Ausgezählt
und Ziffernkombinationen, die Bruno nicht verstand.
Die dauergewellte Angestellte brachte Kaffee und Kekse – sie war netter, als sie auf den ersten Blick wirkte.
Bruno stieß auf eine Liste von Gewährspersonen des KK 34. Ebi hatte ihm erzählt, dass die Süchtler ihre V-Leute als Johnnys bezeichneten. Bruno überflog Angaben über den Judaslohn, den die Informanten von ihren Führungsbeamten erhielten. Vermerke, ob die Johnnys selbst an der Nadel hingen. Wie glaubwürdig sie waren. In welchem Umfeld sie lebten.
Nichts als Dreck.
Morphinspritzer verkauften den eigenen Dealer für drei Zehner und eine Fluppe. Heroinhuren boten sich als Informanten an, wenn sie auf der Charlottenstraße keinen Freier aufreißen konnten – die Furcht vor dem kalten Entzug löste Spitzelzungen. Haschinhalierer redeten, weil sie Heidenangst vor den harten Typen im Knast hatten. Manche waren von ihrem Dealer übers Ohr gehauen worden und schoben Brass. Einige machten sich nur wichtig.
Dreck – wie die gesamte Sonderermittlung gegen Hövel und Engels Spitzelauftrag gegen Ebis Schwager. Das ist der Job, für den ich Sie engagiert habe.
Bruno studierte zahllose Namen. Keiner, den er auf den Monitor holte, rief ihm zu: Ich weiß, ob der Leiter der Staatskanzlei dem Koks, der White Lady, verfallen ist.
Mit einer langen Liste ging Bruno nach nebenan. In den Schränken grub er nach den Ordnern zu Fällen, in denen er hoffte, auf eine Spur zu Hövels Umfeld zu stoßen.
Er häufte Akten auf seinen Tisch und bildete Stapel. Er schluckte Staub. Irgendwo in diesen Unterlagen waren die Kokser verborgen, die er zu seinen Informanten machen musste.
Eigene Johnnys.
Brunos Handy schrillte. Es war Karen. Ihre Stimme klang unterkühlt. »Wir haben etwas zu besprechen. Wo steckst du?«
»In der Festung.«
»Jetzt, am Vormittag? Kannst du frei reden?«
Er warf einen Blick zur Datentante hinüber, die ebenfalls telefonierte. Leise sprach er in seinen Apparat: »Ich weiß nicht, was es noch zu besprechen gibt. Wenn es mit dem Mord an Freds Familie zu tun hat, wende dich besser ans KK 11.«
»Es hat mit uns zu tun.«
»Vergiss es. Ich frag mich nur, warum es dazu kommen musste.«
»Wir sind eben zu verschieden.«
»Das fällt dir recht früh ein.«
»Wir haben uns ganz einfach Illusionen gemacht, du und ich. Das ist mir in der letzten Zeit klar geworden. Ist es dir nicht auch aufgefallen?«
»Doch. Vorletzte Nacht, in diesem Hotel«, erwiderte Bruno und drückte die Verbindung weg, bevor er laut wurde.
Illusionen gemacht.
Sein halbes Leben lang hatte er für diese Frau geschwärmt. Schon damals, als sie noch mit Fred ging. Mit der Hochzeit im letzten Herbst war ein Traum wahr geworden. Hatte er zumindest geglaubt.
Bruno nahm die erste Akte vom Stapel und versuchte sich zu konzentrieren.
Je länger die Wühlerei dauerte, desto sinnloser kam sie Bruno vor. Offizielle Spitzel konnten Pommer und er nicht befragen. Die Johnnys würden zu ihrem Kontaktmann aus der Rauschgiftfahndung laufen, die Süchtler einen Fall wittern und die Staatsanwaltschaft einschalten. Die Medien würden umgehend zur Hatz auf Hövel blasen und die Landesregierung wäre pünktlich zum Wahlkampfauftakt blamiert bis auf die Knochen – um das zu vermeiden, war Bruno schließlich engagiert worden.
Wer jedoch nicht zu den Informanten des KK 34 gehörte, würde vermutlich nicht viel als Zeuge taugen. Zu unzuverlässig, nicht kooperativ genug – sonst hätten die Süchtler die betreffende Person selbst längst als Johnny rekrutiert.
Bruno wischte seine Bedenken beiseite.
Der Deal mit Engel war sein Ticket zur richtigen Kripo.
Er sortierte die neueren Ordner aus und widmete sich den angegilbten Akten – Fälle aus den neunziger Jahren. Immer dichter flirrte der Staub unter der Schreibtischlampe. Bruno konzentrierte sich auf ›ordentliche Leute‹ Modetussis, Fernsehfuzzis, Werbefritzen. Banker und Edelgastronomen. Bosse aus Wirtschaft und Verwaltung. Koks war die Egodroge Nummer eins, Schickeria und Macht die Tummelplätze der Egomanen. Hövel mittendrin – eine Vorstellung, die Bruno beflügelte.
Ordentliche Leute wandern nicht ins Gefängnis. Sie dealen nicht. Sie sind nur in Besitz geringer Mengen. Besagten ordentlichen Leuten gehören gar keine Drogen, weil sie sofort wegschnupfen, was der Dealer des Vertrauens vorbeibringt. Sie konsumieren nicht, sondern sind rein zufällig zugegen. Sie fungieren als Zeugen, die andere ordentliche Leute entlasten. Allenfalls
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