Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
Vom Netzwerk:
Ihnen zur Verfügung, meine Dame.« Er verbeugte sich tief.
    In diesem Moment fiel mir ein, dass in der Lobby Sicherheitskameras installiert waren. Wir wurden die ganze Zeit von einem Videogerät aufgenommen. Wenn die Polizei mir auf die Schliche kam, würde mein Vater mich in Schutz nehmen, aber der Sicherheitsmann würde sich nach diesem ganzen Spektakel garantiert an uns erinnern, und die Bänder würden vor Gericht zu Beweisstück Nummer drei werden.
    »Das ist wirklich süß«, sagte ich, »das Problem ist nur, dass wir gerade im Aufbruch sind. Joey muss zu seiner Großmutter gebracht werden.«
    »Das ist tragisch!«, sagte Glenn, lachte aber dabei. Seine Gefühle waren nicht verletzt, vermutlich würden sie es erst dann sein, wenn ich ins Gefängnis kam und er erkennen musste, dass er mit einer Verrückten ausgegangen war.
    In der Zwischenzeit drehte Ian sich um die eigene Achse, seinen Rucksack als Gegengewicht am ausgestreckten Arm haltend. »Ja, aber wisst ihr was«, rief er. »Wir haben im Auto noch zwei Sitzplätze. Du kannst mit uns kommen!«
    Ich konnte weder reden noch atmen, und Glenn wählte diesen Moment, um Ian endlich zu akzeptieren. »Das ist eine tolle Idee. Ich liebe Cleveland!« Er wandte sich an mich. »Ist das okay? Ich habe einige Tage frei und habe meine Sachen dabei.« Was er meinte, war die Reisetasche zu seinen Füßen. Hatte er geplant, bei meinen Eltern zu bleiben?
    Ich nickte, da mir keine passende Lüge einfiel. Es wäre natürlich möglich gewesen, auf der Stelle mit ihm Schluss zu machen, aber mit welcher Begründung? Und wenn er nach Missouri zurückfuhr, könnte er die Nachrichten sehen. Es war offensichtlich, dass er noch nichts wusste, sonst hätte er Ian erkannt. Und wenn er erst in ein paar Tagen nach Hause fuhr, hätte sich das Interesse an der Geschichte vielleicht schon gelegt.
    Wir fuhren mit dem Aufzug hinunter in die Garage. Ich balancierte die Rosen oben auf der Schuhschachtel und versuchte, mich nicht zu übergeben.
    Während Glenn seine Tasche im Kofferraum verstaute, setzte ich mich auf den Fahrersitz, Ian saß hinten neben der Schuhschachtel und den Rosen. Ich drehte mich zu ihm um und flüsterte: »Was ist bloß in dich gefahren?«
    »Er hat mir leidgetan. Rosen sind ziemlich teuer.«
    Glenn setzte sich, drückte mein Knie, und wir fuhren los.
    »He«, sagte Ian, als wir wieder auf den Lake Shore Drive hinausfuhren. Die Sonne schien grell auf das Wasser und blendete die Jogger. »Wenn du Dorothy bist und ich die Vogelscheuche, dann ist der Kumpel der feige Löwe! Und die Schachtel ist der Blechmann!«
    »Vielleicht bist du Toto!«, sagte ich. Er lachte und begann zu bellen. Es stimmte, die Rolle der Vogelscheuche passte nicht zu ihm. Er brauchte nicht noch mehr Verstand. Er würde viel Mut brauchen. Ein starkes Herz. Ich versuchte mich zu erinnern, welche lebensnotwendigen Eigenschaften Dorothy fehlten. O ja. Sie wollte nach Hause.

20
    Auf der Flucht
    Die nächsten drei Stunden verbrachte Ian damit, Glenn immer wieder die australische Nationalhymne vorzusingen, die er angeblich in der Schule gelernt hatte. Ich konnte kaum noch nachdenken vor Angst, Ian würde sich verplappern und etwas über unsere bisherige Reise verraten.
    »Ich bin gestern so spät aufgestanden«, sagte er einmal, »weil mein Onkel vergessen hat, mich zu wecken. Mein Onkel José. Er hat für mich Huevos Rancheros zubereitet, das ist eine Spezialität aus seiner Heimat.«
    »Und wo ist diese Heimat?«, fragte Glenn. Er lachte und schaute zu mir herüber.
    »Venezuela«, sagte Ian. »Und die Hauptstadt ist Caracas, falls du dich das fragen solltest.«
    »Das habe ich getan.«
    Ian begann wieder zu singen, glücklicherweise ohne sich mit Glenn zu unterhalten. Wir fuhren an einem Schild mit dem Hinweis »Hobart, Indiana, Outlet-Einkaufszentrum« vorbei, und ich nahm diese Ausfahrt. Fast hätte ich gesagt: »Die Fluggesellschaft hat meinen Koffer verloren«, doch dann fiel mir ein, dass Glenn wusste, dass ich mit dem Auto unterwegs war. Daher sagte ich: »Als ich losfuhr, wusste ich nicht, dass ich so viele Sachen brauchen würde, es ging alles so schnell.« Ich parkte vor etwas, was sich lediglich als eine langgestreckte Ladenzeile entpuppte, und forderte Ian auf, mich zu begleiten. Ich wusste, dass Glenn am Auto auf uns warten würde, um eine Zigarette zu rauchen, und ich wollte die beiden nicht allein lassen. Ian hätte noch weitere exotische Verwandte erfinden können.
    Glenn saß auf der

Weitere Kostenlose Bücher