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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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sicher.
     Nicht, daß er das explizit gesagt hätte, nein, aber es war zu
     spüren …«
    Lidia goß den frisch
     gebrühten Kaffee in die Tassen. Kais Geheimniskrämerei ging ihr
     auf die Nerven.
    »Sag mir entweder alles
     oder nichts. Mir geht es nicht gut, aber wenn mir was helfen könnte,
     dann ist es alles, was diesen Scheiß ein bißchen transparenter
     macht.«
    Nabel blies in seine Tasse
     und zögerte.
    »Vielleicht geht es
     nicht nur um Drogen, auch um Nutten. Das ist ne Kombi wie Nitro und
     Glyzerin. Ich hab mich vor König als Trottel dargestellt, der im
     dunkeln tappt. Das schien ihm ganz recht zu sein. Er glaubt, er sei an
     einer höheren Sache dran als wir, womöglich stimmt das sogar.
     Vielleicht sollten wir ihm das überlassen.«
    »Was für eine höhere
     Sache kann es geben als mehrfachen Mord?«
    »Schwierige Frage. Gut.
     Paß auf!«
    Nabel referierte haarklein
     das Gespräch mit König, schlechten Gewissens. Lidia hörte
     mit offenem Mund zu, und erst gegen Ende der Beichte stahl sich ein Lächeln
     auf ihre Lippen.

 
    17
    Am nächsten Tag
     bestellte Nabel Ahmed zu sich und befragte ihn nach türkischen
     Drogenbaronen, die derzeit in Berlin das Sagen hatten. Ahmed wunderte
     sich.
    »Warum fragen Sie das
     mich, Chef? Weil ich halber Türke bin?«
    »Nein, weil ich von
     solchen Dingen keine Ahnung habe. Und – ja, genau, weil du halber Türke
     bist. Warum nicht? Was hattest du eigentlich mit dem Francis-Club zu tun?«
    Ahmed begann zu stottern.
     »Ich mit dem Francis-Club? Wieso?«
    »Daher hast du Murat
     Kursun doch gekannt. Also?«
    »Er hat mich nicht
     reingelassen. Also was?«
    »Was wolltest du da
     drinnen?«
    »Chef, gar nichts, ich
     meine, ich bin ohne konkrete Vorstellung da mal hingegangen, in meiner
     Freizeit, der Club hat einen gewissen Ruf, einen, wie sagt man,
     schillernden Ruf, dafür muß ich mich doch nicht rechtfertigen.
     Ich war da und dieser Arsch hat mich nicht reingelassen. Mehr nicht.«
    Nabel grinste. »Okay.
     Anders gefragt: Kannst du für mich recherchieren, wer in der türkischen
     Drogenszene im Moment das Sagen hat? Oder verstößt das gegen
     deine Prinzipien?«
    »Tut es nicht, mach
     ich. Aber was sollen diese Untertöne?«
    »Was für Untertöne?«
    »Sie klingen, wenn ich
     das anmerken darf, rassistisch, Chef, so als steckten alle Türken
     dieser Stadt unter einer Decke, und jeder wäre mit jedem verschwägert.«
    »Ist dem nicht so?«
    »Nein, absolut nicht.«
    »Sorry, Ahmed. Du hast
     völlig recht. Ich entschuldige mich.«
    »Dann ist das kein
     Problem, Chef. Ich werd mich bei meinen Schwagern und Schwippschwagern
     erkundigen gehn.« Es war an Ahmed, zu grinsen.
    Lidia rief unterdessen die Gräfin
     von Schönfels an. Diese weigerte sich, eine Polizistin bei sich zu
     Hause zu empfangen, ob in Zivil oder nicht, das sei indiskutabel. Zu einem
     Gespräch war sie grundsätzlich bereit, also trafen sich beide am
     frühen Nachmittag in der Nähe vom Olivaer Platz in Jimmys
     American Diner, wo man dank großzügiger Tischordnung relativ
     ungestört reden konnte.
    Die Gräfin von Schönfels
     trug trotz der tagsüber immer noch warmen Jahreszeit einen weißen
     Ledermantel, ein weinrotes Kopftuch und eine riesige, fast kreisrunde
     Retro-Sonnenbrille nach Art der frühen Siebziger. Sie war eine knapp
     vierzig Jahre alte, zerbrechlich wirkende, hochgewachsene Frau von sehr
     hellem Teint, mit ungewöhnlich schmaler, aber spitzer Nase und äußerst
     dünnen Lippen, die von schwach pinkfarbenem Lipgloss glänzten.
    Lidia bewunderte ihre
     zartgliedrigen Violinistenfinger, die allerdings in cremefarbene falsche
     Fingernägel mündeten, wie man sie öfter an Neuköllner
     Kassiererinnen wahrnimmt als an Damen des Adels. Auf den ersten Blick
     keine Schönheit, entbehrte die Gräfin doch nicht an einer
     gewissen Attraktivität, wenngleich ihre Grazie etwas Gespreiztes, mühevoll
     Erlerntes besaß.
    »Na, worum gehts? Ich
     habe Hunger, essen Sie was mit? Was haben Sie denn da über der Nase?
     War das Ihr Freund?«    
    »Danke, ich seh Ihnen
     aber gern beim Essen zu.« Das stimmte. Manche Menschen konnten
     hervorragend lügen und beherrschten währenddessen ihre Mimik und
     Gestik. Während des Lügens zu essen, damit hatte fast jeder ein
     Problem. Hände, die Besteck hielten, glichen offenen Büchern.
     Bislang hatte sich das außerhalb der Polizeipsychologen nicht weit
     herumgesprochen, und Lidia suchte sich oft einen

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