Ausgetanzt
Besuch in
Österreich.« Ihre kleinen Hände hantierten flink mit dem Kamm, deuteten eine
künftige Frisur an. Fragend blickte sie Berenike an. Diese nickte. Die
Friseurin griff zu ihrer Schere.
»Sie sprechen gut Deutsch.« Berenike kam sich komisch vor bei
dem Satz.
»Sie auch!« schoss die Türkin als Antwort heraus. Berenike
musste grinsen. »Ich bin in eine deutsche Schule gegangen in der Türkei«, fuhr
die Friseurin dann fort. »Außerdem habe ich fleißig gelernt, weil mein
künftiger Mann in Österreich lebt.«
»Ja? Werden Sie mit ihm hier leben?«
»Man wird sehen.« Hepsen wiegte sachte den Kopf und sah zur
Tür. »Im Moment helfe ich meiner Cousine. Was dann kommt …«, sie hob die Hände,
»… das kommt. Vielleicht werden wir uns in der Türkei etwas aufbauen, ein
eigenes Geschäft.«
»Ein Friseurgeschäft?«
Die junge Friseurin sah weg und zuckte mit den Achseln. »Das
weiß ich noch nicht. Aber mein künftiger Mann hat Sehnsucht nach daheim. Und
vielleicht werden wir unser Glück machen.« Sie brach ab und sah Berenike immer
noch nicht an.
»Gefällt Ihnen das so?«, lenkte Hepsen unvermittelt ab und
drapierte Berenikes Haare neu.
»Das schaut gut aus, ja.« Berenike zerbrach sich den Kopf
darüber, wie sie das Gespräch auf Mehmet bringen konnte. »Von wo in der Türkei
kommen Sie?«, fragte sie dann ganz harmlos.
»Aus der Nähe von Izmir. Kennen Sie das vielleicht?«
»Izmir, so ein Zufall!« Berenike stockte. Izmir, dort hatte
Amélie ihren Traumprinzen kennengelernt, dem Berenike jetzt erfolglos
nachjagte. Das wäre ein großer Zufall, wenngleich … Vielleicht waren diese
jungen türkischen Frauen Mehmets Verwandte, die er Amélie gegenüber erwähnt
hatte. Oder er hatte sich, as simple as that, die Haare schneiden lassen.
Verdammt gut sah das aus, was Hepsen mit ihren schwarzen Borsten anstellte. Nur
Chemie verwendete sie leider zu viel. Mit Müh und Not wehrte Berenike den Spray
und das Gel ab, das Hepsen ihr anbot.
»Vielleicht kennen Sie meinen Bekannten? Er stammt auch aus
Izmir.« Berenike hatte Mehmets Foto aus der Tasche gekramt. Sie beobachtete
Hepsen genau. Diese zuckte zurück, ganz kurz nur. Gefolgt von heftigem
Kopfschütteln. »Ich kenne ihn kaum. Ein Kunde, er kommt ab und zu.« Hepsens
Augen irrlichterten durch den Raum. Gül war nicht zu sehen.
»Sind Sie sicher?«
»Glauben Sie, dass ich lüge?« Schrill kam die Antwort, Hepsen
hielt ihre Schere hoch, die Zacken bedrohlich geöffnet.
»Natürlich nicht, Hepsen, beruhigen Sie sich.«
Erhitzt kehrte Berenike in ihre Kurzzeit-Bleibe
beim Wiedner Gürtel zurück. Sie öffnete ein Fenster, zog sich aus und ließ sich
in das Himmelbett fallen. Sanft spielte der Wind mit einem Vorhang. Der Luftzug
war zu sanft, um Abkühlung zu bringen. Vom grau verschleierten Himmel war keine
Erfrischung zu erwarten. Berenike grübelte über ihre heutigen Beobachtungen
nach, aber sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Sie dachte an Hepsen,
ihre zurückhaltende Schilderung der Zukunft mit dem österreichischen Türken
wirbelten durcheinander, vermischten sich mit Reisebürobildern von Izmir und
Amélies Worten. Dazu Selmas ›Männer – Feinde‹. Sie musste … musste Amélie …
benachrichtigen, aber wovon … bevor ihr etwas einfiel, war Berenike eingeschlafen.
Telefonläuten riss sie hoch. »Roither?«
»Hier ebenfalls.«
Das konnte nur eine sein.
»Hallo, Mama, ich wollt dich eh anrufen. Ich bin in Wien,
aber nur kurz.«
»In Wien, a-aber davon weiß ich nichts, Berry.«
Oje, sie sagte schon wieder Berry. »Es ergab sich spontan.«
»Ach ja? Bist leicht bei … bei deinem Vater?«
»Nein, ich habe eine andere Wohnmöglichkeit gefunden.«
»Ach so, bei wem d-denn?«
»Über Freunde. Kennst du nicht.«
»Und wie«, ihre Mutter hickste laut in den Telefonhörer, »wie
lang bleibst?«
»Weiß ich noch nicht. Ein paar Tage. Kommt darauf an, wie
schnell ich alles erledigt habe.«
»Aber wir sehen uns d-doch?« Berenike stimmte ihrer wieder
einmal betrunkenen Mutter zögernd zu. Spürte, wie lahm sie sich anhörte,
widerwillig fast. Von der Geburtstagsfeier für ihre Nichte Jenny wusste ihre
Mutter noch nichts. Und Fragen zu Berenikes Vorhaben stellte Rose Roither auch
keine …
»K-komm morgen zu mir essen«, lud die Mutter sie ein. »Wenn
du magst«, fügte sie rasch hinzu. »Ich mach uns … ach nein, Fleisch isst du ja
immer noch nicht, oder? Wie wär’s mit Eiernockerln? Die haben dir doch immer
gut
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