Ausgeliehen
Gesicht leuchtete wieder, und er schien normal zu atmen. »Warte, bis du dich duschst!«
»Warum?«
»Das ist eine Überraschung!«
Als ich durch die Diele torkelte und ins Gästebad ging, betrachtete ich sorgfältig den Boden der Badewanne, überprüfte die Handtücher und die Seife, konnte aber außer dem grünen und orangefarbenen Muster nichts Ungewöhnliches erkennen. Es war angenehm, eine Seife zu haben, die nicht aus einem Hotel stammte. Auch der Wasserdruck war hier besser, und obwohl die Badewanne olivgrün war, schien sie sauber zu sein. Ich griff zur einzigen Shampooflasche, die auf dem Regalbrett stand, und da sah ich, was Ian gemeint hatte. Das Shampoo war gelb und flüssig wie Babyshampoo, und auf einer Schicht angetrockneter Seife klebte ein Papieretikett, auf dem in großen roten Buchstaben stand: Frettchen-Shampoo! Unter dem Logo befand sich ein knopfäugiges Frettchen, das in den vielen Jahren im Badezimmer der Labaznikows ein bisschen blass geworden war. Ich drückte etwas von der gelben Masse auf meine Hand und schnüffelte daran. Es roch wie Welpenshampoo, nicht unangenehm. Ich schmierte es mir in die Haare und versuchte, es einzumassieren, aber das Shampoo schäumte nicht. Als ich die Haare ausspülte und mir mit den Fingern über den Kopf fuhr, fühlten sich meine Haare klebrig und klumpig an.
Als ich fertig war, wischte ich den Spiegel ab und betrachtete mein wächsernes Haar, dann meinen ganzen Körper. Ich musste in den vier Tagen, die wir unterwegs waren, fünf Pfund abgenommen haben. Genug zumindest, um den Unterschied zu sehen. Und dann erinnerte ich mich an das, was Leo von meinem Vater erzählt hatte, und nach ein paar verschwommenen Momenten fand ich heraus, was ich geträumt hatte und was nicht. Ich gewöhnte mich allmählich an dieses Gefühl: morgens aufzuwachen, erleichtert, dass ich Ian nicht aus Hannibal weggebracht hatte, und mich dann zu erinnern, dass es doch so war. Aber die Geschichte meines Vaters schien mir aus irgendeinem Grund noch dunkler zu sein als meine tägliche Erkenntnis. Das war etwas, was ich nicht wissen sollte, woran ich mich nicht erinnern sollte.
Ich zog mich schnell an, wickelte mir ein Handtuch um den Kopf und schlich ins Gästezimmer, in dem Ian untergebracht war. Ich konnte hören, dass sie alle unten saßen, aßen und sich unterhielten. Auf einem Schreibtisch stand, was ich heute um fünf Uhr früh gesehen hatte: ein dicker, grauer Computer der Marke Dell, alt, aber nicht uralt, der Bildschirm gleichmäßig eingestaubt. Dahinter sah ich ein Telefonkabel, das in der Wand verschwand. Ich schaltete den Computer ein und klickte die Internetverbindung an – das Gerät hörte sich an wie ein Telefon beim Wählen, ein Geräusch, das ich nach den vielen Jahren in der Bibliothek, wo die Computer permanent online sind, schon vergessen hatte. Als ich im Netz war, lief ich zur Tür und schloss sie ab. Dann gab ich die Suchbegriffe »Ian Drake, Hannibal, Verdacht« ein.
Mein Blut stockte, als acht Einträge auf dem Bildschirm erschienen, aber dann stellte ich fest, dass sich die Einträge zwei bis acht auf den ersten Eintrag bezogen, einen Artikel auf Loloblog.com, der am Mittwochabend ins Netz gestellt worden war. Bei Loloblog handelte es sich um ein sehr kunstbeflissenes, liberales Online-Magazin, das ich, als ich noch im College war, ab und zu gelesen, inzwischen aber völlig vergessen hatte. Die Autoren waren alle ungefähr dreiundzwanzig Jahre alt, lebten auf dem gleichen Quadratkilometer in Brooklyn und waren hoffnungslos rechthaberisch. Sie waren überheblich und stolz auf ihre Überheblichkeit, und sie hatten anscheinend keine Angst davor, verklagt zu werden. Ansonsten waren sie meist schlecht informiert. Aber diesmal nicht:
Der Bigotte und der Ausreißer
Von Arthur Levitt
Enthüllung der Woche:
Im Zuge unserer hartnäckigen Pirschjagd auf Pastor Bob Lawson , den Gründer und Geschäftsführer der Glad Heart Ministries , einer der ungeheuerlichsten Organisationen unter vielen anderen, die behaupten, sie könnten homosexuelle Erwachsene und Kinder umpolen, fanden wir folgende Nachricht, die am Mittwoch eingestellt wurde: »Betet bitte für Ian D., ein junges Schaf in unserer Herde in St. Louis, das Gott hat irren lassen. Wir beten für seine Rückkehr und für seine liebenden Eltern, die meine treuen Unterstützer sind.«
Okay, ignorieren wir den ungeschickten Satzbau und die Schafswitze, die zu offensichtlich sind. Konzentrieren wir uns
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