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Ausländer

Ausländer

Titel: Ausländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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brauchen wird. Aber das ist besser, als wir erwartet haben. Ich hatte gehofft, er würde als Invalide ausscheiden, aber er glaubt, man schickt ihn wieder zu seiner Einheit zurück.«
    »Aber doch bestimmt nicht zur kämpfenden Truppe?«, fragte Peter.
    »Nein. Er wird im Hauptquartier arbeiten. Das ist gut. Da ist er von der Front weg. Vielleicht wird er so den Krieg doch noch überleben.«

Kapitel zwanzig
    16. Januar 1943
    Als Peter damals gerade in Berlin angekommen war, hatten die Kaltenbach-Mädchen ihm aufgeregt von den Fliegerangriffen erzählt, die sie erlebt hatten. »Klägliche kleine Bomber. Meistens von der Royal Air Force«, hatte Traudl erklärt. »Der Iwan hat auch vor Kurzem ein paar Maschinen geschickt, aber die haben wir alle abgeschossen. Einen habe ich abstürzen gesehen! Die kommen nicht wieder, glaube ich.«
    Professor Kaltenbach hatte seiner Familie stets das Gefühl vermittelt, sie seien in der Stadt sicher. Die sowjetische Front ziehe sich von Leningrad über Moskau bis in den Kaukasus, erinnerte er sie. Eine solche Entfernung schaffe kein sowjetischer Bomber. Die Briten, räumte er ein, seien näher. Aber sie zögerten offenbar, sich bis nach Berlin vorzuwagen. Die kleineren und größeren Städte im Westen hatten einige Luftangriffe erlitten, rund um die Hauptstadt hingegen waren Luftwaffe und Flugabwehr bisher Respekt einflößend genug gewesen, die Bomber auf Distanz zu halten.
    Die Behörden bereiteten sich trotzdem auf das Schlimmste vor. Im Jahr zuvor hatte es neunmal Fliegeralarm gegeben, ohne dass etwas geschehen wäre. »Wahrscheinlich nur Probealarm«, hatte der Professor gemeint.
    Doch kurz nach Neujahr landeten die Briten in der Stadt einen Überraschungsschlag.
    Die Kaltenbachs lagen allesamt in ihren Betten, und die Sirenen ertönten erst, als die Flieger sich schon über der Stadt befanden. Peter, der fest geschlafen hatte, hielt das an- und abschwellende Heulen zunächst für einen seltsamen Traum. Aber da kam Herr Kaltenbach in sein Zimmer gestürzt und rüttelte ihn wach. »Schnell, Peter!«, rief er. »Zieh dich an. Es ist zu kalt, um im Bademantel rauszugehen. Seltsamer Zeitpunkt für eine Übung, muss ich sagen.« Aber kaum hatte er zu Ende gesprochen, als auf ein entferntes Pfeifen hin Detonationen folgten, die die Fensterscheiben klirren ließen. Charlotte begann zu weinen, doch ihre Mutter brachte sie mit einem heftigen Klaps auf den Oberschenkel zum Schweigen.
    »Keine Zeit verlieren«, sagte Kaltenbach. »Schnapp dir schnell eine Decke.«
    Das Sirenengeheul ebbte ab, und stattdessen waren in der Ferne Flugzeugmotoren zu hören – dem Lärm nach zu schließen, mussten es Hunderte sein.
    Die Familie stolperte zusammen mit anderen schlaftrunkenen Hausbewohnern die Treppe hinunter. Peter war überrascht, aber auch ein wenig amüsiert, Frau Kaltenbach ohne ihre sorgfältig aufgetragene Schminke zu sehen – ihr Gesicht wirkte grünlich und ungesund blass, wie bei einem Menschen, der seit einer Woche an Verstopfung leidet.
    Der Keller war abgeschlossen und der Blockwart, Herr Schlosser, nirgends zu entdecken.
    »Damit hat offensichtlich niemand gerechnet«, sagte Herr Kaltenbach. Er machte einen bemerkenswert ruhigen Eindruck. Eine weitere Serie von Bomben pfiff herab und explodierte irgendwo westlich von ihnen. Kinder fingen an zu weinen, nicht aber Charlotte. Dazu hatte sie zu viel Angst vor ihrer Mutter.Ihr Vater nahm sie auf den Arm und lobte sie, was sie für ein tapferes Mädchen sei.
    Schlosser kam fünf Minuten später. Er war angezogen und offenbar woanders gewesen, als die Bomben zu fallen begannen. Wie ein Feldherr bahnte er sich einen Weg durch die verängstigten Hausbewohner. Nachdem er die Kellertür aufgesperrt hatte, eilten alle hinein, setzten sich auf den Steinboden und warteten.
    »Nächstes Mal bringe ich ein Kissen mit«, erklärte Kaltenbach lächelnd. Charlotte und Traudl kuschelten sich in seine Arme, alle drei in eine einzige Decke gehüllt. Er ist ganz schön tapfer , dachte Peter, und er liebt seine Töchter von Herzen . Es war wirklich rührend, und er verspürte einen Stich von Eifersucht. Sein eigener Vater hatte ihn nie so in die Arme genommen. Er war stets förmlich und reserviert gewesen.
    Inzwischen hatten sich im Keller so viele Menschen versammelt, dass man sich von seinem Platz nicht mehr wegbewegen konnte. Immerhin war es hier nicht so kalt, wie er befürchtet hatte. Die vielen Menschen auf engem Raum erzeugten Wärme.
    Im Licht

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