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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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darauf, Indizien zu sammeln.

    1.Unsere unermüdliche Praktikantin fand in der Dienstagsausgabe des St. Louis Post-Dispatch die Notiz, dass Ian Drake, ein zehnjähriger Bürger von Hannibal, MO , vermisst werde, dass es jedoch keinen kriminellen Hintergrund gebe (bedeutet: Ausreißer). Es wurde keine Meldung über ein vermisstes Kind an die Medien gegeben. Die Eltern wurden nicht verhaftet (und noch mal, bedeutet: Ausreißer).

    Schlussfolgerung: wollen wir nicht vorschnell ziehen. Wir wollen nur die interessante Übereinstimmung und die Tatsache festhalten, die Glad Heart Ministries für unser Moralgefühl besonders auszeichnet, nämlich dass sie mit ihrer Hirnwäsche schon bei zehnjährigen Kindern anfangen.

    2.Der Artikel im Post-Dispatch und allen anderen Zeitungen weist darauf hin, dass die Familie Drake Mitglied in der evangelikalen Freikirche »Olivenzweig« ist. Es ist weniger ein Gotteshaus als ein umgebauter Flugzeughangar mit Kinoleinwänden und viel Feuer und Schwefel (evtl. Fegefeuer). (Lesen Sie hier den grandiosen Artikel von Blake Andersen über Megakirchen und die Architektur von Megakirchen.) Unsere Praktikantin Andrea D. rief bei »Olivenzweig« an und stellte sich als junge Lesbe vor, die hoffe, in die Gemeinde aufgenommen zu werden. Eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht nannte, sagte: »Alle sind herzlich willkommen. Wir glauben daran, die Sünder zu lieben, aber die Sünde zu hassen. Und wir haben einige Beratungs- und Besserungsgruppen.« Hmm, tja …

    Schlussfolgerung: Die Glaubensvorstellungen der Familie Drake stimmen mit den Überzeugungen der Menschen überein, die ihren Sohn in eine Gruppe stecken würden, um ihn umzupolen.

    3.Ian ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name für einen Zehnjährigen. Etwas Geduld bitte, ich komme gleich zum Punkt. Die Website der Sozialversicherungsbehörde listet den Namen Ian als 74. Namen in der Beliebtheitsliste für Jungen, die vor zehn Jahren geboren wurden – und er blieb mehr oder weniger auch während der 90er Jahre an dieser Stelle (der angenommene zeitliche Spielraum für das Geburtsjahr eines »jungen Schafs«). Mit anderen Worten: Es ist ein ziemlich unüblicher Name. Dazu kommt der Buchstabe »D« für den Nachnamen; außerdem das Datum von Lawsons Beitrag und die geographische Nähe.

    Schlussfolgerung: Wenn es sich hier nicht um dasselbe Kind handelt, dann ist das ein seltsamer Zufall.

    Zugegeben, zwischen Hannibal und St. Louis liegt eine gewisse Strecke – laut Routenplaner sind es genau zwei Stunden –, aber was sind schon zwei Stunden Fahrt, wenn man seinen Sohn entschwulen möchte?
    Dr. Ken Washington, Leiter des privaten New Yorker Kohlman-Zentrums für die psychische Gesundheit von Kindern, schrieb heute Morgen in einer Mail an uns, dass »nach den neuesten Untersuchungen bis zu 42 Prozent aller obdachlosen Jugendlichen sich als schwul, lesbisch oder Transgender bezeichnen. Bei einer Gesamtzahl von 1,6 Millionen Ausreißern in Amerika ergibt das eine ziemlich hohe Zahl.«
    In den meisten Fällen werden die Kinder aus dem elterlichen Haus geworfen. Der Fall Drake liegt sicherlich anders. Aber Dr. Washington schreibt, dass »der Wunsch, einer feindlichen familiären Umgebung zu entfliehen, und der seelische Missbrauch einer sexuellen ›Umprogrammierung‹ mit den Mustern übereinstimmen, die wir bei jungen Ausreißern beobachtet haben, obwohl es sich bei uns typischerweise um adoleszente Patienten handelt«.

    Der Artikel analysierte in der Folge die historischen und philosophischen Aspekte des Phänomens Pastor Bob und ging auf derartige Programme im Allgemeinen und die Zahl der unbeantworteten Anrufe der Praktikantin bei Glad Heart Ministries innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden ein. Die Abhandlung umfasste acht Seiten und hatte nicht mehr viel mit Ian zu tun.
    Ich lehnte mich auf dem Schreibtischstuhl zurück und versuchte zu reagieren. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, außer dass das alles erstens nicht notwendigerweise auf mich hindeutete, zweitens aber ein gewisses Interesse an dem Fall geweckt werden könnte, was nicht gerade gut war, und dass drittens die Drakes, falls sie ein Gespür für die Situation und einen guten Anwalt hätten, das Magazin und speziell Arthur Levitt verklagen könnten.
    Ich ging in Anjas Zimmer zurück, versuchte, meine Haare zu kämmen, und gab es auf.
    Unten saß Ian wie ein König am Tisch der Labaznikows. Marta stand am Herd, eine modische Schürze umgebunden, und Leo

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