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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Es kam vor, daß man dort Füchse zwischen den
     Grabsteinen umherschleichen sah, ebenso Hasen. Ob die Füchse Jagd auf
     die Hasen machten?
    Ein kühler Morgen, der
     Herbst kündigte sich an. König saß auf einer Bank, kratzte
     sich ungeduldig die Wangen. Nabel überlegte, ob er seine Dienstwaffe
     entsichern sollte, was ihm letztlich zu melodramatisch vorkam. Wenn König
     ein Todfeind war, würde er einen anderen Treffpunkt ausgewählt
     haben. Schon bückten sich hier und da ältere Damen, mit der Gräberpflege
     beschäftigt, und zwei Friedhofsgärtner sah man auch.
    »Da sind Sie ja
     endlich!« König blieb sitzen, die Hände in den
     Manteltaschen. Nabel nahm neben ihm Platz.
    »Ich bin so schnell
     gekommen, wie es ging.«
    »Naja, gut. In medias
     res. Um ehrlich zu sein, ich kann Sie nicht besonders leiden, Nabel,
     vielleicht beruht das auf Gegenseitigkeit, ich mag Ihre Art nicht, Ihre
     gewisse Lässigkeit, Ihren Lebenswandel. War das offen genug? Wir müssen
     jetzt keine Freunde werden, aber ich gestehe ein, daß ich Sie bisher
     mit Informationen knapp gehalten habe. Das wird sich nun ändern, und
     ich schlage vor, daß wir beide fortan mit der gebotenen Sachlichkeit
     miteinander umgehen. Die Situation erfordert das nun einmal.«
    Nabel lauschte Königs
     Worten, ließ seinen Gesichtsausdruck für ein paar Sekunden
     gefrieren, bevor er nickte. Mit aller gebotenen Sachlichkeit.
    »Sie machen mich schwer
     neugierig.«
    »Um es kurz zu sagen:
     Ich dachte, wir beide jagen in unterschiedlichen Territorien. Sie sind auf
     der Suche nach diesem Killer, ich habe etwas ganz anderes im Fokus. Dachte
     ich. Es kann aber sein, daß sich da was überschneidet, und mir
     bleibt nichts anderes übrig, als gewisse Dinge anzusprechen, die ich
     lieber für mich behalten hätte.«
    »Aha.« Großer
     Cop weiht kleinen Cop in die Mysterien seiner Jagdgründe ein, dachte
     Nabel. Du aufgeblähtes Arschloch.
    »Was ich Ihnen nun
     sage, ist eine äußerst heikle Information. Sie gefährdet
     Leben, nicht nur Ihres und meines.«
    Ja, Papa, dachte Nabel, ich
     werde immer vorsichtig damit umgehen und sie keinem anderen Kind zum
     Spielen geben. Er nickte.
    »Wir haben heute nacht
     eine außerordentliche Aktion gestartet, in die nur ein paar wenige
     Beamte eingeweiht sind. Alle werden noch heute versetzt. Weit weg,
     vorsichtshalber.«
    »Das ist sehr spannend.«
    »Murat Kursun hat sich
     erhängt, das haben Sie gehört?«
    »Ja. Breaking News zur
     Morgenstund.«
    »Hat er nicht. Der
     Beamte, der ihn fand, gehört zu uns. Der Notarzt und seine Gehilfen
     auch. In der Leichenhalle liegt ein seit Jahren tiefgefrorener Dummy. Wir
     haben Kursun an einen sicheren Ort gebracht. Seine Familie, er hat einen
     Bruder und einen Vater …«
    »Nur einen Vater?«
    »Bitte! Keine
     infantilen Witze, ja? Ich kann das nicht ab. Seinen Bruder und seinen
     Vater können wir vorläufig weder einweihen noch in Sicherheit
     bringen, das ist traurig, aber notwendig. Man wird unter Kursuns Namen den
     Dummy begraben.«
    König zündete sich
     eine Zigarette an. Das machte ihn in Nabels Augen gleich um ein gutes Stück
     menschlicher. Und wegen des infantilen Witzchens hatte er recht.
    Murat Kursun war einer
     unserer V-Männer. Ich hatte ihn auf Tschutschelow angesetzt. Er
     sollte ganz klein als Türsteher anfangen und sich hocharbeiten. Bei
     Tschutschelow geht es um Zwangsprostituierte, da hatten Sie völlig
     recht, Nabel. Es geht um Menschenhandel im großen Stil. Das Ganze
     stellt sich so dar: Tschutschelow bestreitet überhaupt nicht, junge
     Damen auf freiwilliger Basis in den Westen zu vermitteln. Als Tänzerinnen,
     Putzhilfen, Au-pair-Mädchen et cetera, natürlich mit gültigen
     Visa und über Strohmänner und diffuse Kanäle; das ist anrüchig,
     aber es hält sich im Rahmen des Gesetzes. Da können wir wenig
     machen. Das große Geschäft findet im Hintergrund statt.«
    König saugte beinahe
     gierig an der Zigarette und warf sie halb geraucht weg, wie nicht mehr mit
     ihr zufrieden.
    »Murat hatte den
     Auftrag, die Zuhälter im Francis-Club auszuhorchen. Türsteher
     bekommen so einiges mit. Ein paar offene Ohren an einem strategisch günstigen
     Punkt, so war sein Wirkungsbereich angelegt. Ein U-Boot. Er hat uns auch
     manche Information geliefert, war durchweg zuverlässig. Durch ihn
     haben wir erfahren, daß es auf unterer Ebene eine erste Tuchfühlung
     der Ukrainer mit den Türken gibt, was im Endeffekt zu

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