Aussortiert
verschweigen?
»Also, lieber Herr
Doktor Seidel, für mich ist alles klar …«
»Was?«
»Ganz klar: Der Mörder
ist …«
»Wer?«
»Frau Hagenbeck.«
Alle, bis auf Seidel, brachen
in Gelächter aus.
»Ich verbitte mir
solche Scherze.«
»Verzeihung, tut mir
wirklich leid, in Wahrheit ist natürlich Ahmed der Mörder, wir
sollten ihn in U-Haft nehmen.«
Das wiederum fand Ahmed nicht
lustig.
Seidel herrschte Nabel an,
mit diesen Kindereien aufzuhören. »Was passiert jetzt, sagen
Sies mir!«
Nabel deutete auf Kistners
PC. Lidia solle den in den kommenden Tagen und Wochen auswerten. Ahmeds
Kontaktaufnahme zu Kistner könne man schwerlich geheimhalten, man
solle der Presse mitteilen, Kistner habe sich bedroht gefühlt und von
sich aus Schutz bei der Polizei gesucht, das könne nie ganz falsch
sein, denn jemand wie Kistner habe sich bestimmt immer von irgendwem
bedroht gefühlt.
»Gut.« Soweit war
Seidel einverstanden.
Nabel begann über das Paßwort
Samantha nachzudenken. Schon ein ganz gutes Paßwort, von der Länge
her, allerdings kein ideales Paßwort, da es vermutlich in
irgendeinem Wörterbuch zu finden sei und nur aus Buchstaben ohne
dazwischengestreute Ziffern bestehe.
»Für Hacker ist
das leicht knackbar. Was meinst du, Lidia?«
»Deiner Meinung. Die
lassen Programme mit allen Begriffen und Eigennamen laufen, so lange, bis
die Tür sich öffnet. Und mit Eigennamen von Frauen fangen die
bei männlichen Usern selbstverständlich an. Der Hack hat
wahrscheinlich keine drei Minuten gedauert.«
»Ich glaube, daß
Lidia recht hatte, als sie den Täter im Profil intelligenter einschätzen
wollte als ihre Kollegen.
Ich glaube, daß der Täter
Ahmeds Namen aus Kistners Computer hatte.
Das bedeutet, er besitzt
Hacker-Knowhow.«
»Entschuldigung, aber
–« Seidel wußte über Computer so gut wie nichts,
deswegen fürchtete er, seine Einlassung könne peinlich wirken.
»Ist es denn möglich, daß jemand einfach so die
Schweinezeitung anzapft?«
»Mit der
Schweinezeitung hat das nix zu tun. Vielleicht wird das Paßwort zu
Kistners Geheimdatei komplizierter zu knacken sein. Aber mit genügend
Zeit kriegen wir auch das hin. Oder?«
Die Frage richtete Nabel an
Lidia, die erst eine vieldeutige Grimasse zog, dann nickte. »Bessere
Hackprogramme als unsere gibts nicht.«
»Schön«,
meinte Seidel und strich sich nicht existente Krümel vom Jackett,
»dann geben wir jetzt eine Pressekonferenz? Und geben uns
siegessicher?«
»Ja«, bestätigte
Nabel. »Danach Feierabend.«
Die Pressekonferenz verlief
chaotisch. Seidel machte sich wichtig und tat so, als wäre der Täter
praktisch überführt, man müsse nur den »elektrischen
Zugang« zu Kistners
PC nachverfolgen, was eine
Sache von Stunden, höchstens Tagen sei. Nabel mußte ihm vor
allen Leuten widersprechen, um die Polizei nicht als völlig verblödet
dastehen zu lassen, es gebe schließlich Programme, mit deren Hilfe
man den Zugang zum Internet zumindest stark verschleiern, sogar, praktisch
gesehen, anonymisieren könne. Bei der Aufklärung würde es
sich also mehr um Wochen als um Tage oder Stunden handeln, aber man habe
eine klare Spur und verfolge diese konsequent.
Ein Vertreter des Kälberjournals
wollte wissen, ob es stimme, daß Kistner sich zweimal mit einem
Polizisten getroffen habe, davon einmal zur Tatzeit.
»Nein, das ist so nicht
richtig.«
Frau Hagenbeck hatte natürlich
geplaudert, wie nicht anders zu erwarten. Nabel dachte, daß die
Polizeiarbeit um einiges einfacher wäre, wenn es nur Ermittler, Täter
und Opfer gäbe. Und nicht so viele mitteilungsbedürftige Zaungäste.
Lidia fuhr ihn heim. Beide
waren derart geschafft, daß während der Fahrt keinerlei
Smalltalk zustande kam. Als er ausstieg, sagte Lidia: »Du warst
heute richtig gut.«
Den Satz nahm Nabel wie einen
Bund roter Rosen mit hinauf in seine Wohnung. Ohne noch ein auch nur
kleines Gläschen Wein zu trinken, fiel er ins Bett.
Beim Einschlafen dachte er
daran, daß im Grunde nichts erreicht war, nur ein Ansatz war
gegeben. Alles so kompliziert. Aber, und das war sein letzter Gedanke,
bevor der Schlaf ihn überkam – umso komplizierter alles
scheint, desto einfacher ist es meist. Naja. Manchmal.
8
Die Schlagzeilen anderntags
fielen fast so verheerend aus, wie Seidel befürchtet hatte.
Toter Starreporter von
Polizei
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