Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
schmeckt ja unglaublich gut.«
Myers lächelte, zum ersten Mal, seit er Taggard am Flughafen empfangen hatte. »Der größte Vorteil an der Stationierung hier.«
»Ich hätte nur rasend gerne ein schönes, kaltes Bier dazu.«
»Womit wir schon beim größten Nachteil der Stationierung hier wären.«
»Die ziehen das wirklich durch hier? Kein Alkohol?«
»Gefängnis, Stockhiebe auf dem Platz vor der Großen Moschee und Landesverweis, wenn Sie in der Öffentlichkeit Alkohol trinken.«
»Okay«, seufzte Taggard und griff nach dem Wasserglas.
An dem Tisch, an dem der Prinz saß, wurde es wieder laut, die Kellner fingen an zu rennen, und kurz darauf trat der Inhaber zu seinen illustren Gästen, mit einem Gesicht, als ginge er zu seiner Hinrichtung. Der Prinz sagte etwas zu ihm, begleitete es mit ausholenden Gesten, die Taggard den Eindruck vermittelten, dass er von dem Restaurant sprach, und als der Inhaber daraufhin mit schmerzlich verzerrtem Gesicht nickte und sich verneigte, zückte der Prinz etwas, das nur ein Scheckbuch sein konnte.
»Was ist denn jetzt los?«, wollte Taggard wissen.
Myers seufzte. »Der Prinz hat das Restaurant gelobt und erklärt, dass er es kaufen wird. Und nun schreibt er einen Scheck aus.«
»Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, aber ich meine, der jetzige Besitzer sieht nicht gerade glücklich darüber aus.«
»Das wird er zweifellos auch nicht sein. Aber er kann das Angebot nicht ablehnen; der Prinz würde ihn wegen Beleidigung ins Gefängnis werfen lassen.«
»Ihm wird ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen kann?« Taggard hob die Augenbrauen. »Das habe ich doch irgendwo schon mal gehört.«
Myers betrachtete unglücklich seinen Teller. »Der Prinz bezahlt, was er für angemessen hält. Danach wird er entweder versuchen, das Restaurant selber weiterzubetreiben, oder er wird es zu einem Vielfachen des Kaufpreises weiterverkaufen. Wie auch immer, es heißt, dass das ›Al Ishrin‹ bald aufgehört haben wird, ein empfehlenswertes Restaurant zu sein.« Er seufzte. »Genießen Sie die Mahlzeit, Taggard.«
Taggard schüttelte konsterniert den Kopf. »Sie erzählen das, als sei so etwas hier gang und gäbe.«
»Ist es.«
»Aber mit solchen Praktiken ruiniert die königliche Familie den Mittelstand ihres Landes.«
»Die Prinzen leiden an chronischer Geldnot.«
»Wie bitte? Das Haus Saud ist die reichste Familie der Welt.«
»Zweifellos. Aber eben auch eine der größten und verwöhntesten. Privatflugzeuge, große Jachten und Wohnsitze in den besten Lagen Londons oder Nizzas sind nun mal ziemlich kostspielig. Nicht zu reden von Hobbys wie Falkenzucht oder Pferderennen, von Champagner und Kaviar und all dem Zeug.«
Der Besitzer hatte den Scheck entgegengenommen und sich noch mehrmals verbeugt, hundertmal, wie es Taggard vorkam. Als er ging, wirkte er wie jemand, der sich in seinem Büro einschließen und die Kugel geben würde.
»Das wird er nicht tun.« Myers schüttelte den Kopf. »Der Koran verbietet Selbstmord.«
»Außer, man führt einen heiligen Krieg und reißt ein paar Ungläubige mit sich in den Tod.«
Myers warf ihm einen Blick zu, kurz nur, aber lang genug. Er weiß Bescheid , erkannte Taggard.
Vergangenheit 2001
G egen elf Uhr am Abend des zweiten Montags im September 2001 stürzte in dem kleinen kanadischen Ort Franktown die vierjährige Theresa Miller die Treppe ihres Elternhauses hinab. Ihre Eltern hatten im Wohnzimmer einen verschlafenen Ruf aus dem oberen Stockwerk gehört, und Theresas Mutter wollte gerade aufstehen, um nach ihrer Tochter zu sehen, als es draußen im Flur auch schon entsetzlich rumpelte. Beide Eltern eilten hinaus und fanden ihr Kind bewusstlos am unteren Ende der Treppe vor. Später sollte sich herausstellen, dass das Schutzgitter am oberen Treppenabsatz nicht richtig befestigt gewesen war.
Der Krankenwagen erreichte das Städtische Krankenhaus von Ottawa etwa zwanzig Minuten nach Mitternacht, keine zehn Minuten später wurde Theresa Miller in den OP gerollt. Dort erlag sie gegen fünf Uhr zehn, allen ärztlichen Bemühungen zum Trotz, dem schweren Schädel-Hirn-Trauma, das sie bei dem Sturz erlitten hatte.
Der Arzt, der den wartenden Eltern die schreckliche Nachricht überbringen musste, fragte sie im Anschluss, ob sie der Entnahme von Organen bei ihrer Tochter zuzustimmen bereit seien. Es gäbe eine lange Warteliste von Kindern, denen nur die Transplantation eines Spenderherzens das Leben retten könne.
Viele Angehörige von
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