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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
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Tür.
    „Die Kammer ist abgeschlossen. Die müssen weitergelaufen sein!“
    Es rumpelt. Aus Brittas Richtung ertönt zuerst ein leises Kichern, gefolgt von einem glucksenden Geräusch.
    „Willst ´e auch ´nen Schluck Schampus?“, wispert sie.
    „Pscht!“, mache ich und lausche atemlos.
    Auf dem Flur trippeln noch mehr Füße vorüber. Dann tritt Stille ein. Ich muss fürchterlich dringend mal wohin.
    „Sind wir in einer Besenkammer?“, flüstert Britta.
    Wir befinden uns definitiv in einer Besenkammer. Und zwar in bester Gesellschaft. Hier sind jede Menge Viecher. Etwas krabbelt an meinem Oberarm entlang und ich unterdrücke das Bedürfnis, laut schreiend den Verschlag zu verlassen. Stattdessen versuche ich, in eine bequeme Stellung zu rutschen, woran mich leider Brittas ausladendes Hinterteil hindert, das zu allem Übel auf meine reichlich volle Blase drückt. Nun entschlüpft mir doch ein hysterisches Lachen.
    Ich habe keine Ahnung, wie lange unsereins in dieser äußerst verfahrenen Lage verharren muss. Noch bevor ich beschließe, das weiße Fähnchen zu schwenken, um einem klaustrophobischen Kollaps zu entgehen, öffnet Britta die Tür einen Spalt.
    „Ich glaube, die Luft ist rein.“
    Jetzt hat sie obendrein einen Schluckauf.
    „Hicks“, macht es und unverhofft kann ich wieder atmen.
    Vorsichtig spähen wir hinaus.
    „Hicks.“
    Der Gang ist leer. So schnell, wie es geht, entwischen wir eine Tür weiter, auf der ein freundliches Schild - dem Himmel sei Dank - anzeigt, dass man dort dringliche Bedürfnisse loswerden darf.
    Mich auf einer vergoldeten Klobrille in diesem Akutstadium zu erleichtern, entschädigt mich für die erlittene Blamage und lässt meinen Adrenalinpegel auf ein erträgliches Maß herabsinken. Es fühlt sich fast besser an als Sex, ich schwöre. Feuchtgebiete sind jedoch nicht mein Thema. Stattdessen bewundere ich ausgiebig die luxuriöse Porzellanausstattung und die edlen, fleckenlosen Armaturen, die im gedämpften Licht glänzen. Aus verborgenen Lautsprechern erklingt eine sonore Stimme, die Texte von Goethe rezitiert. Statt Toilettenpapier gibt es feuchtes Kleenex und Eau de Cologne auf dem Waschtisch, selbstredend. Wer einmal in einer Besenkammer eingesperrt war, ahnt, was ich gerade empfinde. Ich streichle mit der einen Hand über die wollig weißen Handtücher, während die andere ungezogenerweise einige der dargebotenen Tampons in mein Handtäschchen steckt.
    In aller Ruhe leeren wir die Flasche. Dank meiner neu gewonnenen Beinfreiheit sitzen wir dabei im Schneidersitz auf dem Teppich. Irgendwie ist es sogar gemütlich. Ich habe selten so gelacht. Auch wenn unsere Chance, hier ungeschoren wieder herauszukommen, gegen null tendiert.
     
    Auf dem Weg nach draußen passiert es dann. Wir biegen in die falsche Richtung ab. Oder in die Richtige, wie man es nimmt. Und landen in einer weiteren Ausstellung. Statt schwülstiger Gemälde hängen jedoch schlichte Fotografien an der Wand. Fasziniert betrachte ich die übergroßen Schwarz-Weiß-Aufnahmen.
    „Mann, sind die Klasse!“
    Ich kann Britta rechtzeitig davon abhalten, die Ablichtung zu berühren und damit ihren Finger in das faltige Gesicht einer Greisin zu legen. Trotz der Grauschattierungen meine ich, dass mich ihre Augen in durchdringendem Grün ansehen. Sie wirkt regelrecht lebendig, so dass ich unwillkürlich einen Schritt zurücktrete.
    Durch eine besondere Perspektive offenbart der Fotograf das unverfälschte Wesen seines Werkes. Völlig frei von Selbstbeweihräucherung lenkt er das Augenmerk einzig und allein auf das Motiv. Wie hypnotisiert versinke ich in den Fotografien. Jede zeigt ausschließlich Menschen. Ganz gewöhnliche Leute, keine Zeitschriftenschönheiten, an denen hier und da im Nachhinein herum retuschiert wurde. Sondern Männer und Frauen, denen man im Alltag zweifellos keinen zweiten Blick schenken würde. Eingefangen in kurzen Schnappschüssen vollkommener Intimität, welche die tief verborgene Schönheit der Person zu Tage treten lässt. Fast komme ich mir vor wie eine Voyeurin, als ich die Persönlichkeiten in der Bildserie „Lebenslinien“ betrachte. Eine Fließbandarbeiterin streicht ihr Haar zurück. Ich kann sie beinahe seufzen hören. Ein alter Mann betrachtet seine Hände. Eine Frau beim Einkauf auf der Straße. Sie sieht so glücklich aus mit ihrer Tasche. Bestimmt trägt sie das neue Kleid noch am gleichen Abend. Ein Paar. In seiner Umarmung steckt einfach alles. Dazwischen eine tote Taube, die

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