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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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neuem.
    Am nächsten Morgen
     besuchte Nabel das Kriminalchemische Institut Kreuzberg, wo beschlagnahmte
     Rauschgifte gewogen, in ihrer Zusammensetzung bestimmt und für die
     Endlagerung verpackt und versiegelt wurden. Das Labor befand sich im
     ersten Stock eines ehemaligen Fabrikgebäudes an der Urbanstraße,
     ein in sich abgeschlossener Trakt, dessen Eingang videoüberwacht
     wurde. Man mußte im Aufzug einen sechsstelligen Zifferncode
     eingeben, damit sich oben die Stahltür öffnete. Im Labor
     arbeiteten derzeit fünf Chemiker, Zugang hatten sonst nur hohe Beamte
     des Drogendezernats. Leibesvisitationen am Ausgang gab es hier nicht. Im
     Erdgeschoß sorgten einige Polizisten dafür, daß man den
     Lift zum ersten Stock nur mit der nötigen Legitimation betreten
     durfte. Ein bewaffneter Überfall schien Nabel aussichtslos, ein
     Unterschleif von innen her dagegen möglich. Zwar wurde auch das Labor
     selbst videoüberwacht, doch existierten tote Winkel, die keine der
     beiden Kameras einfingen. Der Institutsleiter Dr. Fischer gab prompt zu,
     daß es in jedem System Freiräume gebe, in denen die
     Observierungsmöglichkeiten begrenzt seien. Manches könne eben
     nur auf der Basis des Vertrauens funktionieren, oder, wie er es
     metaphorisch ausdrückte, jede Schlange könne in ihren Schwanz
     beißen, aber nie in den eigenen Nacken.
    Nabel wollte nicht plump
     danach fragen, aber im weiteren Gesprächsverlauf wurde auch so
     deutlich, daß er hier auf einen wunden Punkt gestoßen war. Die
     Chemiker hätten sich jederzeit einen kleinen Teil des beschlagnahmten
     Stoffes in die eigenen Nasen ziehen können. Größere Teile
     aus dem Gebäude zu schmuggeln schien ebenfalls nicht völlig unmöglich,
     wenn auch sehr riskant. Dafür sorgte im Erdgeschoß ein Hund der
     Drogenstaffel, an dem alle, die das Gebäude verließen, vorbeimußten.
     Nabel lächelte, als er das hörte, andererseits fiel ihm kein
     besserer Überwachungsschutz ein. Und er mußte wieder lächeln,
     weil alle noch so ausgefeilte Technik in diesem Falle bislang nicht fähig
     gewesen war, tierischen Spürsinn zu ersetzen.
    Dr. Fischer, ein
     kleingewachsener mittelalter Mann mit perlgrauem Haar und verkrümmtem
     Rücken zeigte Nabel die verschiedenen Wannen, in denen beschlagnahmte
     Drogen, leichte und harte, auf ihre Analyse warteten, oft sehr geringe
     Mengen, dann wieder kiloschwere Pakete. Fischer war ein zotiger Mensch,
     erzählte von den Zuständen etwa in New York, wo kolumbianische
     Drogenkuriere pro Flug bis zu 120 Kondome voller Koks im Magen
     transportieren.
    »Wenn die am Flughafen
     erwischt werden, müssen sie ihre Lieferung unter polizeilicher
     Aufsicht ausscheißen, das ist brutal. Für beide Seiten, nicht?
     Nach Europa kommt das meiste Zeug über die Niederlande rein, auch
     das, was am Ende die Türken hier verticken. Die Niederlande sind der
     perfekte Umschlagplatz. Die kassieren und geben die Ware weiter. Sehr,
     sehr bequem.«
    »Sind Sie sauer auf die
     Niederländer?«
    »Ach was. Die
     garantieren mir meinen Arbeitsplatz.«
    Im Frühjahr, als man
     dreihundert Kilo Koks im Maschinenraum unter dem Friedrichshainer
     Riesenrad beschlagnahmt hatte, der größte Fang in Berlin überhaupt,
     da habe man von der Universität weitere Chemiker entleihen müssen,
     es habe ja gegolten, den reinen Kokaingehalt zu bestimmen, eine
     Heidenarbeit sei das gewesen. Die Leute, die hier arbeiteten, würden
     nach Sondertarif bezahlt, sehr großzügig, bislang sei es nie zu
     einem protokollierten Fehlverhalten gekommen. Dr. Fischer bemühte
     sich, den Kommissar für die Gerätschaften zu interessieren, die
     anscheinend besonders raffiniert, auf neuestem technischen Stand sein mußten,
     aber Nabel hatte sich schon in der Schule nie für Chemie erwärmen
     können, er ließ sich stattdessen eine Liste der Angestellten
     geben, auch jener Leihkräfte vorn Frühjahr. Dr. Fischer
     kollaborierte in geradezu vorbildlicher Weise, man konnte sich über
     ihn wirklich nicht beschweren.
    Als Nabel auf die Urbanstraße
     hinaustrat, faßte er für sich zusammen, daß kleinere
     Schweinereien wohl irgendwie möglich waren, größere aber
     eines Tricks bedurft hätten, auf den er aus dem Stand heraus nicht
     kam. Vor alle Fenster war dünner Maschendraht gespannt, es führte
     vom Labor kein heimlicher Weg ins nächste Stockwerk, sogar die
     Luftschächte waren plombiert worden. Kurz gesagt, die Exkursion
     verlief alles in allem

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