Ausgezählt
absurd!«
»Hab ich ihm auch gesagt. Du bist ein wenig impulsiv, aber im Grunde ein guter Kerl.«
Bruno hatte genug. Er drückte die Aus-Taste.
Im Grunde ein guter Kerl. So etikettierte man Idioten. Wenn das alles war, konnte er sich gleich einen Strick nehmen.
Er drückte die Tür auf und ging an seinen Platz zurück.
»Ärger?«, fragte die Angestellte mit den Dauerwellen.
Bruno ließ sich vor seinem Monitor nieder und versuchte sich zu erinnern, wie er auf die Dokumente des Inneren Dienstes gestoßen war. Er klickte sich durch das Menü, vertippte sich und öffnete andere Fenster. Schließlich fand er die Seite wieder.
Darf nur mit Zustimmung des Polizeipräsidenten eingesehen werden.
Streng tabu – ein Kribbeln lief bis in Brunos Fingerspitzen. Er schielte zu der Angestellten hinüber, bereit, das Programm sofort zu schließen. Die Tussi verstand ihn falsch. Sie winkte mit der Kaffeekanne.
Bruno konzentrierte sich auf seinen Bildschirm. Er klickte weiter, ohne dass das System ein weiteres Kennwort von ihm verlangte. Offenbar erschloss ihm Engels Passwort auch diese Inhalte.
Er las die Aufzeichnungen über Max Pommer. Die internen Schnüffler hatten die Ermittlungen gegen den Grauschopf am zehnten Dezember letzten Jahres begonnen, zwei Wochen nach der Schießerei. Thanns Truppe hatte Aussagen von zahllosen Kollegen gesammelt. Niemand hatte den Schuss gehört, der zu Helmers Tod geführt hatte.
Bruno klickte weiter und stieß auf Max Pommers eigene Aussage: Er habe sich an der Suche nach dem Amokläufer beteiligt, weil eines der Opfer sein Schwager war. Dass er und Seberich das Fluchtauto fanden, sei Zufall gewesen. Sie hätten sich dem Fahrzeug nicht genähert, da Helmers Wohnung in Neuss zu diesem Zeitpunkt bereits aufgestöbert worden war und man aufgrund der Waffenfunde annehmen musste, dass der Täter über genügend Handgranaten und Know-how verfügte, um sich hinter Sprengfallen zu verschanzen. Dass Helmer tot war, hatten die Kollegen erst später festgestellt.
Kriminalrat Engel sah Gespenster. Es gab keine Anhaltspunkte, an der Selbstmordthese zu zweifeln. Für die Mordermittler war die Sache klar gewesen. Nur die internen Schnüffler hätten gern noch weiter geforscht.
Der letzte Eintrag stammte vom 17. Januar. Er handelte von einem Verkehrsunfall mit Todesfolge. Offenbar hatten die Schnüffler in ihrer Verzweiflung in uralten Geschichten gegraben.
Wir schreiben das Jahr 1991: Bodyguard Pommer kutschiert den damaligen Bauminister durch das Bergische Land. Ein nicht ermittelter Raser schneidet beim Entgegenkommen die Kurve und drängt ein Auto, das dem Minister vorausfährt, in den Graben. Die Fahrerin stirbt, ihr Kind ist schwer verletzt. Es überlebt, weil Pommer erste Hilfe leistet.
»Noch einen Kaffee?« Die Piepsstimme der Datentante. Sie näherte sich, einen Porzellanbecher auf einem Teller balancierend.
Bruno fuhr mit der Maus auf das Feld Minimieren. Ein Fehler. Auf dem Bildschirm erschien: Datensammlung Innerer Dienst 1996-2002 – streng vertraulich.
Bruno klickte auch dieses Feld weg. Die Angestellte lugte über seine Schulter.
»Milch und Zucker?«
»Nein, danke.«
»Sie sehen müde aus.«
Ihr Busen streifte ihn, als sie den Becher abstellte. Ihr Telefon klingelte. Sie reagierte nicht. Die Angestellte wollte mit Bruno plaudern.
»Ich hab mir schon gedacht, dass der Innere Dienst im Geheimen weiter besteht. Ich kenn mich da aus. Karl Thann hat auch oft hier gesessen. Sie also sind sein Nachfolger?«
»Nein, das ist ein Missverständnis. Ich …«
»Pssst«, unterbrach sie ihn. »Bei mir sind Geheimnisse gut aufgehoben. Ich werde Sie nicht verraten.«
Sie kreuzte die Finger über den Lippen zum Zeichen ihrer Verschwiegenheit. Endlich kehrte sie an ihren Platz zurück.
Brunos Nerven vibrierten. Er reaktivierte das Fenster. Die Dossiers des Inneren Dienstes. Tabu, tabu, tabu. Er tippte.
Name: W-e-g-m-a-n-n
Vorname: B-r-u-n-o
Die Liste der Vernehmungsprotokolle war schier endlos. Die Schnüffler hatten nicht nur die Zeugen der Schießerei am S-Bahnhof noch einmal befragt. Sämtliche Kollegen seiner Schicht hatten sich über Bruno ausgelassen. Er wollte nicht wissen, wie sie sich geäußert hatten. Es genügte, ihre Namen zu lesen.
Sogar Marietta und Onkel Jürgen – in seiner eigenen Dienststelle war Bruno umgeben von Spitzeln einer polizeieigenen Stasi. Dass der Innere Dienst aufgelöst worden war, machte diesen Gedanken nicht erträglicher.
Und ausgerechnet ihn
Weitere Kostenlose Bücher