Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
als in Billys Küche. Hier kommandiert ihn niemand, hier ist er der Chef.
Ich nicke wild, Vesna nickt kurz und knapp zurück. Sie stellt ihm lächelnd eine Frage, er will aufspringen. Sie hält ihn mit einer Hand am Unterarm fest. Ich weiß, wie viel Kraft Vesna hat. Sie zischt ihm etwas zu. Er sieht sich gehetzt um und versucht dann souverän dreinzuschauen. Lange gelingt es ihm nicht. Er schüttelt den Kopf, leugnet. Höchste Zeit, dass er auch mich sieht. Aber Vesna hat mir noch kein Zeichen gegeben.
Ich sitze am äußersten Rand der rot gepolsterten Bank. Der Ober beobachtet die beiden mit sorgenvollem Gesicht. Offenbar weiß er nicht, ob er einschreiten soll. Ich winke ihm, will ihn ablenken. Er kommt, und mir fällt nichts Besseres ein, als Schokoladepalatschinken zu bestellen.
Vesna hält Peppi weiter gefangen. Zum Glück scheinen alle anderen im Saal zu sehr mit sich selbst oder ihrem Gegenüber beschäftigt zu sein, um etwas zu bemerken. Es sieht schon eigenartig aus: Eine einfach gekleidete, aber durchaus elegante Frau Anfang vierzig, die einen aufgeregten jungen Koch in voller Montur festhält. Jetzt endlich nickt sie mir zu. Ich gehe durch den Raum, Peppi bleibt der Mund offen, als er mich kommen sieht. Ich nicke schadenfroh und setze mich.
»Was hast du dir dabei gedacht, einfach abzuhauen und hier unter falschem Namen als Chefkoch aufzutreten?«
»Ich bin hier Chefkoch, ich trete nicht auf.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Chefs des Hauses wissen, dass du eigentlich anders heißt.«
»Es ist ein Chef. Privatbesitz. Und der weiß.«
»Warum bist du über Nacht weg? Warum hast du dich nicht gemeldet? Nicht bei deiner Mutter, nicht bei deiner Freundin? Warum der falsche Name?«
Peppis Gesicht wird verschlossen. »Geht dich nichts an.«
»Zuerst hat er gesagt, er ist gar nicht der Peppi vom Apfelbaum«, erklärt Vesna.
»Na gut, das jedenfalls kannst du nicht abstreiten.«
»Ich muss gehen. Ich habe in der Küche …«
»Du hast gar nichts. Wenn du nicht möchtest, dass wir ein riesiges Aufsehen machen, dann beantwortest du jetzt lieber unsere Fragen. Es hat zwei Mordfälle gegeben. Du giltst als verdächtig.«
Er sieht mich an, versucht, schlau dreinzuschauen. »Habe ich gehört. Ich bin nicht verdächtig. Aber Billy ist es.«
»Du hast mit deiner Freundin Kontakt.«
»Kann dir egal sein.«
»Sie hat mich belogen.«
»Und?«
Ich möchte ihn schütteln. Stattdessen versuche ich es auf die weiche Tour. »Peppi, man hat zwei Menschen umgebracht und Billy eine Menge böser Streiche gespielt. Wir waren besorgt, haben Angst gehabt, du könntest auch nicht mehr leben. Wir sagen niemandem, dass du über Nacht verschwunden bist – wenn du mit uns zusammenarbeitest. Bitte. Warum bist du weggegangen?«
Er schüttelt wild den Kopf, und für Augenblicke frage ich mich, wie er seine Kochmütze befestigt hat. Sie schwankt etwas, sitzt aber wie angenagelt.
»Ich weiß, dass du mich zurückholen sollst, weil ich österreichische Gesetze verletzt habe. Verjährt erst in einem halben Jahr, ich hätte wegen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bleiben müssen.«
Ich bin keine Expertin im Ausländerbeschäftigungsrecht, aber das erscheint mir unsinnig. Unsere Behörden sind bemüht, Ausländer schnell loszuwerden. Dass es für Ausländer eine Verpflichtung gibt, so lange im Land zu bleiben, wie ihre Arbeitsbewilligung gilt, kann ich mir nicht vorstellen.
»Ist eine neue Bestimmung, ich wollte keine Probleme, aber da war das gute Angebot. Also bin ich heimlich gegangen.«
»Und hast Billy im Stich gelassen«, fahre ich auf.
»Sie hat gehabt meine Arbeit, der war ich nichts schuldig, hat mich sehr hart arbeiten lassen, um wenig Geld.«
»Zeig mir einen Gastronomiebetrieb, der gut zahlt.«
»Der hier.«
»Chefköche werden überall besser bezahlt. Wie bist du zu diesem Job gekommen?«
»Über Freund.«
»Und wie heißt der?«
»Soll ich nicht sagen, er will nicht, dass Billy auf ihn sauer ist. Weil man weiß, wie schwer man Köche findet.«
»Wer war es?«
Er schüttelt den Kopf.
Vesna sieht ihn spöttisch an. »Da hast du eine Menge Blödsinn geglaubt. Dir kann man alles einreden, wenn du Vorteil witterst. Ist es so? Hast keine Ahnung, dass dich der Freund in große Schwierigkeiten gebracht hat.«
»Mir geht es gut hier.« Jetzt kommen ihm beinahe die Tränen.
Vesna legt nach: »Österreich und Tschechien arbeiten bei Gericht und Polizei zusammen. Glaubst du, Polizei erzählt deiner
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