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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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enttäuschend.
    Lidia paßte David
     Pfeifer um halb acht Uhr morgens vor seiner Haustür ab. Der reagierte
     reichlich erstaunt, er zuckte regelrecht zusammen. Kurz dachte Lidia, sie
     habe in seinem Blick die Angst gesehen, verhaftet zu werden. »Lidia?
     Was willst du?«
    »Ich brauch nen kleinen
     Nachschlag. Mir wächst die Arbeit übern Kopf, ich schaffs
     einfach nicht ohne.«
    »Ich schon. Ich hab
     aufgehört mit dem Scheiß.«
    »Bitte, David!«
    »Ich hab nix. Kannst
     mich durchsuchen.« Pfeifer setzte ein leicht obszönes Grinsen
     auf, als er den Vorschlag machte.    
    Lidia probierte es mit weit
     offenen, flehenden Augen. Überraschenderweise half das rein gar
     nichts. Pfeifer ließ sie einfach stehen, trottete an ihr vorbei und
     hob bedauernd die Schultern. Lidia überlegte, ob sie ihm Avancen
     erotischer Art machen sollte, dazu durchringen konnte sie sich jedoch
     nicht.
    Mit dem peinigenden Gefühl,
     versagt zu haben, fuhr sie zur Arbeit ins Büro. Sie hatte in ihren
     Augen weniger als Kriminalistin denn als Frau versagt, das setzte ihr zu.
     Obwohl sie beruflich niemals, ums bloße Verrecken nicht, das hübsche
     Fräulein hatte geben wollen, um etwas zu erreichen, kam sie sich nun
     einfach nur unprofessionell vor.

 
    13
    Die Feste Burg, ein
     altgedienter Techno-Club in Mitte, hatte ihre guten Tage hinter sich. Jörg
     Claassen, der Betreiber des Clubs, dachte schon seit einiger Zeit daran,
     das verbliebene Häuflein Techno-Jünger gegen eine neue Klientel
     zu ersetzen und wieder das Disco-Stroboskop aus der Rumpelkammer zu holen.
     Es schien ihm verführerisch profitabel, auf die Retro-Welle
     aufzuspringen, schließlich wurde wieder viel auf Musik einheimischer
     Bands getanzt, der unverwüstliche Gitarrenpop mit Melodie, Refrain
     und Frontfrau feierte späte Triumphe. Die Technos soffen auch viel zu
     wenig, brachten stattdessen Ecstasy mit und tanzten stundenlang, ohne erwähnenswert
     zu konsumieren. Die Eintrittspreise weiter zu erhöhen war nicht mehr
     möglich, voll wurde der einst legendäre Club nur noch an
     Samstagen, prompt kam für ein paar Stunden die altgewohnte Stimmung
     auf, mit einem Schuß Wehmut durchsetzt. Heute war Samstag, und
     Claassen schwelgte in der Nostalgie vergehenden oder schon vergangenen
     Ruhms. Feste Burg ist unser Gott stand auf seinem vom vielen Waschen
     ausgemergelten T-Shirt. Er schenkte sich einen kleinen Whisky ein und sah
     auf die Tanzfläche hinab. Eben hatte DJ Pulver höchstpersönlich
     die Regentschaft über die drei Plattenspieler übernommen und
     peitschte die Kundschaft in Derwischtrance, bei gesundheitsgefährdender
     Lautstärke. DJ Pulver war gut und teuer, die Lichtanlage sowieso. Die
     Kundschaft schien begeistert, erneut haderte der Clubbetreiber damit, sich
     zum krassen Umbruch zu entschließen. Er dachte daran, wieviel Geld
     er mit dem Laden mal verdient hatte und wie wenig inzwischen dabei
     raussprang. Andererseits war er kein Gierhals, konnte durchaus sentimental
     werden und sich seinem Ruf und seiner Klientel verpflichtet fühlen.
     Claassen betrachtete vom Büro durch eine Art Bullauge die Tänzer
     und sinnierte hin und her. Der Club war eine Legende, aber auch Legenden
     altern, alles wird vergessen mit der Zeit.   
    Und doch – genügte
     es nicht, wenn einige Menschen eine Weile lang voller Wehmut und
     Dankbarkeit – Ausgerechnet in diesem schönen Moment ging im
     Saal das Licht an, die Musik wurde brutal abgewürgt, die Tänzer
     erwachten in die Stille hinein wie aus tiefstem Schlaf gerissen,
     reagierten mit haßerfüllten Flüchen und spastischen
     Zuckungen, wie um eine nicht mehr vorhandene Musik herbeizubefehlen. Die
     Tanzfläche war binnen Sekunden von zwanzig Mann Polizei umstellt.
     Claassen kippte den Whiskey hinunter. Eine Razzia am Samstagabend war
     ungewöhnlich. Es hatte jahrelang eine stille Übereinkunft
     geherrscht zwischen dem Club und den Cops, während der
     Haupteinnahmezeiten einander nicht in die Parade zu fahren. Anscheinend
     wurden die Zeiten rauher. Claassen schlug mit der Faust auf den
     Schreibtisch und warf sich entnervt in seinen Drehsessel. An diesem Abend
     würde im Club keine Stimmung mehr aufkommen, keine Chance.
    Die Gäste wurden einzeln
     durchsucht. Weil es sich um eine Routinekontrolle ohne schweren
     Verdachtsmoment handelte, durften nur die aufgehängte Garderobe sowie
     die Taschen der Oberbekleidung kontrolliert werden, nicht etwa Unterwäsche
     und

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