Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
daran, die Ölsande der Athabasca-Bucht großindustriell zu erschließen …«
Das freilich war ein umstrittenes Projekt. Rein rechnerisch stellte der Ölsand in der kanadischen Provinz Alberta das zweitgrößte Ölvorkommen nach den saudischen dar – inzwischen vielleicht sogar das größte überhaupt –, aber die Gewinnung des Öls aus dem pechverschmierten Sand erforderte so ungeheure Mengen an Frischwasser, Chemikalien und eben auch Energie, dass Kritiker von einer großmaßstäblich geplanten Umweltkatastrophe mit zudem zweifelhaftem Ertrag sprachen. Wann immer man Bilder der ungeheuren Tagebaufelder entlang des Athabasca-Rivers zu sehen bekam, glaubte man, einen anderen Planeten zu sehen oder einen Albtraum.
Die Preise für Benzin stiegen weiter, wofür die Boulevardpresse unverdrossen abwechselnd die Regierung, die Ölkonzerne oder »die Scheichs« verantwortlich machte. Verschiedene Gruppierungen von Globalisierungsgegnern nahmen dagegen das erstmalige Übersteigen der Marke von fünf Euro je Liter Superbenzin zum Anlass, auf dem Platz vor dem Reichstagsgebäude ein Fest unter dem Motto Forget Globalization! zu veranstalten.
»Der Preisanstieg beim Öl ist das Aus für die Globalisierung!«, erklärte die attraktive, den frühsommerlichen Temperaturen entsprechend gekleidete Pressesprecherin der Veranstaltung den zahlreich anwesenden Kameras. »Es war das billige Öl, das die billigen Transporte ermöglicht hat, die wiederum bewirkt haben, dass regionale Produzenten keinen geografischen Vorteil gegenüber großen Konzernen mehr hatten. Wenn ein Apfel, der aus Übersee eingeflogen wird, billiger sein kann als ein Apfel, den ein Landwirt vor der Haustür vom Baum holt, zerstört das lokale wirtschaftliche Strukturen und zementiert ausbeuterische Verhältnisse. Gewinner ist in jedem Fall der mit dem meisten Kapital, alle anderen sind Verlierer.«
Die meisten Teams waren mit diesem Statement und einer guten Perspektive auf den Ausschnitt der Sprecherin zufrieden. Einer fragte jedoch nach, wie das denn mit Medikamenten, Düngemitteln und dergleichen sei, die durch das teure Öl ja auch teurer und für Entwicklungsländer unerschwinglich geworden seien.
»Da müssen Sie sich klarmachen, wer wofür verantwortlich ist. Das billige Öl mit all seinen Produkten hat nämlich genau in den Regionen, in denen seit Jahrhunderten hohe Geburtenraten, aber auch hohe Kindersterblichkeit herrschten, zu rapider Bevölkerungszunahme geführt. Die Leute haben im Grunde Erdöl gegessen, und zwar in Form von industriell produzierten Nahrungsmitteln, vorwiegend aus den US A . Die waren oft billiger als das, was die Landwirte vor Ort erzeugen konnten – also wurden sogar die arbeitslos. Mit anderen Worten, durch das billige Öl und die damit verbundene Politik sind enorme Mengen an billigen Arbeitskräften herangezogen worden, denen gar nichts anderes übrig blieb, als zu minimalsten Löhnen für große Konzerne zu arbeiten. Unter dem Strich waren diese Länder schon vor dem Peak Oil schlechter dran als zuvor, aber das ist die Schuld derer, die die Entwicklung bis dahin zu verantworten haben. Und wenn die nun dank des teurer werdenden Öls ihrer Möglichkeiten beraubt werden, ist das der erste Schritt zur Besserung der Verhältnisse.«
Ein ungewöhnlich früher, brütend heißer Sommer kam und mit ihm Berichte über Dürren, Ernteausfälle und Hungersnöte in vielen Ländern rund um den Äquator. Es wurde zu Spenden aufgerufen, die auch Summen erbrachten, die angesichts der Probleme vor der eigenen Tür erstaunten.
Dann der Skandal: Eine Hilfsorganisation hatte von Spendengeldern Lebensmittel für ein Hungergebiet im Sudan gekauft, diese waren jedoch in Lagerhäusern in verschiedenen italienischen und spanischen Häfen verschimmelt, weil man keinen Weg gefunden hatte, sie in die betroffenen Gebiete zu transportieren. Die Bilder von aufgequollenen Getreidesäcken und Männern, die mit Atemmasken in schwarz angelaufenen, zerfallenden Kartons stocherten, schockierten.
Das Militär habe den Transport versprochen, dann aber ohne Nennung von Gründen abgesagt, erklärte der Leiter der Organisation, den ein Fernsehteam unter Mühen aufgestöbert hatte. Und man selbst habe kein Geld mehr übrig gehabt.
Ein paar Tage drehte sich die Berichterstattung nur um dieses Thema. Würde jetzt die Europäische Union einspringen und Lebensmittel in die betroffenen Gebiete bringen? Die Kommission antwortete ausweichend. Man werde das erwägen,
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