Aussortiert
Tätigkeit nach?«
»Das wissen Sie aber
doch bestimmt bereits?«
»Sie fungieren als
Vorsitzende einiger wohltätiger Fonds, unter anderem für
krebskranke Kinder.«
»Das ist richtig. Und
zeitaufwendig. Und natürlich ehrenamtlich. Ich verdiene kein eigenes
Geld, wenn Ihre Frage darauf zielt.« Die Gräfin griff leicht
empört zum Taschentuch und wischte über die Oberlippe.
Lidia probierte es mit der
Jetzt-will-ich-mal-ganz-ehrlich-sein-Tour.
»Jetzt will ich mal
ganz ehrlich sein. Sie stehen, viel mehr als Ihr Gatte, im Lichte der
Öffentlichkeit, haben Kontakte, Einblicke. Worauf ich hinauswill, ist
folgendes: Könnte Kistner sich, wenn er Informationen über den
Adel benötigte, oder über die Society im allgemeinen, sich
eventuell an Sie gewandt haben? Er war doch ständig auf der Suche
nach neuen Informationen. Ein Gossip-Junkie. Mußte er ja sein, in
seinem Beruf.«
Gräfin Schönfels
schien sich geschmeichelt zu fühlen und nicht gewillt, die Frage mit
einem plumpen Nein vom Tisch zu kehren.
»Bitte, na gut, es wird
schon hier und da geredet, die Zeit ist lang, was bleibt den Menschen
übrig als zu reden. Bevor ich Sie anlüge, will ich lieber
eingestehen, daß es beim Smalltalk mitunter schon zu dem kommt, was
Sie vielleicht Gossip nennen. Völlig harmlos. Wenn Sie denken, ich
sei zu groben Indiskretionen fähig, tut mir leid, da muß ich
Sie enttäuschen. Darf ich Sie auf Ihre Cola einladen? ZAHLEN! Ich muß
nämlich gleich wieder nach Hause. Hoffentlich habe ich all Ihre
Fragen zufriedenstellend beantwortet?«
»Ich laß Ihnen
meine Karte da, falls Ihnen noch was einfällt.«
»Ja, toll! Das ist wie
im Film, herrlich! Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer
Arbeit! Und mir wünsche ich, daß mein Leben mal für einen
Tag so aufregend sein könnte wie Ihres. Schade um die guten Pommes
übrigens, bedienen Sie sich ruhig, wenn Sie möchten.«
Die Gräfin legte einen
Zwanzig-Euro-Schein auf den Tisch und verließ, freundlich lächelnd,
das Lokal. Lidia blieb sitzen und ließ das Gespräch Revue
passieren. Anita von Schönfels hatte, um es vorsichtig auszudrücken,
einen ziemlich abgebrühten Eindruck bei ihr hinterlassen, und die
Beleidigung zum Ausklang des Gesprächs mußte deftig genannt
werden.
Die Rechnung betrug nur neun
Euro fünfzig, und Lidia bezahlte mit einem Zehner. Schon, um nicht
unnötig Aufsehen zu erregen. Aber während die Kellnerin das
Wechselgeld herausgab, dachte Lidia, daß dieser Zugewinn von zehn
Euro einer kleinbürgerlichen Erwerbsstrategie gleichkam, fast so
kompromittierend, als hätte sie die liegengelassenen Pommes der Gräfin
aufgegessen. Obgleich ein neutrales, objektives Schiedsgericht die
Sachlage sicher milder beurteilt hätte, als ohne nachweisbare Absicht
geschehen, fühlte sich Lidia vorgeführt. Ihre Wut steigerte sich
mit jeder weiteren Reflexion. Wortschöpfungen wie Kotzfotze waren
bislang in ihren Gedanken sehr selten registriert worden.
Ahmed war beschäftigt,
eine Liste aller bislang aktenkundig gewordenen türkischstämmigen
Drogenbarone Berlins zu erstellen. Nabel hatte ihm zur Auflage gemacht, in
dieser Sache auf keinen Fall Königs Abteilung um Beistand zu bitten.
Was zu lästigen Nachfragen seitens Ahmed führte. Nabel war am
Verzweifeln. Wenn er Ahmed einweihen würde, mußte er damit
rechnen, daß bald sein gesamter Stab dem Pfeifkonzert der Spatzen
auf den Dächern lauschte. Ahmed war ein guter Kerl, leider geschwätzig.
Nabel redete sich auf eine private Konkurrenz zwischen ihm und König
heraus, gab sich eitel, unkollegial und blasiert. Ahmed nahm ihm das
sofort und bereitwillig ab, was Nabel ausgesprochen ärgerte.
Dschanow fuhr die Limousine
die Potsdamer Straße nordwärts zur Philharmonie, wo Anita von
Schönfels ein Konzert besuchen mußte, das, von der Pause mal
abgesehen, unerträglich öde zu werden versprach. Wie jedes
Konzert in der Philharmonie. Klassische Musik war ihr ein Greuel.
Die beiden flüsterten
einander ins Ohr. Für den Fall, daß Wanzen ihnen zuhörten,
lief im CD-Spieler ein Geräuschteppich aus baßlastigem Hiphop.
»Ich hab mich
erkundigt. Dieser Nabel ist wohl früher mal ganz gut gewesen, jetzt
gilt er als Pfeife, ein Säufer, wir hätten uns keinen Besseren wünschen
können. Nur die Tussi, die dich angelabert hat, soll angeblich recht
fix sein.«
»Auf mich hat sie
keinen sehr
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