Aussortiert
Körperöffnungen. Jeder mußte seinen Personalausweis
vorzeigen. Die Unter-Sechzehnjährigen wurden, sofern sie außer
sich selbst sonst nichts Ungesetzliches bei sich hatten, ohne Tamtam und
Aufnahme der Personalien nach Hause geschickt. Auch geringe Funde von
Hasch und Ecstasy blieben ungeahndet. Das Drogendezernat, vielmehr der
Berliner Senat, hatte jüngst beschlossen, sich in Sachen Drogenbekämpfung
nur noch auf das Wesentliche zu konzentrieren und das Kroppzeug
durchrutschen zu lassen. Alles andere hätte zuviel Zeit und
Papierkram gekostet.
Plötzlich geriet Unruhe
in die Routine, Handschellen wurden gezückt. Einer der Gäste,
ein etwa dreißig Jahre alter Mann südländischen Genpools,
trug eine Pistole mit Schalldämpfer im Gürtel seiner Jeans. Eine
scharfe Waffe, geladen. Man nahm sie ihm ab und führte den
Verhandschellten hinaus, zum Wagen des Einsatzleiters. Der Mann hatte
keine Papiere bei sich, geschweige denn einen Waffenschein. Er weigerte
sich, seine Personalien abzugehen, blieb stumm und wurde aufs Revier
gebracht, wo er sich einer präzisen Kontrolle unterziehen mußte.
Alle ihm als Versteck zur Verfügung stehenden Körperöffnungen
mit eingeschlossen.
Pfeifer traf sich etwa zwei
Stunden nach jenem Ereignis mit einem Herrn von dunklem Teint, energischem
Kinn und athletischem Körperbau. Namentlich kannte er den Schrank
zwar nicht, über dessen Rang und Funktion hingegen war kein Zweifel möglich.
Man hatte Pfeifer telefonisch zum Winterfeldtplatz bestellt, und er war
der Einladung gefolgt, mit düsteren Befürchtungen. Dschanow
lehnte es seit neuestem als unter seiner Würde ab, weiter persönlich
mit dem kleinen Streifenpolizisten zu kommunizieren, stattdessen schickte
er nun einen seiner primitivsten Totschläger. Kein verheißungsvolles
Signal. Der keine dreißig Jahre alte Mann trug eine teure schwarze
Lederjacke, darunter ein weißes Hemd und am Mittelfinger einen Ring,
dessen scharfgeschliffener Saphir quasi eine Waffe war. Ums linke
Handgelenk wie um den straffen breiten Hals glitzerten Goldkettchen, was
als Klischee schon beinahe wieder ironisch wirkte, nur leider nicht so
gemeint war. Er saß da in seinem BMW-Cabrio am Straßenrand und
winkte Pfeifer wie eine Straßenhure zu sich, ließ ihn auf dem
Beifahrersitz Platz nehmen und schnaubte. Er gebrauchte keinerlei verständliche
Wörter irgendeiner Sprache, er schnaubte laut, um auf diese Weise der
Unterhaltung ein atmosphärisches Vorspiel zu geben und deren Gewicht
und Bedeutung zu untermalen. Pfeifer fühlte sich fast erleichtert,
hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, er wußte, wann etwas wirklich
bedrohlich und wann es nur Teil eines Showprogramms war. Hundertprozentig
sicher konnte er nicht sein, solche Jungs waren für Überraschungen
gut. Dieser hier schlug mit der Faust aufs Armaturenbrett und sprach plötzlich,
wenn auch leicht gebrochen, deutsch.
»Der Boß hat gehört
von Razzia. Was soll das? Wer ist dahinter?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Du willst sagen, hast
keine Ahnung? Wer befiehlt Razzia? Dein Boß König. Du weißt
nicht, was König befiehlt? Was bist du für eine Scheisepolizist,
wenn du nicht weißt, was König macht! Jetzt Murat ist in Gefängnis.
Zufall? Ach, Arschloch. Gib, was du weißt über Murat!«
»Ich kenne keinen
Murat.« Pfeifer sagte die Wahrheit. Er blickte absolut nicht durch,
zog aber ernsthaft in Erwägung, daß König vor ihm
Geheimnisse haben könnte.
»Ach Scheise. Wenn du
spielst doppelt, du bist tot, sofort. Alles klar?«
»Nein, gar nichts ist
klar.«
»Du tot, König tot
– und was ist diese Frau, da, heute morgen?«
Pfeifer zuckte. Dschanow ließ
ihn beobachten? »Das ist nur eine Bekannte, eine Kollegin. Hat gar
nichts mit der Sache zu tun.«
Der Goldkettenträger,
der während der gesamten Unterhaltung mit offenem Mund schmatzend
Kaugummi kaute, schlug Pfeifer ins Gesicht. Wenigstens nur mit der Innenfläche
seiner Hand, daran konnte Pfeifer sehen, daß noch Spielraum blieb.
»Was soll das? Ich bin
loyal. Sag das deinem Boß. Du kannst mich!«
Pfeifer entstieg dem BMW, war
aber nicht so dumm, davonzulaufen. Die Debatte war noch nicht beendet.
»Wenn du spielst
falsches Spiel und Murat auch – beide tot, sofort. Überleg dir
gut!«
»Verdammt!« rief
Pfeifer wütend in die Nacht und schmiß die Beifahrertür
zu, »Ich kenne diesen Murat nicht!
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