Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
was er da las. Dann rief er Nabel auf dem
     Handy an.
    »Chef, können Sie
     herkommen?«
    »Was gibts?«
    »Ganz große
     Dampfkacke. Es sieht so aus, als hätten wir einen dringend Tatverdächtigen.«
    »Wen?«
    »Mich.«
    Anita, geborene Gräfin
     von Schönfels, verbrachte den Morgen in der Feinkostabteilung des
     KDW, dem mondänen und leicht überteuerten Kaufhaus des Westens
     am Wittenbergplatz. Für die nächste der monatlichen Soireen, die
     in ihrer Stadtvilla in Wilmersdorf stattfanden und sich bei den geladenen
     Gästen enormer Beliebtheit erfreuten, bestellte sie Wein und
     Spirituosen und verlangte vom Verkäufer etwas zur Abwechslung
     wirklich Originelles, anstelle der, wie sie es nannte, plumpen
     Einheitsware, mit der sie bisher beliefert worden war. Obwohl in Anitas Paß
     (ihr Gatte hatte bei der Hochzeit darauf bestanden) seit ein paar Jahren
     der hierzulande blasse Name Tschutschelow zu lesen war, hatte sie ihren
     wohlklingenden Adelstitel nie abgelegt, fungierte im täglichen Umgang
     weiterhin als Gräfin von Schönfels, verheiratete Tschutschelow,
     und genoß etwaig damit verbundene Vorteile, zum Beispiel den,
     ungestraft einen jungen Verkäufer zur Sau machen zu können, weil
     ihm nicht gleich etwas passend Extravagantes einfallen wollte. Das war
     aber auch dessen eigene Schuld. Es lag eigentlich nahe, der Gräfin
     von der Bergung des Schiffes Esperanza zu erzählen, das, mit einer
     Ladung Champagner an den Zaren von Russland an Bord, 1912 in der Ostsee
     gesunken war. Das KDW bot eine jener Flaschen für 700 Euro an, ein,
     angesichts der historischen Dimension, geradezu moderates
     Preis-Leistungs-Verhältnis. Anita zeigte sich dementsprechend versöhnt,
     als der Verkäufer doch noch darauf zu sprechen kam. Das würde
     Igor gefallen, Ruslan wohl auch. Zugleich orderte sie den seltenen weißrussischen
     Wodka, der, mit dem Saft junger Birken angesetzt, selbst profunde Wodka
     Kenner dazu bringen mußte, Loblieder zu singen. Der Verkäufer
     schien erst jetzt zu begreifen, daß er keine Angeberin vor sich
     hatte, er führte sie zu einer leuchtenden, abgeschlossenen Vitrine.
     Auf den Hennessy Ellipse, präsentiert in einer glitzernden
     Baccalat-Kristallkaraffe, 0,7 Liter für 5999,– Euro,
     verzichtete die Gräfin nach einigem Nachdenken, das Angebot schien
     ihr doch ein wenig zu dekadent, außerdem kannte sie Igors
     Einstellung zu Cognac nicht.
    Danach wechselte sie in die
     Fleischabteilung und sah in eine Kühltruhe, prüfte das
     Sortiment. Von der anderen Seite sah sich David Pfeifer das frische
     Kalbfleisch an und flüsterte hallo, mit Betonung auf der zweiten
     Silbe.
    Ohne die Begrüßung
     zu erwidern, vollführte die Gräfin von Schönfels eine
     dezente Geste, sie wedelte mit den Fingern der rechten Hand, woraufhin ihr
     Pfeifer ein Tütchen in die Kühltruhe legte, das sie mit zwei
     Fingern hochhob und in ihrem Prada-Handtäschchen verschwinden ließ.
     Pfeifer fand, daß Pradahandtaschen oft sowohl billig als auch
     kitschig aussahen, es stand ihm fern, zu begreifen, wie Damen der höheren
     Gesellschaft auf diesen Plunder hereinfallen konnten. Es ging ihn
     andererseits nichts an, und nie hätte er in irgendeiner Weise an
     seinen Kundinnen Kritik geübt. Mit der Zicke von Schönfels
     jenseits der üblichen Floskeln zu reden vermied er, wo es immer ging.
     Nur heute hatte er etwas zu sagen.
    »Ümal ist
     einverstanden. Wenigstens nicht von vornherein abgeneigt. Unter gewissen
     Bedingungen.«
    »Aha? Als da wären?«
    Pfeifer kam sich mächtig
     vor. Und zugleich unsicher, da seine neue Position erhebliche Risiken
     barg, die bislang unüberschaubar blieben. Anita hatte von seinen
     Verbindungen zu den Türken gehört und ihn gebeten, ihm
     eigentlich mehr befohlen, diese für eine Kontaktaufnahme auszunutzen.
     Pfeifer war folgsam gewesen, der große Ümal hatte ihn
     empfangen, hatte ihm zugehört, hatte ihm schließlich gesagt, daß
     alles soweit bedenkenswert sei, bis auf Tschutschelow, den könne er
     nicht leiden. Und die Augen der Gräfin von Schönfels begannen zu
     leuchten. Ohne das Thema weiter zu verfolgen, bat sie mit knappen Sätzen
     Pfeifer darum, erneut anschreiben zu dürfen, sie trage wenig Bargeld
     bei sich, er zeige dafür sicher Verständnis. Pfeifer grummelte lächelnd
     was von wegen Verständnis gewiß, aber daß die Summe nun
     doch ganz beträchtlich geworden sei, er wagte es, dezent, mit aller
     gebotenen Höflichkeit zu

Weitere Kostenlose Bücher