Ausgerechnet den?
versetzt, doch dann fiel ihm wieder ein, wie groß Ray Seniors Kummer bei der Beerdigung gewesen war, und er beherrschte sich, ja lockerte seinen Griff sogar ein wenig, ließ den Mann jedoch nicht los.
»Sie folgen mir jetzt seit Wochen. Was soll das?«
»Ist ‘n freies Land. Ich kann hin gehen, wo ich will.«
»Das Gesetz sieht das anders. Einen anderen Menschen zu verfolgen ist strafbar.«
»Na und? Haste vielleicht ein schlechtes Gewissen, weil ich hinter dir her bin?«
»Wieso sollte ich ein schlechtes Gewissen haben?«
»Weil du meinen Sohn umgebracht hast, du Bastard!
Ray junior musste nur wegen dir sterben. Wenn du ihn nicht aus der Mannschaft geworfen hättest, dann würde er jetzt noch leben.«
Dan hatte das Gefühl, als hätte
er
soeben einen Magenschwinger bekommen. Er hatte seine Schuldgefühle über Rays Tod nie ganz überwinden können und ließ den Mann sofort los. »Ich hatte keine Wahl, Mr. Hardesty Wir haben ihn so lange behalten, wie wir konnten.«
An dem irren Ausdruck in Hardestys Augen konnte er jedoch sehen, dass mit dem Mann nicht mehr zu reden war. »Ihr braucht ihn, du Bastard! Es war pures Glück, dass ihr das Spiel gegen die
Giants
ohne ihn gewonnen habt. Die
Stars
können ohne meinen Jungen nicht gewinnen. Ohne Ray junior seid ihr doch bloß ein Haufen Versager!«
Dan überkam eine Welle des Mitleids. Ray war ihr einziges Kind gewesen, und sein Tod war wohl zu viel für seinen Vater. »Ray war ein großartiger Spieler«, sagte er, um ihn zu beruhigen.
»Da hast du verflucht Recht. Seinetwegen konnte ich überall in dieser Stadt den Kopf hochhalten. Jeder kannte mich. Jeder wollte mit mir reden. Aber jetzt kennt mich keiner mehr, und das ist alles deine Schuld. Wenn du meinen Sohn nicht rausgeschmissen hättest, würden mich die Leute noch immer mit Respekt behandeln.«
Spuckebläschen hatten sich an Hardestys Mundwinkeln gebildet, und das Mitgefühl verpuffte. Hardesty vermisste nicht seinen Sohn, er vermisste es, sich in Rays Ruhm zu sonnen. Sein eigener Vater war seit mittlerweile fünfzehn Jahren tot, aber während er in Hardestys kleine gemeine Augen blickte, war ihm, als stünde er erneut vor Harry Calebow Harry hatte ebenfalls seinen Sohn dazu benutzt, um sein eigenes erbärmliches Renommee aufzupolstern. In der Highschool hatte sich Dan immer in Grund und Boden geschämt über die dauernde, protzende Prahlerei seines Vaters, die umso ironischer war, da er zu Hause nie auch nur ein einziges Lob, sondern nur Kritik zu hören bekam. Er erinnerte sich noch gut an sein zweites Highschool jähr, als ihn Harry mit einer Flasche verprügelte, nur weil er in den letzten dreißig Sekunden eines Spiels gegen
Talladega
den Ball verloren hatte.
Er trat einen Schritt zurück, bevor er diesen Mann noch für etwas bestrafte, an dem ein anderer die Schuld trug. »Halten Sie sich von mir fern, Hardesty Wenn ich Ihren Wagen noch einmal sehe, werden Sie’s bereuen.«
»Reiß du nur deine große Klappe auf«, höhnte Hardesty, während Dan davonging. »Du verdammtes Großmaul! Mal sehen, wie groß dein Maul ist, wenn deine Mannschaft nächste Woche wieder verliert. Mal sehen, wie groß du dich fühlst, wenn du die Saison als Schlusslicht beendest. Die
Stars
sind nichts ohne meinen Jungen!
Sie sind nichts!«
Dan knallte die Tür zu, um Hardestys Gift nicht länger hören zu müssen. Beim Davonfahren kam ihm der Gedanke, dass dies eventuell der Grund dafür war, warum er sich so sehr Kinder wünschte. Vielleicht wollte, ja musste er sich einfach beweisen, dass er es besser machen konnte.
19
Phoebe musterte sich im bodenlangen, schmalen Spiegel an der Wand der einzigen Damentoilette im Trainingszentrum der
Stars.
Der weite, lose sitzende graue Schalkragenpulli, den sie heute ins Büro angezogen hatte, reichte ihr bis zur Mitte der Oberschenkel. Dazu trug sie einen passenden grauen Strickrock, der in weichen Falten bis zur Mitte ihrer Waden fiel. Darunter hatte sie eine feine graue Seidenstrumpfhose an und passende graue Pumps. Auf dem Kopf hatte sie einen grauseidenen Haarreifen, der verhinderte, dass ihr die offenen hellblonden Haare ins Gesicht fielen. Nur die riesigen Silberklunker, die an ihren Ohren baumelten, und die breiten Silberarmbänder verhinderten, dass sie aussah wie die Präsidentin des örtlichen Bridge-Clubs.
Bloß gut, dass Victor sie jetzt nicht sehen konnte, er würde sich den Bauch halten vor Lachen. Aber das war ihr egal. Zum ersten Mal in ihrem Leben wagte sie
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