fragen, bei welcher Gelegenheit sie denn
jemals soviel Bargeld bei sich tragen würde.
»Wie bitte?« Die
Gräfin, die noch vor nicht allzu vielen Jahren kaum in der Lage
gewesen wäre, im KaDeWe ohne seelische Not auch nur einen Bleistift
zu erwerben, stemmte in eher unaristokratischem Gestus beide Fäuste
in die Hüften. Ihr Gesichtsausdruck war mit nahezu fassungslos zu
umschreiben. Sie höre wohl nicht recht, was er sich einbilde, er
solle sich hüten, mit ihr zu reden wie mit dem Geschmeiß auf
der Straße. Pfeifer versuchte, abzuwiegeln, er habe das so nicht
gemeint, auf keinen Fall, sie möge sich bitte beruhigen, er zweifle
nicht an ihrer Liquidität. Aber letztere Feststellung schien die Gräfin
nur noch mehr zu erbosen, sie nannte Pfeifer einen kläffenden Hund,
der anscheinend vergessen habe, wo seine Hütte sei.
»Bitte, Anita …«
»Für Sie immer
noch Frau Gräfin! Wagen Sies nicht noch einmal, mich beim Vornamen
anzusprechen! Soweit kams einmal und nie wieder!«
Der völlig verdatterte
Pfeifer wußte nicht, wie ihm geschah. Diese Frau brachte das Kunststück
fertig, sich gleich einer Wahnsinnigen zu echauffieren, ohne deshalb mit
wilden Bewegungen oder zu großer Lautstärke Aufsehen zu
erregen. Das Hysterische vermittelte sich einzig durch die Bewegung ihrer
Augen und der rotgeschminkten Lippen Sie wirkte zugleich außer sich
und dabei doch völlig kontrolliert, fast steif.
Er sei nicht länger vonnöten,
ließ ihn die Gräfin wissen, sie werde fortan selbst mit Ümal
reden, und jetzt solle er ihr aus den Augen gehen, aber plötzlich,
ansonsten sie ihn hochgehen lasse. Sprachs und ließ Pfeifer stehen,
drehte sich um, warf mit geübtem Schwung ihr Pradahandtäschchen
vom Bauch auf den Rücken und stolzierte davon. Pfeifer fühlte
sich nicht mehr mächtig, nur mißbraucht und gelinkt, aber
irgendwie, als die Demütigung nach Stunden langsam abklang, auch
erleichtert.
7
Wie sollte man das gegenüber
der Presse behandeln? Nabel bat Frau Hagenbeck um absolute Diskretion.
Gegen 15 Uhr erreichte er die wiedererwachte Lidia und bat sie dringend in
den Verlag, nicht so sehr, weil er sie brauchte, sondern weil er die
beispiellose Angelegenheit gewissermaßen mit ihr teilen wollte.
»Also, Frau Hagenbeck,
nochmal: Sie sagen, Sie haben ein Mail erhalten. Absender:
[email protected]. Ahmed, hast du dieses Mail verschickt?«
»Nein, natürlich
nicht, Chef.«
»Ich nehme an, es gibt
nicht allzu viele Müller-Dogans in dieser Republik. Daß es sich
um einen Namensvetter handelt, kann wohl ausgeschlossen werden. Weiterhin
nehme ich an, daß sich jeder unter dem Namen Müller-Dogan bei
gmx.de anmelden darf, ohne daß da irgend etwas nachgeprüft
wird.«
»Klar, Chef.«
Der Fall nahm eine brisante
Wendung. Eine sehr brisante.
»Frau Hagenbeck, würden
Sie uns einen Moment entschuldigen?«
»Bitte sehr!« Die
schon über fünfzigjährige, dickliche und resolut wirkende
Frau blieb auf ihrem Drehstuhl sitzen. Stille Tränen kullerten aus
ihren Augwinkeln.
»Ich meine, würden
Sie so freundlich sein und das Zimmer für einen Moment verlassen? Wir
rufen Sie dann wieder herein. Und bitte: Keine Äußerungen gegenüber
der Presse.«
Frau Hagenbeck räumte
ihren Arbeitsplatz nur unter Seufzen, Schluchzen und Murren; gerade als
sie das Zimmer verließ, trat Lidia durch die Tür.
Nabel erklärte ihr mit
wenigen Worten den jüngsten Stand der Dinge, behandelte sie ansonsten
wie eine Zuspätgeborene, der das Entscheidende leider entgangen war.
Insgeheim, also sehr tief in seinem Inneren, war er wütend, weil
Lidia ihre Telefone, Festnetz wie Handy, ausgesteckt bzw. ausgeschaltet
und ihn im Stich gelassen hatte.
»Ahmed, denk nach: Der
Mörder hat dich bzw. deinen Namen dazu benutzt, Kistner an den Tatort
zu locken. Wie kann das sein?«
»Jemand muß uns
zusammen gesehen haben«, schlug Ahmed kleinlaut vor.
»Unwahrscheinlich, aber
nicht völlig unmöglich. Ich meine, daß euch irgendwer
zusammen sieht, ist nicht unwahrscheinlich, aber ausgerechnet der Mörder?
Es sei denn, er hätte Kistner oder dich observiert.«
»Naja«, stotterte
Achmed, »für mich ergibt das Sinn. Der Killer hatte Kistner auf
dem Kieker, weil der ihn zur Sau gemacht hat, er hat ihn beobachtet und
verfolgt und hat mich mit ihm zusammen gesehen. Und dann – dann hat
er dieses Mail