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Ausgeliehen

Ausgeliehen

Titel: Ausgeliehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Makkai
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schön schlimm. Wie lange wird er schon vermisst?«
    »Seit einigen Tagen. Ich glaube, er ist verschwunden, als du noch in der Stadt warst. Hast du ihn am Sonntag gesehen?«
    Ich versuchte nachzudenken, wirklich! Am Montag hatte ich ihn gefunden … Er musste sich am Sonntagnachmittag versteckt haben, aber es war Sarah-Ann, die die Bibliothek zugeschlossen hatte, nicht ich. »Nein. Er war, glaube ich, am Freitag da. Er hat nur Bücher zurückgebracht, was für ihn wirklich ungewöhnlich ist. Aber das muss alles im Computer sein.« Diesmal würde es stimmen, weil die Bücher, die er zurückgebracht hatte, etwas mit seinem Referat über die Cherokee zu tun hatten. »Hast du nachgeschaut?«
    »Ja. Ich dachte nur, dass du mit ihm gesprochen hast oder so.«
    »Nein. Er war da, ging aber gleich wieder weg. Wenn er vorgehabt hätte, auszureißen, hätte er vielleicht ein paar Bücher ausgeliehen. War die Polizei in der Bibliothek? Hast du mit ihnen gesprochen?«
    »Es war seltsam. Sie sprachen einige Minuten mit Loraine und dann wollten sie direkt mit Sarah-Ann sprechen. Sie sagten, die Mutter habe verlangt, dass sie mit Sarah-Ann sprechen.«
    »Komisch. Haben sie es getan?«
    »Ungefähr zwei Sekunden lang. Hätte ich hinunterrollen können, hätte ich es getan und sie belauscht. Ich nehme an, sie haben gleich begriffen, wie bescheuert sie ist, und es aufgegeben. Später hat sie mich gefragt, ob Ian das asiatische Kind mit den Krücken ist. Echt, ich hätte viel Geld bezahlt, um bei diesem Verhör dabei zu sein.«
    Ich wollte lachen, machte mir aber sofort klar, dass ich geschockt sein musste. »Denken sie, dass er weggelaufen ist?«
    »Keine Ahnung, was sie denken. Ich denke, dass er weggelaufen ist.«
    »Warum?«
    »Das weiß ich nicht, es ist nur so ein Gefühl. Hast du nicht gesagt, sie wären so schrecklich zu ihm? Die Eltern? Und dann gab es doch auch diesen seltsamen Brief, den du gefunden hast.«
    Ich schwieg eine Weile, und das war der beste Weg, mich nicht in eine Ecke zu drängen zu lassen.
    »Lucy?«
    »Alles okay.«
    »Ich weiß, dass ihr euch beide sehr nah seid.«
    »Ich muss jetzt los«, sagte ich und beendete das Gespräch.
    Ian navigierte uns auf der Interstate immer geradeaus, nachdem er uns vorher durch verschlungene Umwege dirigiert hatte. Die Straßenkarte lag offen auf seinem Schoß.
    Ungefähr sechzig Kilometer später, als ich schon dachte, mein rechtes Bein würde abfallen, begann Ian ein Spiel. »Also, weißt du, wie man für ein weißes Pferd fünfzig Punkte bekommt?«
    »Wie?«
    »Wenn man es fährt – einen weißen Mustang nämlich. Dann sind es fünfzig Punkte. Das sind die meisten Punkte, die man bekommen kann. Ein pinkfarbener Cadillac ist auch fünfzig Punkte wert.«
    »Okay«, sagte ich. Ich hatte eine vage Erinnerung aus meiner Kindheit an dieses Spiel.
    »Ein Auto mit nur einem Scheinwerfer bringt zehn Punkte. Aber das gilt nur, wenn du es zuerst siehst. Du musst es laut ansagen.«
    »Gut.«
    »Das sind meine Spielregeln, es gibt auch andere. Jedes Wort, das sich auf unseren Vor- oder Nachnamen reimt, bringt dreißig Punkte. Und fünfundvierzig, wenn du ein Auto wie unseres siehst, aber es muss genau gleich sein, nicht nur die gleiche Farbe.«
    Er redete so schnell, dass es schwer war, ihn zu verstehen. »Was ist los mit dir?«, fragte ich. »Warum machst du das?« Er hatte die Hände über der Brust gekreuzt und die Schultern nach hinten gedrückt.
    »Es fällt mir noch immer ein bisschen schwer zu atmen. Ich glaube nicht, dass es nur an den Frettchen lag. Ich habe nicht mehr viel Asthmaspray.«
    »Ist das Albuterol? Eine Art Notfallinhalator?« Mir fiel ein, dass ich mir seinen Inhalator nicht genauer angesehen oder mich nach seiner medizinischen Vorgeschichte erkundigt hatte. Ich hatte, nachdem wir Pittsburgh verlassen hatten, nicht mehr auf seine Atmung geachtet. Ich hatte ihn einfach am Gerüst klettern lassen. Ich taugte nicht einmal als Kindermädchen.
    »Ich nehme es nur, wenn ich es brauche, aber das ist in der letzten Zeit ziemlich häufig vorgekommen.«
    Für eine Weile starrte ich panisch auf die Straße, dann überlegte ich, welche Möglichkeiten ich hatte. Zumindest war es kein Medikament, das er ständig nahm, sein Asthma würde, falls er es nicht nahm, nicht schlimmer werden. Ich könnte etwas Rezeptfreies für ihn kaufen, im schlimmsten Fall könnte ich ihn zu einer Notaufnahme bringen und sagen, wir hätten keine Krankenversicherung, oder meinen Vater anrufen, damit

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