Aussortiert
geschrieben, dessen Text geschickt gewählt ist, finde
ich. Es macht neugierig, ganz unabhängig davon, wie unser erstes
Gespräch verlaufen ist.«
»Woher«, warf
Lidia ein, »wußte er deinen Namen?«
»Hmm. Vielleicht hat er
danach mich verfolgt.«
Lidia und Nabel sahen sich an
und zogen Fratzen.
»Das ist ne Räuberpistole.«
Nabel tat den Vorschlag ab.
»Es sei denn«,
meinte Lidia, »der Mörder hat Ahmed gekannt. Das ist nicht völlig
unwahrscheinlich. Wenn er schon mal mit dem Gesetz zu tun hatte, kann es
sein, daß …«
»Jaja, kann sein. Aber
ein großer Zufall wäre es doch.«
»Hmm.«
»Hmm.«
Ein paar Minuten lang
herrschte intensives Schweigen im Raum. Dann schnalzte Nabel mit der Zunge
und ließ Frau Hagenbeck wieder hereinkommen und Platz nehmen.
Ob Kistner das Treffen mit
Herrn Müller-Dogan irgendwo notiert habe?
Selbstverständlich, Herr
Kistner habe streng Buch geführt und sich jede Taxiquittung bezahlen
lassen.
»Hat er das schriftlich
gemacht?«
»Wie soll man denn
sonst Buch führen?« Die arme Frau begann erneut zu weinen und
entschuldigte sich mit Gesten für ihren zu unwirsch geratenen
Einwand.
»Jaja, schon gut, ich
meine: in welcher Form schriftlich? Handschriftlich, getippt, PC?«
»Er hat mir das
diktiert, nicht wahr, und wenn ich Zeit dazu hatte, hab ichs in den PC
getippt.«
»Und? Hatten Sie die
Zeit?«
»Ja, sicher.«
»Würden Sie uns
das einmal zeigen? Die Datei?«
Frau Hagenbeck zögerte,
dann tippte sie das Paßwort ein, so schnell, daß ihren Fingern
kein Auge folgen konnte. »Hier bitte: sein persönlicher Ordner
mit Terminplan.«
»Verzeihung: Sagen Sie
mir das Paßwort bitte?«
»Muß ich das?«
»Ja, das müssen
Sie.«
Frau Hagenbeck setzte einen
Blick auf, als habe man von ihr gefordert, den Toten posthum zu verstümmeln.
»Also gut: Samantha. Er
stand früher mal auf Samantha Fox, wissen Sie …«
»Er hatte bestimmt aber
auch eine noch persönlichere Datei, zu der nur er selbst das Paßwort
wußte?«
»Ja, wahrscheinlich. Da
kann ich Ihnen allerdings nicht weiterhelfen. Dieses Paßwort hat er
mit ins Grab genommen.«
»Vorerst nur in die Kühlkammer.«
»Was?«
»Nichts. Frau
Hagenbeck, halten wir fest: Es gibt eine Datei, mit Paßwort
Samantha, da steht der Name Ahmed Müller-Dogan drin.«
»Ja.«
Nabel telefonierte mit dem
Revier und ließ zwei Leute kommen, die Kistners beschlagnahmten PC
abholen sollten. Dies rief bei der dicklichen Frau harsche Proteste
hervor. Ihr wachsgelbes Gesicht verfärbte sich tiefrot, sie hämmerte
mit Fäusten auf den Schreibtisch.
»Das dürfen Sie
nicht! Sowas geht gegen die, die Presse-, die Journalisten-, die
Gedankenfreiheit, was auch immer.«
Nabel schüchterte die
Dame ein. »Doch, liebe Frau, bei ermordeten Journalisten dürfen
wir das.«
»Ich werde dies auf
jeden Fall umgehend in der Chefetage melden. Umgehend.«
»Bitte sehr. Vielen
Dank für Ihre Hilfe. Ich bin sicher, daß Sie ebenso an der
Aufklärung des Falles interessiert sind wie wir. Oder etwa nicht?«
»Werden Sie nicht
gemein, Sie …«
Nabel wartete, bis die beiden
Beamten eingetroffen waren. Frau Hagenbeck telefonierte derweil mit dem
Ressortchef und erklärte ihm die Lage. Er kam sofort und entschied,
daß die Polizeiarbeit durch nichts behindert werden solle. Fortan
gab die nun wieder wachsgelbe Dame, wenn auch tief beleidigt, Ruhe. Bevor
sie weinend zusammenbrach und Klagelaute ausstieß, die wer weiß
welches Tier nachzuahmen versuchten.
Abends gab es eine
Besprechung, zu der auch Seidel stieß, mit durchgeschwitzem Hemd,
sichtlich erregt und verwirrt. Man mußte ihm alles zweimal erklären.
Bisher hatte es keine Pressekonferenz gegeben, und die Medienvertreter
lungerten wie Zombies um das Revier.
Nabel blühte zusehends
auf und sprach davon, daß der Mörder einen Fehler begangen
habe, daß man endlich in die Phase der Vorwärts-Ermittlung
eingetreten sei. Das könne man der Presse mitteilen, auf Details
solle man vorerst verzichten. Der Tod des Kolumnisten war sogar der
Tagesschau anderthalb Minuten Sendezeit wert.
Seidel schien überaus
nervös. Kistners tragisches Ende sei schließlich eine Folge der
Kontaktaufnahme durch Ahmed gewesen, man müsse schwer aufpassen, daß
hier keine seltsamen Gerüchte entstünden, er sehe die
Schlagzeile schon vor sich: Was hat die Polizei zu
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