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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Kälberjournals und des Hühnerblatts verloren.
    Ahmed rief Kistner im Verlag
     an und schlug eine Unterhaltung vor. Die beiden trafen sich keine halbe
     Stunde später auf einem Kinderspielplatz nahe dem U-Bahnhof
     Prinzenstraße, spazierten den Kanal entlang Richtung Kottbusser Brücke.
    Ahmed war sehr aufgeregt,
     hatte nie zuvor Theater gespielt und bekam Angst, etwas falsch zu machen,
     wofür letztendlich er dann den Kopf hinhalten müßte. Das
     Gespräch glich einem vorsichtigen Abtasten. Nabel hatte ihm einige Sätze
     vorgeschlagen, die Ahmed mehr aufsagte als sagte. Ich bin nur daran
     interessiert, daß die Harmonie zu den Medien stimmt. Ich würde
     sicher nichts erzählen, was den Fahndungserfolg in Frage stellen könnte.
     Kleine dreckige Details für Ihre Leser, darüber könne man
     reden. Mit welcher Aufwandsentschädigung könnte ich in so einem
     Fall rechnen?
    Kistner war zu lange Profi,
     um den Braten nicht zu riechen. Seine Antworten lauteten:
    Ja, selbstverständlich,
     das bin ich auch. Natürlich nicht, wir wollen alle den Kerl hinter
     Gittern. Kleine dreckige Details kann ich mir aber auch ausdenken. Naja,
     Aufwandsentschädigung – so direkt ist das nicht zu beantworten.
     Sie verlangen ja nicht etwa Geld von mir, oder doch?
    Von diesem Moment an war
     Ahmed hilflos und wußte nicht, wie er das Gespräch fortsetzen
     sollte.
    Kistner klopfte ihm jovial
     auf die Schulter und riet ihm, er solle sich noch mal in aller Ruhe überlegen,
     was er genau geben und was er genau nehmen wolle, danach könne man
     sich ja erneut unterhalten. Sprachs und ließ Ahmed auf Höhe der
     Synagoge stehen, kehrte um und strich grüßend mit dem
     Zeigefinger über die Stirn.
    Nabel ließ sich die
     Unterhaltung erst im Wortlaut nacherzählen, bevor er die Aufnahme abhörte
     und feststellte, daß Ahmed den Wortlaut sehr präzise
     wiedergegeben hatte. Immerhin etwas. Allzuviel Geschirr war nicht
     zerschlagen worden. Ein junger Beamter bei seinem ersten Auftritt auf dem
     Informationsstrich durfte ruhig ein wenig unsicher wirken.
    »Gut gemacht.«
    »Wirklich, Chef? Ich
     finde, er hat mich auflaufen lassen, das ist ne aalglatte Figur.«
    »Tja. Vergessen wirs.
     Wir können uns nicht mit Spielereien abgeben. Hat die Obduktion was
     über das Messer ergeben?«
    Ahmed kramte ein Fax hervor,
     in dem es hieß, die Klinge sei anderthalb Zentimeter breit und etwa
     zehn Zentimeter lang gewesen. Typische Maße für ein
     Springmesser, wie es in der Gegend jeder zweite Jugendliche trug.
    »Tja. Vergessen wirs.«
    Jimmy Kistner, ein bäuerlich
     wirkender Hüne mit Pferdegebiß und strohfarbener, halblang
     getragener Frisur, war nicht sicher, was dieses Treffen für einen
     Zweck gehabt haben sollte, aber er hatte sicher nichts Kompromittierendes
     gesagt, also konnte er seiner Assistentin, Frau Hagenheck, für den
     Tagesüberblick diktieren, er habe gegen 14 Uhr KK Ahmed Müller-Dogan
     am Kanal Höhe Baerwaldbrücke getroffen, dafür sei ihm an
     Spesen zweimal Taxi, zusammen achtzehn Euro, zu erstatten. Die Quittungen
     legte er in einem Ordner ab. Kistner hielt es in solchen Dingen für nötig,
     akkurat zu sein. Verlorene Zeit mußte nicht auch noch verlorenes
     Geld bedeuten. Kistner entstammte kleinbürgerlichen Verhältnissen.
     Als er reich zu werden begann, schwor er sich, nie die Wertschätzung
     für Kleingeld zu verlieren. Zu diesem Zweck rechnete er Beträge
     in Pizzas mit allem um. Eine Pizza mit allem war ein großer Luxus,
     ein kleines Fest für ihn gewesen, als er als Volontär bei seiner
     ersten Zeitung anfing. Achtzehn Euro wären damals vier Pizzas mit
     allem gleichgekommen. Nicht auszudenken. Frau Hagenbeck lächelte, sie
     fand diesen Zug an Kistner sympathisch, ihrer Ansicht nach zeugte er von
     Bodenhaftung mehr als von Geiz. Manchmal stellte sie ihm einen bunten
     Strauß Feldblumen auf den Schreibtisch, den sie von ihrem eigenen
     Gehalt bezahlte. Er zeigte sich dafür regelmäßig an
     Weihnachten großzügig, wenn er ihr, wie im letzten Jahr, per
     Gutschein einen Dreitageaufenthalt in einer Beautyfarm mit
     Schlammpackungen und Wellnessprogramm schenkte. Sie fand, für eine
     Frau in schon reiferem Alter würde ein solches Geschenk keine
     Beleidigung darstellen, und sicher war es lieb gemeint. Daß er den
     Gutschein selber geschenkt bekommen hatte, weil er als Prominenter
     tausenderlei Dinge geschenkt bekam, und ihn nur an sie weiterreichte, weil
     ihm sonst kein

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