Aussortiert
Und was hab ich überhaupt
noch mit der Sache zu tun? Ich bin raus!«
Der Mann hinter dem Lenkrad
nickte mehrmals bedeutungsvoll. »Raus bist du wenn tot. Besser du
lernst kennen Murat und sagst, was ist los, klar? Du Scheisepolizist!«
Pfeifer hatte nicht die
Traute, zurückzufluchen. Er begriff nichts, außer daß
irgendwelche Dinge schwer aus dem Ruder gelaufen waren und ihn in eine
äußerst labile Position zwangen. Der Motor des Cabrios heulte
auf. Jetzt endlich war die Debatte beendet. Schluß machen, dachte
Pfeifer, einzige Konsequenz. Schluß machen und zurück in den
Alltag bei der Abteilung zwei A, und später, falls noch Dreck
nachkam, alles abstreiten. Die Alternative war, Schutz bei Ümal zu
suchen. Aber langsam und schmerzhaft wurde ihm bewußt, daß
niemand ihm je vertrauen würde, genauso wie ihn jetzt ja auch niemand
mehr brauchte. So war das, wenn man als Pionier in den Grauzonen, im
Niemandsland zwischen den Parteien unterwegs war. Man konnte allen nützlich
sein und blieb doch für jeden marginal, verdächtig und abkömmlich.
Wer war nur dieser Murat? Und
wie sollte er König um Auskunft bitten deswegen? Pfeifer flanierte,
nein, er taumelte über den nächtlichen Winterfeldtplatz. Seine Hände
in den Manteltaschen bebten, er riß sie vors Gesicht, faltete die
Finger ineinander und hob sie an die Stirn.
Sonntagmorgens, kurz vor
acht, klingelte das Telefon. Das geduldige, beharrliche Bimmeln riß
Nabel aus Schlaf und Tran. Er beschimpfte, während er durch den Flur
zum Hörer wankte und ihn hochhob, eine bis obenhin zugekackte Welt
und einen offensichtlich grausamen Gott. »Ja?«
»Nabel, sind Sie das?«
Die Stimme klang nicht völlig
unbekannt, aber keineswegs geläufig.
»Bin ich. Wer ist da?«
»König. Von zwei
A. Wir hatten neulich mal das Vergnügen. Tut mir leid für die frühe
Störung.«
Wie an allen Fäden in
Form gezogen, stand Nabel gerade, riß sich zusammen. König?
Den hatte er am nächsten
Tag besuchen wollen. Jetzt rief der Mensch bei ihm an? So zugekackt bis
obenhin die Welt auch war, für diverse Kapriolen schien sie noch gut.
»Was wollen Sie denn?«
»Ich hab hier etwas,
das für Sie sehr interessant sein müßte. Kommen Sie zu
mir?«
»Wann? Jetzt? Sofort?«
»Das wäre
angemessen, in der Tat. Wenn es Sie nicht zu sehr beansprucht.«
Nabel hatte zuviel
Restalkohol im Blut, um die Sottise als solche wahrzunehmen.
»In einer Stunde bin
ich da.«
Er legte den Hörer auf,
fühlte prompt das bohrende Bedürfnis, sich wieder hinzulegen.
Sein Leben kam ihm vertan vor, in Knechtschaft verbracht, in rostige
Ketten gelegt, aber vor den Fenstern wütete die Sonne eines neuen
Tages, mit allem Licht und allem Glanz, den ein früher September
jungen Tagen verleiht. So griff er mürrisch zur Zahnbürste und
schaufelte sich literweise eiskaltes Wasser über den Kopf. Den
Prosecco ließ er unberührt im Kühlschrank stehen und
bestellte ein Taxi. Langsam, ganz langsam wich seine Wut der Neugier.
Das Handy sonderte ein
Harfenarpeggio ab. Nummer unbekannt, meldete das Display.
»Ja?«
»Lidia? Hör zu!«
»Bist du das, David?«
»Hör zu! Bitte
komm nie wieder bei mir vorbei. Kapiert? Du bringst mich in
Schwierigkeiten damit und dich auch. Ich kann dir nicht mehr erzählen.
Komm nicht mehr bei mir vorbei, nie mehr. Tschau!«
»David? Hallo?«
Nabel betrat Königs Büro
nach einem kurzen, eher formellen Klopfen, ohne das Herein abzuwarten. König
stand auf, ging ihm drei Schritte entgegen.
»G’n Morgen,
Kollege. Tut mir leid, wirklich leid für die frühe Störung
am Sonntag. Aber vielleicht gibt es Grund zur Freude.«
Mißtrauisch nahm Nabel
die dargereichte Hand, ohne den festen Griff zu erwidern.
»Da bin ich aber
gespannt.«
»Wir haben gestern
einen Mann festgenommen. Er trug eine Pistole mit Schalldämpfer im Gürtel
über seinem Hintern. Eine Razzia in der Festen Burg. Kennen Sie den
Laden?«
»Dem Namen nach.«
»Bei der Durchsuchung
auf dem Revier fanden wir in seiner Hemdtasche einen Aufkleber.«
König machte eine
bedeutungsschwangere Pause.
»Ach was? Sie wollen
mir sagen …«
»Ja. Ganz genau. Lila
Tinte. Hier, ich hab ein Foto!« König nahm ein Polaroid von
seinem Schreibtisch und hielt es Nabel unter die Nase.
Zu zappelig, die Sau, für
Gott. Ruhe jetzt.
Nabel räusperte sich.
»Was ist das für ein
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