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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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verschweigen?
    »Also, lieber Herr
     Doktor Seidel, für mich ist alles klar …«
    »Was?«
    »Ganz klar: Der Mörder
     ist …«
    »Wer?«
    »Frau Hagenbeck.«
    Alle, bis auf Seidel, brachen
     in Gelächter aus.
    »Ich verbitte mir
     solche Scherze.«
    »Verzeihung, tut mir
     wirklich leid, in Wahrheit ist natürlich Ahmed der Mörder, wir
     sollten ihn in U-Haft nehmen.«
    Das wiederum fand Ahmed nicht
     lustig.
    Seidel herrschte Nabel an,
     mit diesen Kindereien aufzuhören. »Was passiert jetzt, sagen
     Sies mir!«
    Nabel deutete auf Kistners
     PC. Lidia solle den in den kommenden Tagen und Wochen auswerten. Ahmeds
     Kontaktaufnahme zu Kistner könne man schwerlich geheimhalten, man
     solle der Presse mitteilen, Kistner habe sich bedroht gefühlt und von
     sich aus Schutz bei der Polizei gesucht, das könne nie ganz falsch
     sein, denn jemand wie Kistner habe sich bestimmt immer von irgendwem
     bedroht gefühlt.
    »Gut.« Soweit war
     Seidel einverstanden.
    Nabel begann über das Paßwort
     Samantha nachzudenken. Schon ein ganz gutes Paßwort, von der Länge
     her, allerdings kein ideales Paßwort, da es vermutlich in
     irgendeinem Wörterbuch zu finden sei und nur aus Buchstaben ohne
     dazwischengestreute Ziffern bestehe.
    »Für Hacker ist
     das leicht knackbar. Was meinst du, Lidia?«
    »Deiner Meinung. Die
     lassen Programme mit allen Begriffen und Eigennamen laufen, so lange, bis
     die Tür sich öffnet. Und mit Eigennamen von Frauen fangen die
     bei männlichen Usern selbstverständlich an. Der Hack hat
     wahrscheinlich keine drei Minuten gedauert.«
    »Ich glaube, daß
     Lidia recht hatte, als sie den Täter im Profil intelligenter einschätzen
     wollte als ihre Kollegen.
    Ich glaube, daß der Täter
     Ahmeds Namen aus Kistners Computer hatte.
    Das bedeutet, er besitzt
     Hacker-Knowhow.«
    »Entschuldigung, aber
     –« Seidel wußte über Computer so gut wie nichts,
     deswegen fürchtete er, seine Einlassung könne peinlich wirken.
     »Ist es denn möglich, daß jemand einfach so die
     Schweinezeitung anzapft?«
    »Mit der
     Schweinezeitung hat das nix zu tun. Vielleicht wird das Paßwort zu
     Kistners Geheimdatei komplizierter zu knacken sein. Aber mit genügend
     Zeit kriegen wir auch das hin. Oder?«
    Die Frage richtete Nabel an
     Lidia, die erst eine vieldeutige Grimasse zog, dann nickte. »Bessere
     Hackprogramme als unsere gibts nicht.«
    »Schön«,
     meinte Seidel und strich sich nicht existente Krümel vom Jackett,
     »dann geben wir jetzt eine Pressekonferenz? Und geben uns
     siegessicher?«
    »Ja«, bestätigte
     Nabel. »Danach Feierabend.«
    Die Pressekonferenz verlief
     chaotisch. Seidel machte sich wichtig und tat so, als wäre der Täter
     praktisch überführt, man müsse nur den »elektrischen
     Zugang« zu Kistners     
    PC nachverfolgen, was eine
     Sache von Stunden, höchstens Tagen sei. Nabel mußte ihm vor
     allen Leuten widersprechen, um die Polizei nicht als völlig verblödet
     dastehen zu lassen, es gebe schließlich Programme, mit deren Hilfe
     man den Zugang zum Internet zumindest stark verschleiern, sogar, praktisch
     gesehen, anonymisieren könne. Bei der Aufklärung würde es
     sich also mehr um Wochen als um Tage oder Stunden handeln, aber man habe
     eine klare Spur und verfolge diese konsequent.
    Ein Vertreter des Kälberjournals
     wollte wissen, ob es stimme, daß Kistner sich zweimal mit einem
     Polizisten getroffen habe, davon einmal zur Tatzeit.
    »Nein, das ist so nicht
     richtig.«
    Frau Hagenbeck hatte natürlich
     geplaudert, wie nicht anders zu erwarten. Nabel dachte, daß die
     Polizeiarbeit um einiges einfacher wäre, wenn es nur Ermittler, Täter
     und Opfer gäbe. Und nicht so viele mitteilungsbedürftige Zaungäste.
    Lidia fuhr ihn heim. Beide
     waren derart geschafft, daß während der Fahrt keinerlei
     Smalltalk zustande kam. Als er ausstieg, sagte Lidia: »Du warst
     heute richtig gut.«
    Den Satz nahm Nabel wie einen
     Bund roter Rosen mit hinauf in seine Wohnung. Ohne noch ein auch nur
     kleines Gläschen Wein zu trinken, fiel er ins Bett.
    Beim Einschlafen dachte er
     daran, daß im Grunde nichts erreicht war, nur ein Ansatz war
     gegeben. Alles so kompliziert. Aber, und das war sein letzter Gedanke,
     bevor der Schlaf ihn überkam – umso komplizierter alles
     scheint, desto einfacher ist es meist. Naja. Manchmal.

 
    8
    Die Schlagzeilen anderntags
     fielen fast so verheerend aus, wie Seidel befürchtet hatte.
    Toter Starreporter von
     Polizei

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