Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
nicht auf dem Organigramm. Es war ein blasser, beleibter, etwas teigig wirkender Mann mit rötlichen Haaren, der ihn mit ausgestrecktem Arm anhielt und fragte: »Bist du Mark aus Deutschland?«
»Ja«, nickte Markus verdutzt. War das jemand vom Hausdienst? Der für die Visitenkarten Zuständige vielleicht?
»Ich bin Keith. Komm mit.«
Es blieb keine Zeit, die Berechtigung zu derlei Befehlen zu hinterfragen, denn Keith wandte sich einfach ab und marschierte los. Wenn Markus wissen wollte, was das alles zu bedeuten hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Zu seiner Verblüffung ging es direkt ins Allerheiligste, in den Bereich, in dem die Programmierer saßen. An dessen nahezu bombenfest wirkender Zugangstür war Markus auf seinen abendlichen Exkursionen stets gescheitert. Man brauchte eine besondere Ausweiskarte, um sie zu öffnen, und Keith besaß so eine Karte.
Dahinter sah es deutlich anders aus als im Rest des Gebäudes: Jeder Entwickler hatte ein Büro für sich, kaum größer als ein Kleiderschrank zwar und bis in den letzten Winkel mit Computern, Handbüchern und technischem Kram vollgestopft, aber ganz offenbar ein eigenes Reich, das er gestalten durfte, wie er wollte. Ein paar Türen standen offen; in einem Büro war die Decke mit pinkfarbenen Luftballons bedeckt, in einem anderen entstand die vermutlich bedeutendste Sammlung leerer Bierdosen von ganz Pennsylvania, und in einem dritten hockte jemand schlicht und einfach inmitten von Müll – Chipstüten, Burger-Schachteln, leeren Flaschen – und hackte in beeindruckendem Tempo auf seine Tastatur ein.
Der Name neben der Tür, durch die Markus gelotst wurde, lautete »Keith R. Pepper«. Auf der Tür selbst prangte ein Poster, das in blumenumrankten Buchstaben verkündete: Life as you know it is only a beta version. Would it be the real thing, you would have got a user’s manual.
»Setz dich«, meinte Keith und schloss die Tür hinter ihnen.
Markus sah sich um. Etliche Computer standen herum, allesamt ohne Gehäuse und anscheinend im Umbau begriffen. Die einzige freie Sitzgelegenheit war ein abgeschabter Fernsehsessel, der mit lässig zurückgeklapptem Rückenteil vor dem Schreibtisch stand. Der konnte wohl kaum gemeint sein, oder?
»Ach so«, sagte sein Gastgeber. »Warte.« Er zerrte etwas aus einer Ecke, das sich als das ehemalige Fußteil zum Sessel entpuppte. Um auf dem Boden Platz dafür zu schaffen, schob er mit dem Fuß einen Stapel aus Handbüchern beiseite, auf dem ein rostiger Werkzeugkasten thronte. »Ich bin ein bisschen zu faul, um dauernd aufzuräumen, weißt du?«
»Kein Problem«, sagte Markus und nahm behutsam auf dem Schemel Platz. Das Ding schien zu halten.
Keith warf sich schwungvoll in seinen Sessel. »Du fragst dich sicher, was das soll. Also – ich bin unter anderem zuständig für die deutschen Sprachversionen aller unserer Programme. Sprich, ich bin der Typ, bei dem die Zusatzfunktionen landen, die du dir ausdenkst.«
»Die denke nicht ich mir aus. Die denkt sich das deutsche Finanzministerium aus.«
»Schon klar. Die haben kreative Leute dort, das merke ich immer wieder.« Keith zog die Tastatur vom Schreibtisch auf seinen Schoß und fuhr beiläufig fort: »Ich habe mitgekriegt, dass Murray dich gestern ins Büro zitiert hat. Was wollte er denn?«
Oha! Wenn es etwas gab, vor dem Markus auf der Hut war, dann davor, in irgendwelche Bürointrigen verwickelt zu werden. »Das war eine eher private Geschichte«, sagte er zögernd.
»Wirklich?« Keith hob die Augenbrauen. »Gut. Ich dachte, vielleicht hat er dir eingeheizt. Das macht er meistens. Er guckt sich einen aus dem L-Team aus, aus welchen Gründen auch immer, und nimmt ihn aufs Korn. Kritisiert jedes Komma, das der setzt, und so weiter. Kannst du dir ja vorstellen.«
Ja, das konnte Markus sich vorstellen. »Klingt unangenehm.«
»Jede Wette. Auf jeden Fall, warum ich dich angesprochen habe – mir ist aufgefallen, dass du etwas vergessen hast zu übersetzen, und ich dachte, besser ich sag es dir, ehe du ins offene Messer rennst. Schau es dir an.« Er tippte ein paar Befehle in die Tastatur, und der Startbildschirm des Datamining -Moduls erschien auf dem Schirm.
Dann ging es erst mal nicht weiter. »Hängt das Programm?«, fragte Markus schließlich.
Keith musterte ihn verwundert, dann lachte er auf. »Nein. Das ist das, was du nicht übersetzt hast. Der Splash Screen .«
»Was gibt es da zu übersetzen?«
» Datamining zum Beispiel.« Keith
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