinen Stromzähler oder Absperrhahn nicht fand. Wenn sie ihm kündigte, stand er bestimmt auch gleich auf der Matte, und dann wollte sie das Haus in Ordnung wissen.
Die Zimmer lagen in schummrigem Licht, das durch kleine Fenster hereinkam. Es war, als gehe man durch ein altes Hexenhaus. Dabei, nein, eigentlich war die Wohnung gut geschnitten. Nichts Besonderes, keinerlei architektonisch beeindruckende Details – einfach nur eine simple, aufs praktische Leben ausgerichtete Wohnung.
Die Möbel hatte der Sohn von Frau Birnbauer immer noch nicht alle abgeholt. Manche waren grauslig, aber es gab auch ein paar Schmuckstücke darunter, regelrechte Antiquitäten. Die beiden Nachttische zum Beispiel. Das Bord im Flur. Ob sie mit ihm reden konnte, ob er ihr die verkaufen würde …? Unsinn. Sie hatten kein Geld mehr übrig, schon gar nicht für Möbel, die sie im Grunde nicht brauchten.
Von der Küche aus führte eine Tür in einen hübschen kleinen Innenhof, mit einer Terrasse aus alten Steinplatten, umgeben von Ziegelmauern. Jetzt war natürlich alles kahl, struppig und vereist, aber sie hätte gerne gesehen, wie der Hof im Sommer aussah. Bestimmt war es ein Traum, hier zu sitzen, mitten im Dorf und doch abgeschieden von aller Welt.
Die Küche sah auch ziemlich praktisch aus. Mit einem großen schmiedeeisernen Herd noch, der mit Holz befeuert worden war. Du meine Güte, wie man damit nur kochte?
Obwohl – wer konnte wissen, ob man das nicht bald wieder lernen musste. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher