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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Körperöffnungen. Jeder mußte seinen Personalausweis
     vorzeigen. Die Unter-Sechzehnjährigen wurden, sofern sie außer
     sich selbst sonst nichts Ungesetzliches bei sich hatten, ohne Tamtam und
     Aufnahme der Personalien nach Hause geschickt. Auch geringe Funde von
     Hasch und Ecstasy blieben ungeahndet. Das Drogendezernat, vielmehr der
     Berliner Senat, hatte jüngst beschlossen, sich in Sachen Drogenbekämpfung
     nur noch auf das Wesentliche zu konzentrieren und das Kroppzeug
     durchrutschen zu lassen. Alles andere hätte zuviel Zeit und
     Papierkram gekostet.
    Plötzlich geriet Unruhe
     in die Routine, Handschellen wurden gezückt. Einer der Gäste,
     ein etwa dreißig Jahre alter Mann südländischen Genpools,
     trug eine Pistole mit Schalldämpfer im Gürtel seiner Jeans. Eine
     scharfe Waffe, geladen. Man nahm sie ihm ab und führte den
     Verhandschellten hinaus, zum Wagen des Einsatzleiters. Der Mann hatte
     keine Papiere bei sich, geschweige denn einen Waffenschein. Er weigerte
     sich, seine Personalien abzugehen, blieb stumm und wurde aufs Revier
     gebracht, wo er sich einer präzisen Kontrolle unterziehen mußte.
     Alle ihm als Versteck zur Verfügung stehenden Körperöffnungen
     mit eingeschlossen.
    Pfeifer traf sich etwa zwei
     Stunden nach jenem Ereignis mit einem Herrn von dunklem Teint, energischem
     Kinn und athletischem Körperbau. Namentlich kannte er den Schrank
     zwar nicht, über dessen Rang und Funktion hingegen war kein Zweifel möglich.
     Man hatte Pfeifer telefonisch zum Winterfeldtplatz bestellt, und er war
     der Einladung gefolgt, mit düsteren Befürchtungen. Dschanow
     lehnte es seit neuestem als unter seiner Würde ab, weiter persönlich
     mit dem kleinen Streifenpolizisten zu kommunizieren, stattdessen schickte
     er nun einen seiner primitivsten Totschläger. Kein verheißungsvolles
     Signal. Der keine dreißig Jahre alte Mann trug eine teure schwarze
     Lederjacke, darunter ein weißes Hemd und am Mittelfinger einen Ring,
     dessen scharfgeschliffener Saphir quasi eine Waffe war. Ums linke
     Handgelenk wie um den straffen breiten Hals glitzerten Goldkettchen, was
     als Klischee schon beinahe wieder ironisch wirkte, nur leider nicht so
     gemeint war. Er saß da in seinem BMW-Cabrio am Straßenrand und
     winkte Pfeifer wie eine Straßenhure zu sich, ließ ihn auf dem
     Beifahrersitz Platz nehmen und schnaubte. Er gebrauchte keinerlei verständliche
     Wörter irgendeiner Sprache, er schnaubte laut, um auf diese Weise der
     Unterhaltung ein atmosphärisches Vorspiel zu geben und deren Gewicht
     und Bedeutung zu untermalen. Pfeifer fühlte sich fast erleichtert,
     hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, er wußte, wann etwas wirklich
     bedrohlich und wann es nur Teil eines Showprogramms war. Hundertprozentig
     sicher konnte er nicht sein, solche Jungs waren für Überraschungen
     gut. Dieser hier schlug mit der Faust aufs Armaturenbrett und sprach plötzlich,
     wenn auch leicht gebrochen, deutsch.
    »Der Boß hat gehört
     von Razzia. Was soll das? Wer ist dahinter?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Du willst sagen, hast
     keine Ahnung? Wer befiehlt Razzia? Dein Boß König. Du weißt
     nicht, was König befiehlt? Was bist du für eine Scheisepolizist,
     wenn du nicht weißt, was König macht! Jetzt Murat ist in Gefängnis.
     Zufall? Ach, Arschloch. Gib, was du weißt über Murat!«
    »Ich kenne keinen
     Murat.« Pfeifer sagte die Wahrheit. Er blickte absolut nicht durch,
     zog aber ernsthaft in Erwägung, daß König vor ihm
     Geheimnisse haben könnte.
    »Ach Scheise. Wenn du
     spielst doppelt, du bist tot, sofort. Alles klar?«
    »Nein, gar nichts ist
     klar.«
    »Du tot, König tot
     – und was ist diese Frau, da, heute morgen?«
    Pfeifer zuckte. Dschanow ließ
     ihn beobachten? »Das ist nur eine Bekannte, eine Kollegin. Hat gar
     nichts mit der Sache zu tun.«
    Der Goldkettenträger,
     der während der gesamten Unterhaltung mit offenem Mund schmatzend
     Kaugummi kaute, schlug Pfeifer ins Gesicht. Wenigstens nur mit der Innenfläche
     seiner Hand, daran konnte Pfeifer sehen, daß noch Spielraum blieb.
    »Was soll das? Ich bin
     loyal. Sag das deinem Boß. Du kannst mich!«
    Pfeifer entstieg dem BMW, war
     aber nicht so dumm, davonzulaufen. Die Debatte war noch nicht beendet.
    »Wenn du spielst
     falsches Spiel und Murat auch – beide tot, sofort. Überleg dir
     gut!«
    »Verdammt!« rief
     Pfeifer wütend in die Nacht und schmiß die Beifahrertür
     zu, »Ich kenne diesen Murat nicht!

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