Aussortiert
neuem.
Am nächsten Morgen
besuchte Nabel das Kriminalchemische Institut Kreuzberg, wo beschlagnahmte
Rauschgifte gewogen, in ihrer Zusammensetzung bestimmt und für die
Endlagerung verpackt und versiegelt wurden. Das Labor befand sich im
ersten Stock eines ehemaligen Fabrikgebäudes an der Urbanstraße,
ein in sich abgeschlossener Trakt, dessen Eingang videoüberwacht
wurde. Man mußte im Aufzug einen sechsstelligen Zifferncode
eingeben, damit sich oben die Stahltür öffnete. Im Labor
arbeiteten derzeit fünf Chemiker, Zugang hatten sonst nur hohe Beamte
des Drogendezernats. Leibesvisitationen am Ausgang gab es hier nicht. Im
Erdgeschoß sorgten einige Polizisten dafür, daß man den
Lift zum ersten Stock nur mit der nötigen Legitimation betreten
durfte. Ein bewaffneter Überfall schien Nabel aussichtslos, ein
Unterschleif von innen her dagegen möglich. Zwar wurde auch das Labor
selbst videoüberwacht, doch existierten tote Winkel, die keine der
beiden Kameras einfingen. Der Institutsleiter Dr. Fischer gab prompt zu,
daß es in jedem System Freiräume gebe, in denen die
Observierungsmöglichkeiten begrenzt seien. Manches könne eben
nur auf der Basis des Vertrauens funktionieren, oder, wie er es
metaphorisch ausdrückte, jede Schlange könne in ihren Schwanz
beißen, aber nie in den eigenen Nacken.
Nabel wollte nicht plump
danach fragen, aber im weiteren Gesprächsverlauf wurde auch so
deutlich, daß er hier auf einen wunden Punkt gestoßen war. Die
Chemiker hätten sich jederzeit einen kleinen Teil des beschlagnahmten
Stoffes in die eigenen Nasen ziehen können. Größere Teile
aus dem Gebäude zu schmuggeln schien ebenfalls nicht völlig unmöglich,
wenn auch sehr riskant. Dafür sorgte im Erdgeschoß ein Hund der
Drogenstaffel, an dem alle, die das Gebäude verließen, vorbeimußten.
Nabel lächelte, als er das hörte, andererseits fiel ihm kein
besserer Überwachungsschutz ein. Und er mußte wieder lächeln,
weil alle noch so ausgefeilte Technik in diesem Falle bislang nicht fähig
gewesen war, tierischen Spürsinn zu ersetzen.
Dr. Fischer, ein
kleingewachsener mittelalter Mann mit perlgrauem Haar und verkrümmtem
Rücken zeigte Nabel die verschiedenen Wannen, in denen beschlagnahmte
Drogen, leichte und harte, auf ihre Analyse warteten, oft sehr geringe
Mengen, dann wieder kiloschwere Pakete. Fischer war ein zotiger Mensch,
erzählte von den Zuständen etwa in New York, wo kolumbianische
Drogenkuriere pro Flug bis zu 120 Kondome voller Koks im Magen
transportieren.
»Wenn die am Flughafen
erwischt werden, müssen sie ihre Lieferung unter polizeilicher
Aufsicht ausscheißen, das ist brutal. Für beide Seiten, nicht?
Nach Europa kommt das meiste Zeug über die Niederlande rein, auch
das, was am Ende die Türken hier verticken. Die Niederlande sind der
perfekte Umschlagplatz. Die kassieren und geben die Ware weiter. Sehr,
sehr bequem.«
»Sind Sie sauer auf die
Niederländer?«
»Ach was. Die
garantieren mir meinen Arbeitsplatz.«
Im Frühjahr, als man
dreihundert Kilo Koks im Maschinenraum unter dem Friedrichshainer
Riesenrad beschlagnahmt hatte, der größte Fang in Berlin überhaupt,
da habe man von der Universität weitere Chemiker entleihen müssen,
es habe ja gegolten, den reinen Kokaingehalt zu bestimmen, eine
Heidenarbeit sei das gewesen. Die Leute, die hier arbeiteten, würden
nach Sondertarif bezahlt, sehr großzügig, bislang sei es nie zu
einem protokollierten Fehlverhalten gekommen. Dr. Fischer bemühte
sich, den Kommissar für die Gerätschaften zu interessieren, die
anscheinend besonders raffiniert, auf neuestem technischen Stand sein mußten,
aber Nabel hatte sich schon in der Schule nie für Chemie erwärmen
können, er ließ sich stattdessen eine Liste der Angestellten
geben, auch jener Leihkräfte vorn Frühjahr. Dr. Fischer
kollaborierte in geradezu vorbildlicher Weise, man konnte sich über
ihn wirklich nicht beschweren.
Als Nabel auf die Urbanstraße
hinaustrat, faßte er für sich zusammen, daß kleinere
Schweinereien wohl irgendwie möglich waren, größere aber
eines Tricks bedurft hätten, auf den er aus dem Stand heraus nicht
kam. Vor alle Fenster war dünner Maschendraht gespannt, es führte
vom Labor kein heimlicher Weg ins nächste Stockwerk, sogar die
Luftschächte waren plombiert worden. Kurz gesagt, die Exkursion
verlief alles in allem
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