Aussortiert
enttäuschend.
Lidia paßte David
Pfeifer um halb acht Uhr morgens vor seiner Haustür ab. Der reagierte
reichlich erstaunt, er zuckte regelrecht zusammen. Kurz dachte Lidia, sie
habe in seinem Blick die Angst gesehen, verhaftet zu werden. »Lidia?
Was willst du?«
»Ich brauch nen kleinen
Nachschlag. Mir wächst die Arbeit übern Kopf, ich schaffs
einfach nicht ohne.«
»Ich schon. Ich hab
aufgehört mit dem Scheiß.«
»Bitte, David!«
»Ich hab nix. Kannst
mich durchsuchen.« Pfeifer setzte ein leicht obszönes Grinsen
auf, als er den Vorschlag machte.
Lidia probierte es mit weit
offenen, flehenden Augen. Überraschenderweise half das rein gar
nichts. Pfeifer ließ sie einfach stehen, trottete an ihr vorbei und
hob bedauernd die Schultern. Lidia überlegte, ob sie ihm Avancen
erotischer Art machen sollte, dazu durchringen konnte sie sich jedoch
nicht.
Mit dem peinigenden Gefühl,
versagt zu haben, fuhr sie zur Arbeit ins Büro. Sie hatte in ihren
Augen weniger als Kriminalistin denn als Frau versagt, das setzte ihr zu.
Obwohl sie beruflich niemals, ums bloße Verrecken nicht, das hübsche
Fräulein hatte geben wollen, um etwas zu erreichen, kam sie sich nun
einfach nur unprofessionell vor.
13
Die Feste Burg, ein
altgedienter Techno-Club in Mitte, hatte ihre guten Tage hinter sich. Jörg
Claassen, der Betreiber des Clubs, dachte schon seit einiger Zeit daran,
das verbliebene Häuflein Techno-Jünger gegen eine neue Klientel
zu ersetzen und wieder das Disco-Stroboskop aus der Rumpelkammer zu holen.
Es schien ihm verführerisch profitabel, auf die Retro-Welle
aufzuspringen, schließlich wurde wieder viel auf Musik einheimischer
Bands getanzt, der unverwüstliche Gitarrenpop mit Melodie, Refrain
und Frontfrau feierte späte Triumphe. Die Technos soffen auch viel zu
wenig, brachten stattdessen Ecstasy mit und tanzten stundenlang, ohne erwähnenswert
zu konsumieren. Die Eintrittspreise weiter zu erhöhen war nicht mehr
möglich, voll wurde der einst legendäre Club nur noch an
Samstagen, prompt kam für ein paar Stunden die altgewohnte Stimmung
auf, mit einem Schuß Wehmut durchsetzt. Heute war Samstag, und
Claassen schwelgte in der Nostalgie vergehenden oder schon vergangenen
Ruhms. Feste Burg ist unser Gott stand auf seinem vom vielen Waschen
ausgemergelten T-Shirt. Er schenkte sich einen kleinen Whisky ein und sah
auf die Tanzfläche hinab. Eben hatte DJ Pulver höchstpersönlich
die Regentschaft über die drei Plattenspieler übernommen und
peitschte die Kundschaft in Derwischtrance, bei gesundheitsgefährdender
Lautstärke. DJ Pulver war gut und teuer, die Lichtanlage sowieso. Die
Kundschaft schien begeistert, erneut haderte der Clubbetreiber damit, sich
zum krassen Umbruch zu entschließen. Er dachte daran, wieviel Geld
er mit dem Laden mal verdient hatte und wie wenig inzwischen dabei
raussprang. Andererseits war er kein Gierhals, konnte durchaus sentimental
werden und sich seinem Ruf und seiner Klientel verpflichtet fühlen.
Claassen betrachtete vom Büro durch eine Art Bullauge die Tänzer
und sinnierte hin und her. Der Club war eine Legende, aber auch Legenden
altern, alles wird vergessen mit der Zeit.
Und doch – genügte
es nicht, wenn einige Menschen eine Weile lang voller Wehmut und
Dankbarkeit – Ausgerechnet in diesem schönen Moment ging im
Saal das Licht an, die Musik wurde brutal abgewürgt, die Tänzer
erwachten in die Stille hinein wie aus tiefstem Schlaf gerissen,
reagierten mit haßerfüllten Flüchen und spastischen
Zuckungen, wie um eine nicht mehr vorhandene Musik herbeizubefehlen. Die
Tanzfläche war binnen Sekunden von zwanzig Mann Polizei umstellt.
Claassen kippte den Whiskey hinunter. Eine Razzia am Samstagabend war
ungewöhnlich. Es hatte jahrelang eine stille Übereinkunft
geherrscht zwischen dem Club und den Cops, während der
Haupteinnahmezeiten einander nicht in die Parade zu fahren. Anscheinend
wurden die Zeiten rauher. Claassen schlug mit der Faust auf den
Schreibtisch und warf sich entnervt in seinen Drehsessel. An diesem Abend
würde im Club keine Stimmung mehr aufkommen, keine Chance.
Die Gäste wurden einzeln
durchsucht. Weil es sich um eine Routinekontrolle ohne schweren
Verdachtsmoment handelte, durften nur die aufgehängte Garderobe sowie
die Taschen der Oberbekleidung kontrolliert werden, nicht etwa Unterwäsche
und
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