Ausgeliebt
mich professionell geschminkt. Sie hatte sich als Stylistin vorgestellt. Ich dachte
darüber nach, ob ein Name wie Tabea Voraussetzung für diesen Beruf wäre. Als Gudrun käme man wahrscheinlich nicht weit.
Ich hatte sehr große Augen. Sehr blau.
»Sieh sie dir an, Doro, zehn Jahre jünger und so apart, aber irgendwie auch fetzig.«
Fetzig war dann auch die Rechnung. Ich bemühte mich, nicht mal mit der Wimper zu zucken. In meinem ganzen Leben hatte ich
noch nie so viel Geld beim Friseur gelassen.
Dafür hieß meine alte Friseurin auch Gudrun.
Dorothea packte mich draußen an den Schultern.
»Du siehst klasse aus. Das feiern wir jetzt. Wir gehen erst mal was essen und dann auf den Kiez.«
Ich merkte Hollis Schampus bereits und fühlte mich in meiner Seele genauso leicht wie auf dem Kopf.
Wir aßen in der »Weiten Welt«, wo es mir gefiel. Dorothea erzählte Geschichten vom Fernsehen, eine komischer als die andere.
Ich hatte Sorge um mein teures Augen-Make-up.
Später setzten sich zwei Kollegen von Dorothea an unseren Tisch. Marcus und Peter waren Maskenbildner, gute Freunde von Holli,
dem Künstler, und nannten mich auch Schätzchen. Sie waren zufällig in das Lokal gekommen, wo sie unter lauten Jubelschreien
Dorothea entdeckten und sich uns anschlossen.
Ich fand sie fluffig und charmant, wir redeten und lachten und bestellten eine Flasche Wein nach der anderen.
Sie folgten begierig und betroffen Dorotheas indiskreten Schilderungen meiner Verwandlung von der Landente zum |48| Stadtschwan, stießen zwischendurch entsetzte Laute aus. Als sie alles wussten, nahm Marcus mit dramatischer Geste meine Hände
zwischen die seinen.
»Ach, Schätzchen, was für ein dummer Kerl, sei froh, dass es vorbei ist. Furchtbar.«
Sie rührten mich, ich fühlte mich weinselig und wohl mit ihnen.
Peter hob sein Glas.
»So, und jetzt ist Schluss mit den traurigen Geschichten. Jetzt beginnt der Sommer und wir gehen tanzen.«
Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr getanzt. Dabei war es mitten in der Woche und bereits Mitternacht. Es fühlte sich verwegen
an. Und ich bekam eine unbändige Lust zu leben.
Wir tanzten und tranken bis morgens um vier. Es war wie ein Rausch, ich machte mir keine Gedanken mehr, hörte nur auf die
Musik, sah in die lachenden Gesichter von Dorothea, Marcus und Peter.
Als ich im Taxi saß, fühlte ich mich beschwingt. Ich hoffte, dass der Taxifahrer etwas mit meiner Adresse anfangen konnte.
Meine Artikulierung war schon sehr undeutlich.
Er fragte nur einmal nach, beim zweiten Versuch bekam ich es kaum besser hin, trotzdem fuhr er los. Die Fahrt durch das nächtliche
Hamburg war wunderbar, leider hielt er irgendwann an.
Ich erkannte mein Haus und war erleichtert.
Die Anzeige auf dem Taxameter war verschwommen, ich drückte ihm einen Schein in die Hand ohne den Fahrpreis verstanden zu
haben. Vermutlich war es zu viel, er öffnete mir die Tür und verabschiedete sich mit Handschlag.
Ich fand ihn reizend, war voll wie eine Tüte, blieb auf dem Fußweg stehen und winkte ihm nach.
Als die Rücklichter verschwunden waren, hangelte ich mich an der Buchsbaumhecke entlang zur Haustür. Plötzlich verlor ich
das Gleichgewicht und fiel einfach um. Ich landete in der |49| Hecke, die sich öffnete, sich über mir wieder schloss und mich sanft auf den Rasen gleiten ließ.
Ich lag da wie ein Maikäfer, mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, und überlegte, ob mir etwas wehtat. Es tat sich nichts.
Dann öffnete ich die Augen. Über mir funkelten die Sterne. Ich lag da, mit meiner fetzigen Frisur und meinen schönen Augen.
Ich sah in den Himmel und fing an zu lachen.
|50|
Aufräumen
Ich musterte mich kritisch im Spiegel.
Dorothea zupfte am Kragen meines Blazers. Sie schnippte ein Haar von meiner Schulter und sah zufrieden aus.
»Perfekt«, sagte sie und musterte mich von Kopf bis Fuß.
Ich war skeptisch.
»Ist das nicht ein bisschen zu dick aufgetragen?«
»Blödsinn, der Idiot soll sehen, was er aufgegeben hat. Ich finde es großartig.«
»Dorothea, ich sehe aus wie eine Fernsehtussi.«
»Sicher, die Klamotten kommen ja auch aus dem Fundus. Und außerdem kann ich nur Fernsehtussis.«
Sie lachte.
Ich trug einen braunen Nadelstreifenanzug, schmale Hose, lange Jacke. Dazu ein knallenges weißes T-Shirt , weit ausgeschnitten. Kaum zu spüren, nicht zu sehen war die Unterwäsche.
Tangaslip, damit sich unter der engen Hose kein Rand abzeichnete, und ein Wonderbra, um beim
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