Ausgeliebt
Dekolleté zu schummeln. Beides
knallrot.
»Alter Fernsehtrick«, hatte Dorothea erklärt, während sie diesen Hauch von Wäsche aus der Tüte nahm, »rot unter weiß sieht
man nicht.«
Ich war beeindruckt. Dorothea beherrschte ihren Job. Sie hatte einen anderen Typ aus mir gemacht. Das war schon fast der Stadtschwan.
Es fehlte nur noch der blasierte Gesichtsausdruck.
Ich spitzte meinen dunkelrot geschminkten Mund und warf ihr im Spiegel eine Kusshand zu.
|51| »So aufgetakelt bin ich noch nie zu einem Steuerberater gefahren.«
»Du sollst nicht Hans-Hermann beeindrucken, ich würde gerne Bernds Blick sehen, wenn er dich so sieht.«
Dorothea verrieb Haargel auf den Fingerspitzen und gab meiner Frisur den letzten Schliff.
Dabei begutachtete sie mein Dekolleté.
»Hat deine Exfreundin Antje nicht immer diese Sport-BHs getragen, diese weißen Baumwollteile, in denen man die Hängetitten
sieht?«
»Dorothea! Wie kommst du da jetzt drauf?«
»Ich meine bloß. Wenn du dich kleinlaut fühlst, denk an diese scharfe Wäsche, die du drunter trägst. Das gibt dir doch gleich
so ein überlegenes Gefühl.«
Ich musste lachen. Antje trug tatsächlich Sport-BHs.
Nach einem abschließenden Blick, der mich zufrieden stellte, nahm ich meine Tasche und die Autoschlüssel.
Wir verließen zusammen meine Wohnung. Dorothea winkte, als ich mich auf den Weg zu Hans-Hermann machte und das erste Mal seit
dem Auszug den alten Heimweg fuhr.
Auf den Elbbrücken überkam mich ein flaues Gefühl.
Ich hasste Auseinandersetzungen, die sich ums Geld drehten, mir waren Steuererklärungen und getrennte Konten zuwider, und
ich würde das erste Mal nach Wochen Bernd wiedersehen. Georg hatte mir am Abend zuvor eingeschärft, bei den Vorschlägen von
Hans-Hermann aufzupassen und mitzureden.
»Bernd will das Haus ohne dich, also soll er auch ohne dein Geld klarkommen. Lass dich nicht von ihm zu irgendwas überreden,
bei dem du wieder draufzahlst. Nur weil du keine Lust hast, dich mit ihm auseinander zu setzen.«
Georg sah mich eindringlich an.
»Du hast ihm das Studium finanziert und das meiste vom Haus bezahlt. Das Mindeste wäre jetzt ein Angebot von ihm, dir für
die Sachen, die du dagelassen hast, Geld zu geben.«
»Er hat doch nie Geld.«
|52| »Christine, das ist nicht mehr dein Problem. Bleib bitte einmal hart.«
Ich versprach mich wenigstens zu bemühen.
Wie er wohl aussah? Und was er wohl über meine Veränderungen denken würde?
Ich drehte den Rückspiegel zu mir. Schmales Gesicht, glänzende Haare, große Augen.
Tabea und Dorothea hatten mir die Tricks gezeigt.
Charlotte meldete sich.
»So gut hast du noch nie ausgesehen. Und diese Klamotten. Stell dir seinen Blick vor. Und das, ohne dass er die Wäsche sieht.«
Ediths Antwort kam prompt.
»Als ob es ihm darauf ankommt. Außerdem steht er auf groß und blond.«
»Mit Hängetitten.«
Mittlerweile war ich fast da.
Es war ein komisches Gefühl. Ich kannte hier jeden Weg, jedes Haus, war unzählige Male diese Straßen gefahren. Es war alles
vertraut, trotzdem gehörte ich nicht mehr hierher.
Es tat weh.
Charlotte versuchte zu retten.
»Was willst du auch hier in der Pampa. Es riecht nach Gülle und Silo, überall abgetakelte Höfe. Denk an deine Wohnung, an
die Alster, den Kiez, die Lichter, die Leute.«
Ich atmete tief durch, als ich auf den Parkplatz der Steuerkanzlei fuhr. Bernds Auto entdeckte ich nicht, es war auch etwas
zu früh. Mein Puls beschleunigte sich, in spätestens einer halben Stunde würde ich ihn treffen.
Hans-Hermann öffnete mir die Tür und lächelte ungläubig.
»Wow, sieht man in Hamburg so aus, wenn man sich trennt? Christine, das hättest du früher tun sollen. Sorry, ich meine, du
sahst vorher auch, also versteh mich nicht falsch, aber das jetzt, also wirklich.«
|53| Ich gab ihm die Hand.
»Schon gut, danke, ich verstehe dich richtig.«
»Ja, dann komm rein, wir können gleich anfangen. Ich habe schon alle Unterlagen rausgesucht und ein paar Vorschläge durchgerechnet.
Ich habe Bernd eine halbe Stunde später bestellt, er ist anscheinend nicht scharf darauf, dass du dein Geld rausziehst, aber
die Kröte muss er schlucken.«
Dann saßen wir im Büro, Hans-Hermann erklärte mir seine Vorschläge, ich versuchte ihm zu folgen. Anhand von Zahlenkolonnen
und Kontoauszügen sezierte und zerschnitt er meine zwölf Jahre mit Bernd.
Ich zwang mich zur Konzentration und zur Fassung, dachte, es geht hier nur
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