Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Urlauber vergeben. Ohne Beziehungen geht hier gar nichts.« Ich finde, dass es langsam Zeit wird, dass Nane wieder abreist. Ich habe ihr mittlerweile fünf Wochen Unterschlupf gewährt, aber meine Freundin macht keine Anstalten, sich zu verabschieden. Sie öffnet weder die Post ihres Anwalts noch ruft sie ihn zurück. Sie fühlt sich pudel wohl. Die Arbeit im Restaurant macht ihr Spaß und die nächtlichen, amourösen Treffen mit ihrem Arbeitgeber stärken ihr Selbstbewusstsein.
»In der nächsten Woche kommt meine Familie zu meinem Geburtstag. Dann brauche ich das Zimmer. Nane, sei mir nicht böse, aber ich dachte nicht an eine Dauerlösung.« Beleidigt antwortet sie: »Keine Sorge. Ich ziehe sofort aus«. Sie packt ihre beiden Koffer und zieht sie hoch erhobenen Hauptes lässig zu ihrem Wagen.
»Hast du eine Wohnung gefunden?«
»Ich ziehe zu Tobias. Er hat mir ein Zimmer vermietet und ich kümmere mich dafür um seine kleine Tochter, wenn er beschäftigt ist.« Ich hoffe, mich verhört zu haben.
»Das kannst du nicht bringen!« Das ist ein Dolchstoß!
»Ich schlafe nicht mit ihm. Er sieht nur eine gute Freundin in mir«, versucht Nane zu beschwichtigen. Mich beschleicht das dumme Gefühl, dass Nane mit allen Mitteln versucht, meinen Platz einzunehmen. Bei meinen Residenten Freunden ist es ihr schon gelungen. Bei René macht sie sich unentbehrlich. Nun streckt sie ihre Fühler auch noch nach Tobias aus.
»Wenn das der Dank ist, dann wünsche ich dir viel Glück«, sage ich und gehe ins Haus zurück. Mein Anrufbeantworter blinkt. Yannik bittet darum, dass ich mich melden soll.
»Magst du mich morgen vom Flughafen abholen? Ich habe uns drei Tage frei geschaufelt.« Ich freue mich auf die gemeinsame Zeit. Nun habe ich das Haus wieder für mich allein und meine Familie trudelt erst nach seiner Abreise ein.
Er begrüßt mich freudig und versichert mir, mich unendlich vermisst zu haben. Aber ich spüre während der einstündigen Fahrt, dass er nicht bei der Sache ist.
»Wo bist du mit deinen Gedanken? Hast du Mabel gegenüber ein schlechtes Gewissen?« Er verneint. Erst nach dem Abendessen rückt er mit der Sprache heraus.
»Ich stehe vor großen Problemen in der Firma. Ein Mitbewerber hat unser neues Computerspiel auf der Messe in Los Angeles vorgestellt. Zwei Jahre Entwicklungsarbeit dahin. Wenn Norbert die Kuh nicht vom Eis kriegt, können wir einpacken.« Ich nehme ihn in den Arm.
»Welche Konsequenzen hätte das für dich persönlich?«
»Das bedeutet mein berufliches Aus. Oder glaubst du, ich fange nach sechsundzwanzig Jahren in meinem Alter noch einmal neu an?« Ich will ihn nicht mit Kalendersprüchen trösten, finde aber, dass das Alter kein schlagkräftiges Argument ist.
»Ich hätte die Kraft noch einmal ganz von vorne zu beginnen. Ein Neustart hat etwas Reinigendes, Befreiendes und Aufregendes.« Ich stelle die These auf, dass man spätestens alle zehn Jahre sein Leben neu ordnen sollte. »Denk mal darüber nach! Aber bitte nicht jetzt. Ich möchte die Zeit mit dir genießen.« Ich klettere auf seinen Schoß und beginne ihn zu küssen.
»Komm lass uns schwimmen, das macht den Kopf frei.« Yannik fragt nach seiner Badehose.
»Die brauchst du nicht. Hier kann nur ich dich sehen«, lache ich und ziehe ihn ins Wasser.
Gern hätte ich neben meinem Liebhaber lange ausgeschlafen. Aber das Dröhnen des Rasenmähers weckt uns schon um halb neun auf.
»Lass uns am Strand frühstücken«, schlage ich vor. Zwanzig Minuten später trinke ich meinen obligatorischen Doppelten ohne Zucker und füttere ihn mit Butter Croissants.
»Wie schaffst du es nur, mir ein so gutes Gefühl zu geben. Wenn wir zusammen sind, fühle ich mich rund um wohl. Du bringst es sogar am Telefon fertig, dass mein Herz schlägt, als wäre ich zwanzig Jahre jung.« Wir machen einen Strandspaziergang. Er bestaunt die weißen Yachten, die in der Bucht vor Anker liegen.
»Würde dich so ein Motorboot reizen«, will er wissen.
»Nicht die Spur! Wenn ich mit nackten Füßen durch die flachen Wellen gehen kann, dann bin ich zufrieden.« Als wir zum Wagen zurück gehen, klemmt ein weißer Zettel unter dem Scheibenwischer.
»Hast du ein Knöllchen bekommen?« Ich falte den Zettel auseinander und lese den Satz Ich verachte dich . Erschrocken knülle ich das Papier zusammen und stecke es in die Hosentasche.
»Nur Werbung«, lüge ich
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