Aussortiert
Mann?«
»Keine Ahnung. Er
schweigt. Ich meine, wenn das nur jemand ist, der Lila-Tinten-Killer
spielen möchte, dann belastet er sich durch sein Schweigen etwas zu
sehr. Nachahmerfreaks reden für gewöhnlich Klartext, wenn sie in
Bedrängnis geraten.«
»Wie alt?«
»Zirka dreißig,
schlank, südländischer Teint, mittelgroß, schwarzes,
kurzes Haar, vielleicht Türke.«
»Haben Sie von ihm kein
Foto?«
»Doch. Klar.« König
griff nach dem offiziellen Foto des Erkennungsdienstes und reichte es
Nabel.
»Nie gesehen. Kann ich
das behalten?«
»Na hören Sie mal!
Sie sind Leiter der Soko. Es ist Ihr Fall. Sie dürfen alles behalten.
Auch den Ruhm. Ich will Ihnen da nichts wegnehmen, Kollege. Gegenüber
der Presse sagen wir schlicht: Die Polizei hat ihn gefaßt. Wer da
genau, muß niemand wissen.«
Nabel gingen die
pseudoloyalen Floskeln auf die Nerven, die im Grunde nur betonten, daß
es nicht Nabels Fahndungserfolg gewesen war.
»Weswegen sitzt er
jetzt ein?«
»Erstmal wegen
verbotenen Waffenbesitzes. Wir lassen gerade klären, ob wir den
Verdacht auf Mord bzw. Mordversuch beim Staatsanwalt durchkriegen.«
»Ach? Aufgrund eines
Aufklebers mit lila Tinte drauf? Das meinen Sie doch nicht ernst?«
»Verzeihung?« König
rückte ein wenig ab und hob entrüstet den Kopf. »Ich
versteh Sie nicht. Der Technoclub ist doch ein ideales Areal für
einen weiteren Mord. Mordslautstärke, niemand hätte den Schuß
gehört, und von den Ausgeflippten dort bricht schnell mal einer wegen
zuviel Tabletten zusammen, das kratzt so schnell keinen, der Täter
marschiert seelenruhig hinaus und macht sich dünn. Wir kamen gerade
rechtzeitig, um das zu verhindern!«
Nabel wollte hämisch
grunzen, schwieg jedoch lieber und gähnte. Er guckte da nicht durch.
Die Zufälligkeit des Ganzen kam ihm spanisch vor, aber was sollte er
sich beklagen? Man hatte nun einen dringend Tatverdächtigen, Futter für
die Presse. Wenigstens eine Atempause. Vielleicht stimmte der Verdacht ja,
und das Problem war gelöst. Vielleicht.
Nabel riß sich zum
zweiten Mal an diesem Morgen schwer zusammen, murmelte schwankend und fast
tonlos ein Danke für die Zusammenarbeit, ließ sich das
Verhaftungsprotokoll aushändigen, tschüs, und ging mit dem neuen
Material zum Staatsanwalt.
König sah ihm mit einer
Mischung aus Mitleid und Abscheu hinterher und fuhr sofort nach der
Unterredung auf sein Wochenendgrundstück in Spandau, um am eigenen
kleinen Teich zu angeln und zu dösen, wobei er sich wieder und wieder
fragte, ob er das Richtige getan hatte und von sich selbst wieder und
wieder zur Antwort bekam, eine Alternative habe ja ernsthaft nicht
bestanden.
Der Staatsanwalt vom
Sonntagsdienst wartete statt im eigenen bereits in Nabels Büro, und
es dauerte über eine Stunde, bis sich die beiden fanden. Lidia und
Ahmed tuschelten, einige andere der Sonderkommission trudelten erst jetzt
ein und empfingen die frohe Botschaft wie eine Flüsterparole. Nabel
bat den Staatsanwalt in ein leeres Verhörzimmer, um erst einmal unter
vier Augen mit ihm zu reden. Der Kerl schien zu jung für sein Amt,
Ende Zwanzig, das machte ihn für Nabel sofort zum aalglatten
Karrieristen. Dabei sah Mark Dreipfuhl, so sein Name, einfach nur jünger
aus, als er war. Ein leicht feminin gewachsenes Bürschchen mit
randloser Brille und dürren blonden Haaren.
»Ich bin inoffiziell
hier, Herr Kommissar. Können wir frei reden?«
»Sicher. Warum denn
nicht?«
»Naja, dieser Fall
…«
Dreipfuhl machte den
Eindruck, als sei er ein junger Priester, den ein theologisches Problem
plagte. Ungefähr so verhielt es sich tatsächlich. Er könne
sich als gewissenhafter Jurist nicht so recht dazu entschließen, die
Anklage über den unerlaubten Waffenbesitz hinaus auszudehnen. »Wir
können ihn vorläufig vierundzwanzig Stunden einkassieren. Und
solange er seine Personalien nicht preisgibt oder nach einem
Rechtsbeistand schreit, vielleicht noch etwas länger, ohne daß
uns jemand einen Strick draus dreht. Aber ich habe nunmal enorme
Schwierigkeiten damit, aufgrund eines Zettels … Sie verstehen?«
»Verstehe vollkommen.«
Nabel nickte. »Ein Zettel mit lila Tinte drauf ist als Haftgrund
nicht arg … stichhaltig, um es mal so auszudrücken.«
»Genau!«
Dreipfuhl hatte mit dem entsetzten Widerstand eines beinharten Bullen
gerechnet, nun fühlte er sich
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