Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Dann meinte er, noch telefonieren zu müssen. Ihr Werner eben, wie er leibte und lebte.
Sie hörte ihn im Flur auf und ab gehen. »Ja, Werner Utz mein Name. Ich habe Ihnen heute ein Mail geschickt und auch versucht anzurufen … Ja, genau. Fahr und spar. Ach so, Herr Schneider hat Sie schon erreicht? Dann wissen Sie ja schon … genau, morgen sieben Uhr vierzig am Parkplatz Untere Buche. Alles klar.«
»Das klang eben, als wolltest du eine Fahrgemeinschaft gründen«, stellte Dorothea fest, als Werner zurück in die Küche kam.
»Schon passiert«, grinste er. »Das geht bei uns im Büro grad rum wie ein Lauffeuer. Es gibt da jetzt eine tolle Internetadresse, da meldest du dich an, zahlst fünf Euro Gebühr, gibst deine Daten ein, wann und wo du fahren willst, und der Server sucht dir passende Fahrpartner raus, mit Routenplan und Treffpunkten und allem. Wir sind zu viert, wie findest du das? Ich muss morgens bloß noch bis zu dem Park&Ride-Parkplatz hinter Duffendorf fahren, ab dort fahre ich zusammen mit einem, der nach Stuttgart rein muss und uns andere in Sindelfingen absetzt. Das Programm hat auch schon genau ausgerechnet, was wir ihm dafür an Kostenbeteiligung zahlen müssen. Auf die Art spare ich eine Menge Geld, und wer weiß, vielleicht ist es ja sogar ganz nett, wenn man morgens nicht allein im Auto hockt.« Ein nachdenklicher Glanz trat in seine Augen. »Wenn man es genau überlegt, hätte ich auch früher schon auf die Idee kommen können. Blöd, dass einen immer erst das Geld auf so was bringt …«
Der Reporter, der für die Tagesschau von der Frankfurter Börse berichtete, kommentierte die zunehmend unruhiger ausschlagenden Kurse ebenso beiläufig wie hellsichtig: »Es stimmt zwar, dass trotz der drastischen Verringerung der saudischen Exporte genug Öl am Markt ist, aber natürlich kann die ständige Freigabe von Reserven keine Dauerlösung sein. Wenn es stimmt, dass wir das Ölfördermaximum überschritten haben – und die Zeichen dafür mehren sich –, dann ist klar, dass ein Barrel, das aus den Speichern der Mineralölreserve entnommen wird, nicht wieder aufgefüllt werden kann. Das weiß die Börse. Mit anderen Worten, die Uhr läuft. Der Umstieg auf andere Energiequellen muss erfolgt sein, ehe die Reserven zu Ende gehen. Und wie die Börse die Aussichten dieses Unterfangens einschätzt, wird bestimmen, wohin die Wirtschaft sich bewegt.«
Die Topmeldung unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen: Der saudische König, der sich – angeblich aus gesundheitlichen Gründen – in einem Landsitz in der Nähe von Nizza aufgehalten hatte, war dort ermordet worden.
Der amerikanische Kongress hatte eine Eilverordnung verabschiedet, die den Schutzstatus des Naturschutzgebiets Arctic National Wildlife Refuge in Alaska aufhob. Die Verordnung trat mit sofortiger Wirkung in Kraft und ermöglichte es, dort mit Bohrungen zur Erschließung der sich darunter befindlichen Ölfelder zu beginnen.
Umfragen ergaben, dass eine deutliche Mehrheit der Amerikaner dieses Vorgehen befürwortete. Die Deckung des Energiebedarfs, fanden sie, hatte Vorrang vor dem zweifellos ebenfalls wichtigen Schutz der Natur und der Umwelt.
Dass das Ölfeld dort nur so viel Öl enthielt, um den Bedarf der US A für zirka sechs Monate zu decken, war über 98 % der Befragten unbekannt.
Die Ölkonzerne würden so viel verdienen wie noch nie, berichtete die Financial Times unter Berufung auf Insiderinformationen. Da sie das Öl, das sie jetzt verkauften, schon vor den Unruhen in Saudi-Arabien und damit wesentlich billiger eingekauft hatten, realisierten sie Gewinnspannen ohne Beispiel in der Geschichte.
Die Vorstandsvorsitzenden der Konzerne wiesen diese Behauptung zurück, gleichwohl stiegen die Börsennotierungen aller Ölkonzerne.
Zugleich stieg auch der Benzinpreis wieder. Hatte er sich nach der Aussetzung der Mineralölsteuer zunächst auf einem Level von durchschnittlich 2 , 10 Euro eingependelt, kletterte er zu Jahresbeginn schier unaufhaltsam erneut der bisherigen Höchstmarke entgegen.
Der Unterschied war, dass der Staat diesmal keinen Cent mehr mitverdiente, sondern der gesamte Betrag nun in die Kassen der Mineralölkonzerne floss. Der Finanzminister grollte: »Ich sehe nicht, wie wir die Mineralölsteuer je wieder in Kraft setzen sollen. Wir können doch nicht auf diese exorbitanten Benzinpreise noch mal was draufsatteln!«
Er fügte hinzu, der zu erwartende Einnahmeausfall betrage voraussichtlich um die 42 Milliarden Euro
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