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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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ihren Staranwalt Dr. Kessler aufs Revier, der darauf hinwies, daß
     die persönlichen Aufzeichnungen Jimmy Kistners, wo sie in keiner
     Verbindung zum Mordfall stünden, höchster Diskretion unterliegen
     und nach Sichtung unter Verschluß bleiben müßten. Da ein
     Testament fehlte, war es nicht leicht, einen Rechtsnachfolger zu
     ermitteln. Kessler argumentierte, die Dateien, sofern sie sich auf dem Bürocomputer
     von Kistner befänden, seien Eigentum der Schweinezeitung. Sie den Behörden
     zu überlassen sei reine Kulanz, die keinesfalls ausgenutzt werden dürfe.
     Der Chefredaktion schwante wohl, welcher Vorrat an Dreck hier in zwanzig
     Jahren angesammelt worden war. Kessler hatte Angst, ein korrupter Polizist
     könne Material Kistners an ein Konkurrenzblatt verticken, das sagte
     er zwar nicht in diesen Worten, er drückte sich diplomatischer aus:
     »… wollen wir, daß der Zugang zu den Dateien wenigen
     bewährten und vertrauenswürdigen Beamten vorbehalten bleibt.«
    Nabel beruhigte ihn. Es gebe
     hier nur bewährte und vertrauenswürdige Beamte, für die er
     beide Hände und Füße ins Feuer legen könne.
    Die Aussprache mit Lidia
     schob er ein paar Stunden vor sich her, dann nahm er sich ein Herz und
     Lidia bei der Hand, schloß die Bürotür und schnaufte tief
     durch.
    »Mädchen.«
    »Mann?«
    »Es gibt ein Problem. Würdest
     du mir helfen?«
    »Wo ich kann.«
    »Setz dich. Sag mir
     bitte, ob und wenn welche Verbindungen du zu Kistner hattest.«
    Lidia reagierte nachdenklich,
     sah zur Zimmerdecke, kratzte sich an der Wange.
    »Ich hab manchmal seine
     Kolumne gelesen.«   
    »Überleg noch mal.«
    »Okay … ich
     überlege. Nein, da ist nichts weiter, Kai, was willst du?« Sie
     beugte sich vor, das Kinn auf den Handrücken gestützt. Das gehörte
     nicht gerade zum Gestenkatalog von jemandem, der sich ertappt fühlt
     oder beengt. Aber das wußte sie selbst natürlich viel besser
     als er.
    »Ich habe gestern in
     den Ausdrucken eine Liste gefunden und weiß nicht, was sie bedeutet.
     Dein Name taucht darin auf. Gut, nicht dein ganzer Name, aber Lidia R.
     KOK, ich gehe davon aus, daß du das bist.«
    »Davon habe ich keine
     Ahnung, Kai, ehrlich. Wenn ich lüge, will ich dich heiraten.«
    Nabel mußte grinsen und
     gab die strenge Haltung auf, zu der er sich gezwungen hatte.
    »Also schön, hier
     ist die Liste, erklär mir das bitte.«
    Lidia sah sich die Liste an,
     lange, schweigend. Hinter manchen Namen standen Datumsangaben. Hinter
     ihrem eigenen nicht.
    »Ich muß passen.
     Sorry.«
    »Streng dich an, Mädchen.«
    »Tu ich, Mann.«
    Für einen Moment kippte
     die Stimmung ins Unangenehme. Plötzlich kam Nabel sich arrogant vor,
     seine Kollegin einem Verdacht auszusetzen, der, näher betrachtet, auf
     nichts gründete als einigen Abkürzungen.
    »Die Datei ist überschrieben
     mit T. V. B. T. Was kann das sein?«
    »Weiß ichs? TV
     Berlin, Türkenkanal. Keinen Schimmer.«
    »Krüge. Was sagt
     dir das?«
    »Gehen so lange zum
     Brunnen, bis sie brechen?«
    »Naja …«
    »Warte mal. Kai.«
    »Was?«
    »Schau mal«
    Lidia zeigte auf einen
     Eintrag. David P. PM.
    »Ich kenne einen David
     P. Polizeimeister.«
    »Wer ist das?«
    Lidia setzte ein gequältes
     Gesicht auf. »Behältst du das für dich?«
    »Solang es irgendwie
     geht, Lidia.«
    »Das ist wirklich nicht
     leicht für mich, Kai, David ist in Ordnung, bitte, du mußt mir
     das glauben …«
    »Ich glaube dir alles,
     du mußt mich nur überzeugen.«
    »David hat mir mein
     Koks geliefert. Können wir seinen Nachnamen da raushalten? Bitte, ich
     sehe hier lauter Abkürzungen für Prominente. Ein Kreuz dahinter
     bedeutet vielleicht, daß derjenige tot ist, ein c könnte für
     clean stehen, Kai, das ist eine Liste von Drogenkonsumenten. Ich weiß
     wirklich nicht, wie Kistner von mir erfahren hat, ehrlich, bitte, glaub
     mir, was wir hier besprechen, kann mich meinen Job kosten, ich häng
     an meinem Job, ich würde dir alles sagen, alles, was ich weiß,
     nur, bitte, vertrau mir!«
    Nabel sank tief in seinen
     Sessel und war einen Moment lang nicht mehr Herr seiner selbst, so sehr
     hatte ihn Lidias Flehen berührt, einerseits pathetisch, andererseits
     fast peinlich. Er stand vor der Entscheidung, Lidia zu vertrauen oder, ein
     für alle Mal, die Dinge zu trennen, die Dienstpflicht von der Liebe
     und die Berufsauffassung vom Gefühl. Konnte es sein, daß Lidia
     verlogen und rücksichtslos war? Nabel kämpfte darum,

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