Ausgeträumt
wieder. Stieg ein. Drehte den Zündschlüssel. Wartete, bis der Motor warmgelaufen war. Die Ampel an der nächsten Kreuzung stand auf rot. Ich wartete. Drückte den Zigarettenanzünder rein und wartete wieder. Die Ampel sprang auf grün, der Anzünder schnalzte raus, und ich zündete mir im Weiterfahren eine Zigarette an. Mir war, als müßte ich mal im Büro vorbeischauen. Ich hatte das Gefühl, daß jemand auf mich wartete.
26
Das war ein Irrtum. Im Büro war niemand. Ich ging um den Schreibtisch herum und setzte mich.
Was für ein seltsames Gefühl. So vieles paßte nicht zusammen. Zum Beispiel der Mann im Büro des Anwalts – warum hatte er seine Zeitung verkehrt herum gelesen? Der gehörte doch auch ins Wartezimmer des Psychiaters. Oder war vielleicht nur der äußere Teil der Zeitung verkehrt herum, und der Innenteil, in dem er las, war richtig? Gab es einen Gott? Und wo war der Red Sparrow? Ich hatte mir zuviel auf einmal vorgenommen. Schon morgens aufzustehen, das war doch, als würde man gegen die blanke Mauer des Universums anrennen. Vielleicht sollte ich lieber in eine Oben-Ohne-Bar gehen und der Tänzerin einen Fünfer unter die Schnur klemmen. Und versuchen, alles zu vergessen. Oder zu einem Boxkampf und zusehen, wie zwei Typen einander die Scheiße aus dem Leib prügelten.
Aber Trouble und Schmerzen, das hielt den Menschen am Leben. Oder der Versuch, beidem aus dem Weg zu gehen. Das hielt einen vierundzwanzig Stunden am Tag auf Trab. Und manchmal kam man nicht einmal im Schlaf zur Ruhe. In meinem letzten Traum hatte ich wie gelähmt unter einem Elefanten gelegen, der grade im Begriff war, den größten Schiß aller Zeiten zu tun, und kurz bevor es auf mich runterklatschte, lief mir mein Kater Hamburger übers Gesicht und weckte mich auf. Erzähl so ’n Traum mal einem Psychiater, und er wird irgendwas Grausiges daraus machen. Du zahlst ihm ein übertriebenes Honorar, und deshalb wird er sich größte Mühe geben, daß du dich miserabel fühlst. Er wird dir sagen, daß die Kackwurst ein Penis ist und daß du ihn entweder willst oder davor Angst hast. In Wirklichkeit ist er es, der den Penis will. Oder davor Angst hat. Es ist bloß ein Traum von einem großen Klumpen Elefantenscheiße, weiter nichts. Manchmal ist etwas einfach nur das, was es zu sein scheint, und damit hat es sich. Der beste Deuter eines Traums ist der Träumer. Behaltet euer Geld. Oder verwettet es auf einen guten Gaul.
Ich trank einen Schluck kalten Sake. Meine Ohren prickelten, und ich fühlte mich ein wenig besser. Ich spürte, wie mein Hirn langsam warmlief. Ich war noch nicht tot. Nur im Stadium des rapiden Verfalls. Aber wer war das nicht? Wir saßen alle im gleichen leckgeschlagenen Boot und munterten uns gegenseitig auf. Weihnachten, zum Beispiel. Ja, bleibt mir nur weg damit. Wer das Ding erfunden hat, mußte sich nie mehr unnötig abschleppen. Wir anderen müssen den meisten Krempel abstoßen, nur um rauszufinden, wo wir sind – bzw. nicht sind. Je mehr man abstößt, desto klarer sieht man. Alles läuft verkehrt rum. Geh rückwärts, und das Nirwana plumpst dir in den Schoß. Klar. Noch ein Schluck Sake. Ich kam in Fahrt. Um die Kurve. Volldampf voraus. Nick Belane, der Superschnüffler. Das Telefon schrillte. Ich nahm den Hörer ab, wie jeder normale Mensch den Hörer abnimmt. Aber doch nicht ganz. Manchmal erinnert mich das Telefon an einen Batzen Elefantenkacke. Wegen dem ganzen Scheiß, der aus dem Hörer kommt. Ein Telefon ist ein Telefon, aber was rauskommt ist ein Fall für sich.
»Als Philosoph sind Sie aber eine glatte Niete«, sagte Lady
Death.
»Ich komm damit bestens zurecht«, sagte ich.
»Die Menschen leben von ihrer Verblendung.«
»Warum auch nicht?« gab ich zurück. »Was gibts denn sonst?«
»Das Ende der Verblendung.«
»Ach, Mumpitz.«
»Selber Mumpitz. Was tut sich in Sachen Celine?«
»Da blick ich inzwischen voll durch, Baby.«
»Lassen Sie hören, Dicker.«
»Ich möchte, daß Sie sich morgen mittag um halb drei in Musso’s Restaurant mit mir treffen.«
»Na schön, aber Sie sollten auch was zu bieten haben. Haben
Sie was?«
»Ja, aber es soll ne Vernaschung werden.«
»Was soll das denn heißen?«
»Sorry. ’Ne Überraschung, wollte ich sagen.«
»Wehe, Sie haben nichts …«
»Ich würde jederzeit mein Leben drauf verwetten«, sagte ich. »Das haben Sie grade«, sagte Lady Death und legte auf. Ich
schob das Telefon weg und starrte es eine Weile an. Ich nahm einen Zigarrenstummel
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