Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
verwendet werden kann – eine typische Aufgabe für einen Produktmanager in der Lebensmittelindustrie. Vergleichen Sie mal bei Gelegenheit einen Schweizer Qualitäts-Schaumkuss mit einem deutschen discount-gestählten Billig-Schaumkuss, dann sehen, schmecken und hören Sie den Schwellenpreis-Inflations-Effekt sofort.
Mit dem Schwellenpreis wird der Preis nach dem Geschmack des Kunden gestaltet, nicht nach den Bedürfnissen des Unternehmens, die sich aus der Herstellung ergeben. Das ist genau so eine kundenorientierte Ideenumkehr. Und schon befindet sich das Unternehmen auf der Rutsche nach unten.
Mitten auf der Weide
Außerhalb des Rasters der Schwellenpreise und der Zahlen der Vergangenheit wird es schwer, denn dort muss man herausragende Leistungen bringen, um nachhaltig Erfolg zu haben.
Innerhalb läuft alles wie immer. Wir brauchen vor Weihnachten wieder irgendwelche Filzhausschuhe für 9,95 Euro, sagt der Händler. Denn die sind letztes Jahr gut gelaufen. Und das Jahr davor. Und so weiter.
Souverän mit viel Erfahrung und mit wenig Mut handeln diese Unternehmen mit ihrer Kundenorientierung innerhalb der Komfortzone, innerhalb der Üblichkeiten, der Regeln, der ungeschriebenen Marktgesetze.
Diese Unternehmen, ein Großteil unserer Wirtschaft, ein Großteil unserer Arbeitsplätze, sind wie Kühe auf einer Weide, deren Zaun unter Strom steht. Also immer schön weg vom Zaun grasen! Immer schön in der Mitte der Weide bleiben! Der Zaun ist ja da, es kann zwar keiner raus, aber es kommt bestimmt auch kein Böser rein. Nur kleine freche Kälber zwängen sich unterm Zaun durch und hauen ab, dorthin wo das Gras noch nicht abgefressen ist. Aber das macht dem riesigen, fetten, trägen Brocken von Kuh nichts aus. Sie ist sicher, denn sie ist doch kundenorientiert.
Was gefallen hat, macht sie wieder. Man ändert nichts. Das war doch schon immer so.
Die stursten Jobs dieser Welt gibt es beispielsweise bei den großen Energieversorgern. Die bleiben immer schön in der Mitte der Weide, es ändert sich null und nichts am Geschäftsmodell oder den Produkten, es gibt keine Notwendigkeit irgendetwas zu ändern. Dahinter stehen Beinahe-Monopole, sicheres Terrain, die Dickschiffe sind riesengroß und verdienen konstant Geld. Aber gaaaanz langsam, wie bei Karstadt oder Opel, geht es bergab. Und irgendwann ändern sich die Bedingungen. Plötzlich will die Bevölkerung in der Breite keinen Atomstrom mehr. Plötzlich interessiert sich alle Welt für den CO 2 -Ausstoß. Plötzlich gerät alles ins Rutschen, die Zäune sind weg, die Kuh steht plötzlich mitten im Freien und wird angegriffen.
Was ist nur los, sind plötzlich alle verrückt geworden? Die Energiekonzerne wachen plötzlich aus ihrem Dämmerschlaf auf und reiben sich die Augen: Hoppla, die Welt hat sich verändert, ihr Geschäftsmodell steht vor dem Aus! Wenn es jetzt noch hip wird, in jeder Kommune ein Blockheizkraftwerk zu bauen, wenn die Leute anfangen, dezentrale Energiekonzepte in Eigenregie umzusetzen, wenn jeder im Baumarkt Solarzellendachziegel, Batterien und Wechselrichter kaufen kann, dann stehen die großen Energiekonzerne plötzlich vor einem existenziellen Problem. Wie kam das nur?
Mittelmaß-und-Billig-Unternehmen und ihre Konsumenten handeln so, wie sie handeln, weil sie sich in Sicherheit wähnen und weil sie nichts mehr scheuen als das Risiko. Was sie alle miteinander nicht verstanden haben, ist, dass die Sicherheitszone, in der sie sich wähnen, nur temporär ist. Das größte Risiko, das sie langfristig eingehen, ist die Risikoscheu. Denn das macht sie träge, blind und billig, sie vermindert die Innovationsfähigkeit, die Veränderungsbereitschaft, die Kreativität und sie knabbert Jahr um Jahr an der Wertschöpfung – bis am Ende alles zusammenbricht.
Massenmarkt-Mittelmaß-Billig-Konzepte in der Wirtschaft sind nicht nachhaltig, sie sind auf Sand gebaut, sie haben einen eingebauten Konstruktionsfehler, nämlich den schleichenden Substanzverlust und die Trägheit, die sie aus der nächsten großen Kurve trägt.
Was Kunden wollen
Aber die Konzerne sind doch nicht doof. Die haben lauter Elite-Uni-Absolventen in der Führungsetage, und die können alle rechnen. Sie sehen ja die Zahlen und sie wissen genau, wie der Kunde tickt. Stimmt’s?
Ein Marketing-Professor kam eines Tages in den Hörsaal, stellte sich hin, hielt ein Buch hoch und sagte: »Das ist mein Buch. Was hier drin steht, sollten Sie wissen. Es kostet 20 Euro. Ich weiß aber
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