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Ausradiert: Thriller (German Edition)

Ausradiert: Thriller (German Edition)

Titel: Ausradiert: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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erwiderte Nick, während er die Augen schloss. »Ich gehe gleich morgen früh.«
    Sie ließ sein Jackett in Ruhe. Nick spürte, wie sie ihn eine Weile musterte. »Es steht Ihnen gut«, bemerkte sie mit leiser Stimme. Ihre Schritte bewegten sich zur Tür und hinaus.

    Nick öffnete die Augen. Die Luft war rein. Er setzte sich auf, verfuhr nach der bewährten Methode – von den Ellbogen auf die Hände, stemmte sich Zentimeter für Zentimeter hoch, dann die Beine über die Kante, kontrollierter Fall zur Seite, Füße auf den Boden, hochstemmen, und er war wieder auf den Beinen. Er entwirrte die Schläuche, zog den Ständer zu sich heran, schritthumpelte zu dem Kasten an der Wand, nahm die Akte heraus.

    Prognose: Der Patient ist ein 42 Jahre alter männlicher Weißer, bis dahin in ausgezeichneter körperlicher Verfassung, aber angesichts des pathologischen Befunds (siehe Anlage) und der fortgeschrittenen Metastasenbildung wird die Lebenserwartung vermutlich der mittleren Überlebensrate in vergleichbaren Fällen entsprechen (17 Wochen).

    Metastasenbildung war ein Wort, das Nick fast sein ganzes Leben lang gekannt hatte, ein Wort aus der frühesten Familiengeschichte, wo es erklärte, was mit seiner Mutter geschah. Er steckte die Akte wieder ordentlich in den Kasten und kehrte zum Bett zurück, legte sich hinein, zog die Beine ohne die geringste Hilfe hoch. Nick lag im Bett. Der flüssige Inhalt der beiden Plastikbeutel wechselte langsam, nahm im unteren zu und schwand im oberen. Er atmete.

    »Hi, Nick. Erinnern Sie sich an mich?«
    »Dr. Phil Tully, Chefarzt der Neurochirurgie.«
    Dr. Tully lächelte. »Wie geht es Ihnen?«
    »Hundert Prozent besser.«
    »Hab ich schon gehört. Man behauptet, Sie seien aufgestanden und rumgelaufen.«
    »Ich warte nur noch, bis die Schläuche entfernt werden, dann bin ich auch schon weg«, erwiderte Nick. »Kein Anlass, ein Bett zu blockieren, das jemand anders brauchen könnte.«
    »Erst müssen wir noch ein paar Tests machen, um das Ausmaß Ihrer Defizite festzustellen«, sagte Dr. Tully.
    »Was für Defizite?«
    »Neurologische.«
    »Ich habe keine«, sagte Nick, »Ich bin nur ein bisschen schlapp vom vielen Liegen.«
    Dr. Tully ging zu dem Kasten an der Wand, nahm die Akte heraus und blätterte sie auf dem Rückweg durch. »Wissen Sie, welchen Tag wir heute haben, Nick?«
    »Da muss ich nachdenken.« Aber es fiel ihm nicht ein.
    »An welchem Tag sind Sie hierhergekommen?«
    »Freitag«, sagte Nick. »Am zwölften.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich weiß es einfach.«
    »Was können Sie mir über diesen Tag erzählen?«
    Nick schloss die Augen. »Ich habe den Müll rausgebracht. Dann habe ich am Schreibtisch gearbeitet, bis es Zeit war, zum Gericht zu fahren.«
    »Welches Gericht?«
    »Das Bezirksgericht. Ich musste als Zeuge in einem Mordprozess aussagen.«
    »Was machen Sie beruflich, Nick?«
    Nick lächelte. »Übrigens, mein Nachname lautet Petrov«, sagte er. »Ich bin Privatdetektiv, auf Vermisstenfälle spezialisiert. Außerdem kann ich Toast, Müsli und Obstsalat erkennen und weiß, was eine Muschel ist.«
    »Muschel?«
    »Was bedeutet, dass ich nach Hause kann.«
    Dr. Tully lachte. »Sie machen das großartig«, meinte er. »Wie ging es Ihnen an jenem Tag, am Freitag, dem zwölften?«
    »Gut.«
    »Litten Sie unter Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühlen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie irgendetwas Ungewöhnliches getan? Sind Sie grundlos wütend geworden? Haben Sie in Ihrem Verhalten auf einen Impuls reagiert, den Sie normalerweise unterdrücken?«
    »Nein.«
    »Merkwürdige Dinge geäußert?«
    »Nein.«
    »Können Sie sich an Ihre Aussage erinnern und wenn ja, an was?«
    »Ich –« Da war nichts; gähnende Leere.
    »Erinnern Sie sich, im Gericht gewesen zu sein?«
    »Ja.«
    »Woran erinnern Sie sich, als Sie dort waren?«
    »An den Eid, die Wahrheit zu sagen.« Nick konnte sich deutlich an die Richterin erinnern, und an die Flagge, die neben ihr hing.
    Dr. Tully machte sich eine Notiz. »Irgendwas danach?«
    »Der Duft des Parfüms der vorherigen Zeugin.«
    »Und dann?«
    Nichts. Leere. Vergessen.
    »Woran können Sie sich nach dem Eid als Nächstes erinnern?«
    Nick dachte lange nach, ehe er antwortete: »An Sie.« Können Sie mit den Zehen wackeln?
    Er musterte Dr. Tully. Dr. Tully erwiderte seinen Blick. Er hatte eigenartige Augen, erfahren und gleichzeitig freundlich. In diesem Augenblick passierte etwas äußerst Merkwürdiges: Nick las seine Prognose

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