Aussortiert
was er da las. Dann rief er Nabel auf dem
Handy an.
»Chef, können Sie
herkommen?«
»Was gibts?«
»Ganz große
Dampfkacke. Es sieht so aus, als hätten wir einen dringend Tatverdächtigen.«
»Wen?«
»Mich.«
Anita, geborene Gräfin
von Schönfels, verbrachte den Morgen in der Feinkostabteilung des
KDW, dem mondänen und leicht überteuerten Kaufhaus des Westens
am Wittenbergplatz. Für die nächste der monatlichen Soireen, die
in ihrer Stadtvilla in Wilmersdorf stattfanden und sich bei den geladenen
Gästen enormer Beliebtheit erfreuten, bestellte sie Wein und
Spirituosen und verlangte vom Verkäufer etwas zur Abwechslung
wirklich Originelles, anstelle der, wie sie es nannte, plumpen
Einheitsware, mit der sie bisher beliefert worden war. Obwohl in Anitas Paß
(ihr Gatte hatte bei der Hochzeit darauf bestanden) seit ein paar Jahren
der hierzulande blasse Name Tschutschelow zu lesen war, hatte sie ihren
wohlklingenden Adelstitel nie abgelegt, fungierte im täglichen Umgang
weiterhin als Gräfin von Schönfels, verheiratete Tschutschelow,
und genoß etwaig damit verbundene Vorteile, zum Beispiel den,
ungestraft einen jungen Verkäufer zur Sau machen zu können, weil
ihm nicht gleich etwas passend Extravagantes einfallen wollte. Das war
aber auch dessen eigene Schuld. Es lag eigentlich nahe, der Gräfin
von der Bergung des Schiffes Esperanza zu erzählen, das, mit einer
Ladung Champagner an den Zaren von Russland an Bord, 1912 in der Ostsee
gesunken war. Das KDW bot eine jener Flaschen für 700 Euro an, ein,
angesichts der historischen Dimension, geradezu moderates
Preis-Leistungs-Verhältnis. Anita zeigte sich dementsprechend versöhnt,
als der Verkäufer doch noch darauf zu sprechen kam. Das würde
Igor gefallen, Ruslan wohl auch. Zugleich orderte sie den seltenen weißrussischen
Wodka, der, mit dem Saft junger Birken angesetzt, selbst profunde Wodka
Kenner dazu bringen mußte, Loblieder zu singen. Der Verkäufer
schien erst jetzt zu begreifen, daß er keine Angeberin vor sich
hatte, er führte sie zu einer leuchtenden, abgeschlossenen Vitrine.
Auf den Hennessy Ellipse, präsentiert in einer glitzernden
Baccalat-Kristallkaraffe, 0,7 Liter für 5999,– Euro,
verzichtete die Gräfin nach einigem Nachdenken, das Angebot schien
ihr doch ein wenig zu dekadent, außerdem kannte sie Igors
Einstellung zu Cognac nicht.
Danach wechselte sie in die
Fleischabteilung und sah in eine Kühltruhe, prüfte das
Sortiment. Von der anderen Seite sah sich David Pfeifer das frische
Kalbfleisch an und flüsterte hallo, mit Betonung auf der zweiten
Silbe.
Ohne die Begrüßung
zu erwidern, vollführte die Gräfin von Schönfels eine
dezente Geste, sie wedelte mit den Fingern der rechten Hand, woraufhin ihr
Pfeifer ein Tütchen in die Kühltruhe legte, das sie mit zwei
Fingern hochhob und in ihrem Prada-Handtäschchen verschwinden ließ.
Pfeifer fand, daß Pradahandtaschen oft sowohl billig als auch
kitschig aussahen, es stand ihm fern, zu begreifen, wie Damen der höheren
Gesellschaft auf diesen Plunder hereinfallen konnten. Es ging ihn
andererseits nichts an, und nie hätte er in irgendeiner Weise an
seinen Kundinnen Kritik geübt. Mit der Zicke von Schönfels
jenseits der üblichen Floskeln zu reden vermied er, wo es immer ging.
Nur heute hatte er etwas zu sagen.
Ȇmal ist
einverstanden. Wenigstens nicht von vornherein abgeneigt. Unter gewissen
Bedingungen.«
»Aha? Als da wären?«
Pfeifer kam sich mächtig
vor. Und zugleich unsicher, da seine neue Position erhebliche Risiken
barg, die bislang unüberschaubar blieben. Anita hatte von seinen
Verbindungen zu den Türken gehört und ihn gebeten, ihm
eigentlich mehr befohlen, diese für eine Kontaktaufnahme auszunutzen.
Pfeifer war folgsam gewesen, der große Ümal hatte ihn
empfangen, hatte ihm zugehört, hatte ihm schließlich gesagt, daß
alles soweit bedenkenswert sei, bis auf Tschutschelow, den könne er
nicht leiden. Und die Augen der Gräfin von Schönfels begannen zu
leuchten. Ohne das Thema weiter zu verfolgen, bat sie mit knappen Sätzen
Pfeifer darum, erneut anschreiben zu dürfen, sie trage wenig Bargeld
bei sich, er zeige dafür sicher Verständnis. Pfeifer grummelte lächelnd
was von wegen Verständnis gewiß, aber daß die Summe nun
doch ganz beträchtlich geworden sei, er wagte es, dezent, mit aller
gebotenen Höflichkeit zu
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