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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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oder?«
    »Ja, aber ich hoffe trotzdem, wir können in Cleveland ein bisschen Zeit für uns haben. Warst du schon im Kunstmuseum?«
    Ich hatte im Auto die meiste Zeit damit verbracht, fieberhaft darüber nachzudenken, wie ich Glenn loswerden könnte, bevor wir Cleveland erreichten. Wäre das hier ein Film, ich würde ihn umbringen müssen, die Verzweiflung würde steigen und zwangsläufig zu drei weiteren Morden führen, und am Ende würde ein dummes Detail – zum Beispiel das Licht, das ich in der Bibliothek brennen gelassen hatte – mich verraten. Aber mir fiel nichts Richtiges ein. Mit ihm Schluss zu machen schien das Klügste zu sein, und noch besser wäre es, wenn er von sich aus mit mir Schluss machen und verschwinden würde. Wenn ich ihm den Laufpass gab, würde er Verdacht schöpfen oder sich an mir rächen wollen.
    »Ich mache mir nicht besonders viel aus Museen«, log ich. Für diese Lüge – und ein paar andere Dinge – würde ich in die Hölle kommen. »Ich sehe keinen Sinn darin.«
    »Dann eben etwas anderes.«
    Ich blieb in der Mitte des Parkplatzes stehen. »Hör zu. Deine Premiere. Bei der ich war. Sie war großartig.«
    »Ja.«
    »Also, es ist witzig, aber … kennst du diese Reklame von Meister Proper? Die ewig im Radio kam?«
    »Wie bitte?«
    » Meister Proper putzt so sauber und so weiter … weißt du, wovon ich spreche?«
    »Nein.« Er lachte und schüttelte den Kopf, als würde ich ihm etwas Nettes sagen und nicht, dass seine Karriere als Komponist eine Farce war.
    »Nun, das ist die gleiche Melodie wie dein Lied. Dein Stück meine ich. Genau die gleiche Melodie.«
    »Okay.«
    »Nein, du begreifst es nicht.«
    »Ich verstehe schon. Die gleiche Melodie.« Er versuchte mich zu küssen.
    »Nein, hör zu. Meister Proper la la la la  … erkennst du das nicht?«
    Er starrte in die Luft, als versuche er, sich an etwas zu erinnern, und dann sagte er: »Scheiße.«
    Ich hatte Ian die Schlüssel gegeben, er wartete auf dem Rücksitz auf uns, hielt die Schuhschachtel hoch und schüttelte sie. Er stellte sie wieder hin, als wir das Auto bestiegen.
    Wir fuhren Richtung Highway, und Ian sagte: »Also, Kumpel, erzähl uns von deinem neuen Film.« Er schob eine Handvoll unsichtbarer Mikrophone zwischen die beiden Vordersitze. »Ich habe gehört, dass du in Julia Roberts verliebt bist.«
    Glenn gefiel das nicht. Er sah aus, als wäre er noch in Gedanken versunken, als versuche er, sich an die Jingles seiner Kindheit zu erinnern, und denke dabei über sein Stück nach. Er reckte den Nacken und rieb sein Kinn. Er hatte sich nicht rasiert, und die Stoppeln waren weißlich grau wie die Haare an seinen Schläfen und seine Augenbrauen.
    »Miss Hull, wann hast du den Kumpel zum ersten Mal getroffen und warum sagt er nie etwas?«
    Glenn tauchte aus seiner Trance auf und sagte: »Hat er dich gerade ›Miss Hull‹ genannt?«
    Bevor Ian reagieren konnte, sagte ich: »Seine Mutter legt großen Wert auf Respekt vor Erwachsenen.«
    Glenn lachte und drehte sich zu Ian um. »Verstehe«, sagte er. »Sehr respektvoll, Kumpel.«
    Ian sagte: »Ich habe nur vor Damen Respekt.« Das war das Ende des Gesprächs, auch als wir eine Essenspause bei einer Hamburgerkette außerhalb Clevelands einlegten, sagte Glenn nichts, er bestellte lediglich seinen Hamburger mit Putenfleisch und Pommes.
    Ian schlürfte seine Schokoladenmilch so genüsslich, dass man davon ausgehen konnte, dass er normalerweise so etwas nicht trinken durfte. »He, Mr Kumpel, haben Sie gewusst, dass Miss Hulls Vater eine Schokoladenfabrik hatte?« Glenn nahm nicht einmal wahr, dass Ian mit ihm sprach. »Aber Miss Hull, diese Geschichte war erfunden, oder? Sie ergibt doch keinen Sinn. Ich glaube, er hat nur Spaß gemacht.«
    »Ich glaube, du könntest recht haben.« Ich hatte die Szene aus meinem Gedächtnis gestrichen, aber ehrlich gesagt, ein Teil der Verwirrung und der Zerstreutheit, die ich den ganzen Tag schon fühlte, hatte damit zu tun, dass ich merkte, wie mir meine Familiengeschichte unter den Füßen weggezogen wurde.
    »Aber er ist ein echter Russe, stimmt’s? Er hat wirklich einen tollen Akzent.«
    In meiner Verfassung brauchte ich eine Sekunde, um mich daran zu erinnern, dass er mit anderen Russen bei verschiedenen Anlässen fließend Russisch sprach, erst dann konnte ich ihm mit Bestimmtheit antworten.
    Als das Essen kam und Ian sich auf sein Sandwich mit Schinken, Salat und Tomate stürzte, entschuldigte ich mich und ging zur Toilette. Wie

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