Ausgeträumt
wartete man, daß man wieder aufwachte. Man wartete auf die standesamtliche Trauung, und man wartete darauf, daß man sich endlich wieder scheiden lassen konnte. Auf den Regen warten, und dann wieder warten, daß er aufhört. Man wartete auf was zu essen, und dann wartete man, daß es wieder was zu essen gab. Man saß im Wartezimmer eines Psychiaters in Gesellschaft von lauter Bekloppten und fragte sich, ob man selber einer war. Das lange Warten hatte mich wohl eingeschläfert, denn die Sekretärin mußte mich wachrütteln. »Mr. Belane? Mr. Belane, Sie sind jetzt dran.«
Sie war ein häßliches altes Mädchen. Noch häßlicher als ich.
Ich zuckte zusammen, als ich ihr Gesicht so dicht vor mir sah. So muß einmal der Tod sein, dachte ich. So wie dieses alte Mädchen.
»Honey«, sagte ich, »ich bin soweit.«
»Kommen Sie«, sagte sie.
Ich folgte ihr durchs Wartezimmer. Sie hielt mir eine Tür auf, und da saß ein sehr selbstgefälliger Mensch hinter seinem Schreibtisch, in einem dunkelgrünen Hemd und einer aufgeknöpften, ausgeleierten orangeroten Strickjacke. Er hatte eine getönte Brille auf der Nase und paffte mit einer Zigarettenspitze einen Glimmstengel. Er wies auf einen Stuhl. »Nehmen Sie Platz.«
Die Sekretärin schloß die Tür und verschwand. Dundee hatte einen Füller in der Hand und machte Krakel auf ein Blatt Papier. »Das kostet Sie hundertsechzig Dollar die Stunde«, sagte er, ohne den Blick vom Papier zu nehmen.
»Rutsch mir ’n Buckel runter«, sagte ich. Jetzt schaute er hoch. »Ha! Das finde ich gut!«
Er kritzelte wieder einiges. Dann fragte er: »Weshalb sind Sie hier?«
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
»Sie könnten damit anfangen, daß Sie von zehn rückwärts zählen.«
»Pimper doch deine Mutter«, sagte ich.
»Aha!« sagte Dundee. »Sie haben mit ihrer also verkehrt?«
»In welcher Form? Verbal? Geistig? Drücken Sie sich mal deutlicher aus.«
»Sie wissen schon, was ich meine.«
»Nee, weiß ich nicht.«
Er machte mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand einen Ring und schob den rechten Zeigefinger durch. »So«, sagte er. »Hmmm …«
»Ach ja, ich erinner mich«, sagte ich. »Sie hat mir mal die Hand hingehalten und so’n Ring gemacht, und ich hab meinen Finger durchgesteckt.«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« sagte Dundee.
»Machen Sie sich ja nicht über mich lustig!«
Ich beugte mich über den Schreibtisch. »Du kannst von Glück sagen, daß ich dich bloß auf den Arm nehme, Freundchen.«
»Ah ja?« sagte er und lehnte sich zurück.
»Ja. Mach mich nicht an, Baby. Ich bin zu allem fähig.«
»Mr. Belane, ich bitte Sie. Was wollen Sie denn?«
Ich hieb mit der Faust auf den Tisch. » Verdammt, ich brauch Hilfe! «
»Ja natürlich, Mr. Belane. Wie sind Sie auf mich gekommen?«
»Branchenverzeichnis.«
»Im Branchenverzeichnis? Ich stehe nicht im Branchenverzeichnis.«
»Doch. Seymour Dundee, Psychiater. Garner Building, Nummer 604.«
»Hier ist 605. Ich bin der Anwalt Samuel Dillon. Mr. Dundee ist nebenan. Ich fürchte, Sie haben sich in der Tür geirrt.«
Ich stand auf und grinste ihn an. »Sie verscheißern mich, Dundee. Sie wollen sich revanchieren. Wenn Sie glauben, daß Sie mich austricksen können, haben Sie Hühnerscheiße im Kopf!«
Ich war da, weil ich rausfinden wollte, ob das mit Celine, Red Sparrow, Lady Death, den Außerirdischen und Sam und Cindy Bass tatsächlich Realität war oder ob ich nicht mehr richtig tickte.
Es ergab doch alles keinen rechten Sinn. War ich daneben? Was wollte ich mit dem ganzen Kram? Warum mühte ich mich damit ab?
Der Mensch, der sich Samuel Dillon nannte, drückte auf einen Knopf, und die Sekretärin kam wieder. Sie war immer noch häßlicher als ich. Nichts hatte sich geändert.
»Molly«, sagte er, »bitte begleiten Sie den Herrn nach nebenan zu Dr. Dundee. Danke.«
Ich folgte ihr nach draußen in den Korridor. Sie öffnete die Tür von Nummer 604 und zischelte: »Laß dir dein Hirn einrenken, Wichser …«
Auch dieses Wartezimmer war voll besetzt. Als erstes fiel mir der Kerl mit dem braunen und dem schwarzen Schuh auf, der gewollt hatte, daß ich ihm einen Penny wechsle. Er sah mich.
»He, Mister …«
Ich ging zu ihm.
»Dir isses auch passiert, hm?« fragte er.
»Was?«
»Hehe … die falsche Tür erwischt … die falsche Tür!«
Ich machte sofort kehrt, ging da raus und stieg in den Fahrstuhl. Wartete, daß er unten ankam. Wartete, daß die Tür aufging. Ging durchs Foyer, raus auf die Straße, und fand meinen Wagen
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