Außer Atem - Panic Snap
verlieben.« Ich sehe das unbehagliche Flackern in ihren Augen, sehe, wie sie ihr Glas fester umfasst. »Ihr Bruder liebt mich«, wiederhole ich, obwohl ich nicht genau weiß, ob das stimmt.
»Sie gehören hier nicht her«, sagt sie ruhig. »Sie hätten nicht herkommen sollen.«
Darauf erwidere ich nichts. Ich hatte keine Wahl, ich musste herkommen. Meine Albträume haben mich hergebracht. Nachdem ich aus dem Koma erwacht war, bin ich jahrelang Nacht für Nacht schweißgebadet aufgewacht. Mein Herz hämmerte wie wild; ich konnte mich nicht an meine Träume erinnern, doch die Panik blieb mir. Und dieses entsetzliche, enge Gefühl in der Brust, laut wie ein Schrei, sagte mir, dass ich die Dinge in Ordnung bringen müsse. Über Jahre hinweg erhielt ich keinen einzigen Hinweis, und dann sah ich James' Foto in der Zeitschrift, und etwas rastete in mir ein, ein kleiner, wolkiger Nebel des Erkennens – natürlich musste ich herkommen. Byblos ist meine Chance – vielleicht sogar meine einzige Chance –, um den Albträumen ein Ende zu setzen. Die Uhr an der Wand schlägt.
Gina will ihren Drink auf dem Couchtisch abstellen, doch sie unterschätzt die Entfernung zwischen Glas und Tisch und lässt das Glas zu früh los. Mit einem dumpfen Geräusch fällt es auf den Tisch, und das Getränk schwappt heraus. Sie steht auf, kommt auf mich zu und legt mir die Hand auf die Schulter.
»Sie werden James nicht bekommen«, sagt sie sanft und beugt sich zu mir herab, die Hand noch immer auf meiner Schulter. »Denken Sie noch einmal über mein Angebot nach!«
16
Als ich eine Hand auf meiner Schulter fühle, entfährt mir ein überraschter Schrei. Ich fahre herum und sehe James hinter mir stehen.
»Du bist ja heute so nervös«, sagt er. »Ich wollte dich nicht erschrecken.« Ein Lächen breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Deine Lippen sind ja ganz dunkel.«
Ich wische mir mit dem Handrücken über die Lippen. Ich habe in den letzten anderthalb Stunden Brombeeren gepflückt, und es ist unmöglich, dabei nicht zu naschen. Meine Handflächen sind mit bläulich-roten Flecken bedeckt, und ich kann mir vorstellen, dass mein Mund genauso aussieht. Ich trage alte Jeans mit abgeschnittenen Beinen, zum Beerenpflücken bestens geeignet, und einen rosafarbenen Pullunder. Ich wische mir die Hände am Hosenboden ab. »Du hast mich erschreckt«, sage ich. »Ich habe dich nicht kommen hören.«
»Mit dem verschmierten Gesicht und den blauen Händen«, sagt er, »siehst du aus wie ein kleines Kind. Du siehst aus, als hättest du mehr gegessen als gesammelt.« Er beugt sich herab, küsst mich und lässt seine Zunge über meine Lippen gleiten. »Du schmeckst süß«, sagt er.
Ich schütze die Augen gegen die Sonne und schaue zu ihm auf. Es verwirrt mich, dass er mir seine Zuneigung so deutlich zeigt, und es ärgert mich, dass ich so unordentlich aussehe. Meine viel zu helle Haut, die niemals braun wird, verströmt den leicht chemischen Geruch von Sonnenmilch; meine Knie sind vom Hinknien beim Beerenpflücken zerkratzt und schmutzig; meine Jeans sind ausgefranst und voller Flecken, James dagegen ist gebräunt, gepflegt und adrett gekleidet. Sein helles Hemd ist sauber und gebügelt, seine Hose frei von Flecken, und seine teuren Lederschuhe glänzen.
»Kann ich heute Nacht zu dir kommen?«, frage ich. Damit lade ich mich zum ersten Mal selbst bei ihm ein. Vor lauter Angst, dass er ablehnen könnte, füge ich schnell hinzu: »Ich dachte, wir könnten zusammen zu Abend essen. Ich werde kochen. Ich habe ein neues Dessertrezept entdeckt, das ich gern ausprobieren würde.«
»Klar«, sagt er, »das klingt nett.« Er greift in die Hosentasche, zieht sein Schlüsselbund hervor, löst einen Schlüssel vom Ring und streckt ihn mir entgegen. »Nimm«, sagt er. »Ich bin heute Nachmittag geschäftlich unterwegs und werde erst gegen halb acht oder acht zurück sein. Geh ruhig schon rein, ich komme, so schnell ich kann.«
Ich wusste, dass er fort sein würde. Mrs. McGuane hat es mir erzählt. »Danke«, sage ich und nehme den Schlüssel.
»Lass ihn einfach auf dem Tisch liegen«, sagt er, »neben der Eingangstür.« Und ich werde ein bisschen rot, weil ich weiß, dass er nicht möchte, dass ich den Schlüssel behalte, und weil ich auch weiß, dass ein gestohlenes Duplikat davon an meinem Schlüsselbund hängt.
Als er geht, schaue ich ihm nach. Seine Statur hat etwas Heroisches. Noch immer scheint er mir überlebensgroß. Er durchquert den Garten und
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