Aussortiert
sicher.
Nicht, daß er das explizit gesagt hätte, nein, aber es war zu
spüren …«
Lidia goß den frisch
gebrühten Kaffee in die Tassen. Kais Geheimniskrämerei ging ihr
auf die Nerven.
»Sag mir entweder alles
oder nichts. Mir geht es nicht gut, aber wenn mir was helfen könnte,
dann ist es alles, was diesen Scheiß ein bißchen transparenter
macht.«
Nabel blies in seine Tasse
und zögerte.
»Vielleicht geht es
nicht nur um Drogen, auch um Nutten. Das ist ne Kombi wie Nitro und
Glyzerin. Ich hab mich vor König als Trottel dargestellt, der im
dunkeln tappt. Das schien ihm ganz recht zu sein. Er glaubt, er sei an
einer höheren Sache dran als wir, womöglich stimmt das sogar.
Vielleicht sollten wir ihm das überlassen.«
»Was für eine höhere
Sache kann es geben als mehrfachen Mord?«
»Schwierige Frage. Gut.
Paß auf!«
Nabel referierte haarklein
das Gespräch mit König, schlechten Gewissens. Lidia hörte
mit offenem Mund zu, und erst gegen Ende der Beichte stahl sich ein Lächeln
auf ihre Lippen.
17
Am nächsten Tag
bestellte Nabel Ahmed zu sich und befragte ihn nach türkischen
Drogenbaronen, die derzeit in Berlin das Sagen hatten. Ahmed wunderte
sich.
»Warum fragen Sie das
mich, Chef? Weil ich halber Türke bin?«
»Nein, weil ich von
solchen Dingen keine Ahnung habe. Und – ja, genau, weil du halber Türke
bist. Warum nicht? Was hattest du eigentlich mit dem Francis-Club zu tun?«
Ahmed begann zu stottern.
»Ich mit dem Francis-Club? Wieso?«
»Daher hast du Murat
Kursun doch gekannt. Also?«
»Er hat mich nicht
reingelassen. Also was?«
»Was wolltest du da
drinnen?«
»Chef, gar nichts, ich
meine, ich bin ohne konkrete Vorstellung da mal hingegangen, in meiner
Freizeit, der Club hat einen gewissen Ruf, einen, wie sagt man,
schillernden Ruf, dafür muß ich mich doch nicht rechtfertigen.
Ich war da und dieser Arsch hat mich nicht reingelassen. Mehr nicht.«
Nabel grinste. »Okay.
Anders gefragt: Kannst du für mich recherchieren, wer in der türkischen
Drogenszene im Moment das Sagen hat? Oder verstößt das gegen
deine Prinzipien?«
»Tut es nicht, mach
ich. Aber was sollen diese Untertöne?«
»Was für Untertöne?«
»Sie klingen, wenn ich
das anmerken darf, rassistisch, Chef, so als steckten alle Türken
dieser Stadt unter einer Decke, und jeder wäre mit jedem verschwägert.«
»Ist dem nicht so?«
»Nein, absolut nicht.«
»Sorry, Ahmed. Du hast
völlig recht. Ich entschuldige mich.«
»Dann ist das kein
Problem, Chef. Ich werd mich bei meinen Schwagern und Schwippschwagern
erkundigen gehn.« Es war an Ahmed, zu grinsen.
Lidia rief unterdessen die Gräfin
von Schönfels an. Diese weigerte sich, eine Polizistin bei sich zu
Hause zu empfangen, ob in Zivil oder nicht, das sei indiskutabel. Zu einem
Gespräch war sie grundsätzlich bereit, also trafen sich beide am
frühen Nachmittag in der Nähe vom Olivaer Platz in Jimmys
American Diner, wo man dank großzügiger Tischordnung relativ
ungestört reden konnte.
Die Gräfin von Schönfels
trug trotz der tagsüber immer noch warmen Jahreszeit einen weißen
Ledermantel, ein weinrotes Kopftuch und eine riesige, fast kreisrunde
Retro-Sonnenbrille nach Art der frühen Siebziger. Sie war eine knapp
vierzig Jahre alte, zerbrechlich wirkende, hochgewachsene Frau von sehr
hellem Teint, mit ungewöhnlich schmaler, aber spitzer Nase und äußerst
dünnen Lippen, die von schwach pinkfarbenem Lipgloss glänzten.
Lidia bewunderte ihre
zartgliedrigen Violinistenfinger, die allerdings in cremefarbene falsche
Fingernägel mündeten, wie man sie öfter an Neuköllner
Kassiererinnen wahrnimmt als an Damen des Adels. Auf den ersten Blick
keine Schönheit, entbehrte die Gräfin doch nicht an einer
gewissen Attraktivität, wenngleich ihre Grazie etwas Gespreiztes, mühevoll
Erlerntes besaß.
»Na, worum gehts? Ich
habe Hunger, essen Sie was mit? Was haben Sie denn da über der Nase?
War das Ihr Freund?«
»Danke, ich seh Ihnen
aber gern beim Essen zu.« Das stimmte. Manche Menschen konnten
hervorragend lügen und beherrschten währenddessen ihre Mimik und
Gestik. Während des Lügens zu essen, damit hatte fast jeder ein
Problem. Hände, die Besteck hielten, glichen offenen Büchern.
Bislang hatte sich das außerhalb der Polizeipsychologen nicht weit
herumgesprochen, und Lidia suchte sich oft einen
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