Ausgetanzt
schlenderten eingehakt
umher. Diese Nähe hatte etwas freundschaftlich Vertrautes. Berenike schnupperte
an einem Fläschchen Rosenöl. Irina erzählte ihr etwas über die hübschen
Keramikgefäße mit traditionellen Gewürzen des Landes. Lachend erwarb Berenike
beides, weil sie sich nicht entscheiden konnte.
Über einen grünen Hof ging es in die alte Kirche des
Klosters. Das Innere lag im Dunkeln, nur erleuchtet von unendlich vielen
Kerzen, die die Besucher entzündeten. Berenike ließ sich von der mystischen
Stimmung davontragen. Sie reihte sich in die Schlange der Wartenden ein, um die
Ikone von der Mutter Gottes und ihrem Kind zu berühren, ins Zwiegespräch mit
ihr zu treten, wie es im orthodoxen Christentum üblich war. Plötzlich war der
Wunsch in Berenike da, Jonas stand vor ihrem inneren Auge. Ein Wunsch nach
Nähe … Wie alle anderen entzündete sie lange dünne Kerzen aus
Bienenwachs. Eine für die Verstorbenen, eine für die Lebenden, wie es Brauch
war. Dabei dachte sie an jene Verwandten, die sie nie kennengelernt hatte, aber
auch an ihren Vater und ihre Mutter. Ein Gruß an alle.
Nur schwer fand sie in die Realität zurück. Beim Ausgang
erwarb sie eine Postkarte, als ihr Handy läutete. Der Erzherzog-Johann-Jodler
passte noch weniger hierher als sonst wohin. Ein paar Besucher drehten sich um.
Rasch nahm sie flüsternd das Gespräch an und trat vors Tor.
»Ich habe Gero!«, brüllte eine verzerrte weibliche Stimme
über lautes Rauschen in der Leitung hinweg.
»Wer spricht da?«, stammelte Berenike. Sie lehnte sich gegen
einen Baumstamm.
»Sieglinde«, raschelte es durch die Leitung. »Du weißt schon,
vom Ermittlungsbüro. Wir haben Gero aufgespürt, aber er sagt, er war’s nicht.«
»Was?«
»Krschtkrmmm«, machte das Handy.
»Hallo? Sieglinde? Bist du noch da?«
»Amélie …«
»Geht es ihr besser? Spricht sie?«
»Krschtkrmmm«, tönte es in ihrem Ohr, »krschtkrmmm.« Dann war
Stille. Tödliche Stille. Berenike kontrollierte das Display. Verflixter Mist!
Die Verbindung war unterbrochen. Sie versuchte, zurückzurufen.
»The number
you have dialed is currently not avaibable«, informierte sie eine
Automatenstimme. Damn, damn, damn!
»I need a
telephone, could you please help me? It is really urgent«, rief sie Irina zu.
Irina bot ihr eigenes Mobiltelefon an. Berenike zeigte ihr
die Nummer, Irina wählte – wieder nur die Automatenstimme. »Ellen, funktioniert
dein Telefon?«, rief Berenike. Ellen kramte in der Tasche und beförderte das
Handy zu Tage. Wieder kam keine Verbindung mit Österreich zustande.
»We will find you a telephone in Plovdiv, I’ll drive fast.«
Sie seien nicht mehr weit von der Stadt entfernt. Wie ein Armeekommandant
sammelte Irina ihre Schäfchen ein und los ging es. Berenike konnte kaum
stillsitzen. Wieder ein Handyklingeln. Diesmal das von Ellen. ›Always walk on the bright side of life‹. Sie
konnte also telefonieren. Zumindest innerhalb des Landes.
»Sven«, murmelte Ellen, als sie auf das Display sah, und
meldete sich mit einem knappen »Ja?« Berenike wunderte sich, dass sie nicht
freundlicher zu ihrem Ehemann war.
»Du brauchst mir nicht zu drohen, Sven! Was heißt, wir sind
geschiedene Leut, wenn ich nicht mit dir … du willst mich fertigmachen …? Was?«
Sie nahm das Handy in die andere Hand: »Schrei mich nicht an!
Warte, wir sind jeden Moment da.« Sie blickte Irina fragend an, die Bulgarin
nickte, deutete ›fünf‹ mit der Hand. »Fünf Minuten, Sven! Sven? – Aufgelegt.
Der Mistkerl hat aufgelegt. Er hat was von Kaltmachen gesagt.« Sie sah Berenike
groß an. »Wenn er nicht sofort wegkann! Ihm reicht es. Er will zum Flughafen.
Jetzt sofort. Und mir drohen …! Für diesen Mann habe ich so viel getan.«
»Das tut mir leid!« Berenike fühlte sich hilflos, sie strich
Ellen leicht über den Arm.
»Er hat gesagt, jetzt wird er uns zeigen, was in ihm steckt.
Berenike, ich …«
»Alles wird gut, Ellen«, murmelte Berenike, aber sie war sich
nicht sicher.
»Jetzt hab ich wirklich Angst.«
Mit quietschenden Reifen bremste Irina vor dem
Hotel. Der Portier kam müde aus seinem Hinterzimmer getaumelt, als sie mit
klappernden Absätzen in die heiße Halle liefen.
»Four-fourteen«, schrie Ellen.
»Mister Gerling has«, fing der Mann an, aber Ellen rannte
schon los, die Treppe hinauf.
»Four-twenty«, versuchte Berenike, an ihren eigenen
Zimmerschlüssel zu gelangen.
»Pardon?«
»Four-Twenty.«
»Oh, you
mean
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