Ausgeliebt
geputzt, drei Tage hinterher geputzt, ich war
immer froh, wenn es wieder vorbei war.«
Dorothea sah mich fragend an. »Warum hast du das eigentlich jedes Jahr gemacht?«
|179| Ich dachte über mich nach. »Ich habe mich nie getraut, es anders zu machen. Das gehörte sich so. Und bei Bernds Geburtstag
war es dasselbe in grün.«
Dorothea winkte ab. »Schätzchen, das ist Vergangenheit. Heute siehst du mal, wie Geburtstagfeiern geht.«
Sie sah auf die Uhr. Ines folgte ihrem Blick.
»Es ist ja schon halb elf. Christine, jetzt sieh zu, dass du aus diesem Bademanteltier rauskommst. In einer Stunde kommt Besuch.«
Ich hatte die Lebensmittel und den ganzen Sekt schon fast vergessen.
»Wen habt ihr denn eingeladen?«
Dorothea musterte mich ernst. »Na, Bernds ganze Familie.«
Ich blickte ernst zurück. Sie lachte zuerst. »Schlechter Witz, nein, nur nette Leute. Geh mal duschen, wir machen hier jetzt
den Tisch fertig.«
Zwei Stunden später war meine Wohnung voller Stimmengewirr, Gelächter und Geburtstagsstimmung. Ines und Dorothea hatten Tische
zusammengeschoben, Blumen und Kerzen dekoriert, in der Küche stand ein beeindruckendes Buffet, Ines öffnete eine Flasche Sekt
nach der anderen.
Ich saß am Kopfende des Tisches und fühlte mich besonders.
Rechts von mir saß Georg, daneben Franziska, dann Luise, daneben Marleen, die auf dem Weg nach Hamburg telefonisch gratuliert
und bedauert hatte, dass sie selbst nicht kommen könnte. Eine halbe Stunde später hatte sie geklingelt.
Nina saß gegenüber, neben Maren und Rüdiger, dann folgten Leonie und Michael.
Dorothea und Ines übernahmen die Bedienung, als würden sie dafür bezahlt, ich saß mit einem kleinen schlechten Gewissen wie
eine Diva an diesem Kopfende. Meine Angebote, Getränke zu holen, wurden mit dem Satz: »Bleib sitzen, du bist vierzig und hast
Geburtstag!« abgelehnt.
Die Tischgespräche waren laut und lebhaft, jeder unterhielt |180| sich mit jedem. Marleen und Luise sahen sich zum ersten Mal, hatten zuvor durch mich aber viel voneinander gehört und unterhielten
sich gleich über Maklerinnen mit kleinen rosa Jacken.
Leonie und Ines erinnerten sich gegenseitig an die schrägsten Wohnungen, die sie damals für mich besichtigt hatten, Franziska
und Nina unterhielten sich über ein Konzert, in dem die eine war und in das die andere wollte, Dorothea diskutierte lauthals
mit Maren in der Küche über Männer und Frauen und insbesondere über meine bevorstehende Scheidung. Ich redete überall ein
bisschen mit. Als ich aufschnappte, dass Rüdiger, Michael und Georg über Fernsehrechte diskutierten, verspürte ich einen Stich
und dachte an Richard.
Franziska sah mich genau in dem Moment an. Sie zog fragend die Augenbrauen hoch, ich lächelte ihr zu und stand auf. Im Vorbeigehen
legte ich ihr die Hand auf die Schulter und flüsterte: »Blasenschwäche.«
Sie lächelte, ich ging ins Badezimmer. Auf dem Weg nahm ich mein Handy von der Kommode im Flur. Ich schloss die Tür ab und
setzte mich auf den Badewannenrand. Auf dem Handydisplay war keine Nachricht. Ich suchte die letzte SMS.
»Geburtstagskuss. Bis bald, Richard.«
Ich strich mit dem Daumen sanft über den Satz.
»Bis bald.«
Er fehlte mir. Ich wünschte mir so, dass er mit am Tisch sitzen könnte, hätte ihm gern alle vorgestellt. Ich sehnte mich nach
seiner körperlichen Nähe, nach seinen Geschichten, nach der Art, in der er mich ansah. Drüben saßen die Menschen, die mir
in den letzten Monaten am meisten geholfen hatten, der Mensch, der mir am liebsten war, fehlte. Ich hatte Richard alles über
meine Freunde und Familie erzählt, sie wussten noch nichts von ihm. In diesem Moment hätte ich ihn so gerne geküsst, ich wollte
diesen Tag, diese Leute, diese Gespräche mit ihm teilen. Und er saß in Berlin. Bei Sabine.
|181| Ich spürte einen Kloß im Hals. Jemand klopfte an die Tür.
»Ist dir schlecht geworden? Ich muss mal.«
Marleen.
»Moment, bin so gut wie draußen.«
Ich schob das Handy in die Hosentasche, drückte den Spülknopf und wusch mir die Hände.
Als ich aus der Tür kam, umarmte mich Marleen kurz, dann sah sie mich forschend an.
»Ist alles in Ordnung?«
Ich beeilte mich mit der Antwort. »Aber klar, ich bin nur so gerührt, dass alle gekommen sind.«
Sie streichelte mir die Wange.
»Tja, das hast du dir dann wohl verdient. Es sind wirklich alles tolle Leute.«
Ich nickte stolz, sah ihr hinterher, bis sie die Tür
Weitere Kostenlose Bücher