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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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hellen Eindruck gemacht. Die hatte ich im Griff.« Anita
     zog ihren Lippenstift nach und zweifelte an der Wahl ihrer Schuhe.
    »Du hättest dich
     mit Kistner nie einlassen sollen.«
    »Ach was? Immer noch
     eifersüchtig? Das war reines Business!«
    »Und auf diesen Pfeifer
     hättest du dich auch nie einlassen sollen.«
    »Halt an!«
    »Was?«
    »Halt sofort an!«
    Dschanow fuhr die Limo rechts
     ran, auf die Bushaltestelle kurz vor der Kreuzung zur Kurfürstenstraße.
     Anita schob ihren Oberkörper zwischen die Vordersitze.
    »Jetzt paß mal
     auf: Du wirst mir nie mehr sagen, was ich tun und was ich lassen soll,
     kapiert? Du bist immer noch mein Chauffeur, und was du sonst noch bist,
     egal, aber du bist nicht mein Mann, der mir irgendwas vorzuschreiben hätte,
     ist das ein für alle Mal klar?«
    Dschanow gab keine Antwort,
     senkte stattdessen den Kopf und räusperte sich.
    »Ich will nur dein
     Bestes, Anita!«
    »Nein, du willst dein
     Bestes, bestenfalls unser Bestes. Mach mir nichts vor.«

 
    18
    Igor Tschutschelow hatte
     beinahe alles erreicht, was je ein Mensch erreichen kann, ohne mühsamer
     legaler Arbeit nachzugehen. Wobei er selbst seine Arbeit als besonders mühsam
     und durchaus legal beurteilt hätte, ohne deswegen beim Lügendetektortest
     durchzufallen. Er war ohne gravierende Wunden in die Jahre gekommen und
     blickte auf sein Lebenswerk mit einigem Stolz herab. Vom kleinen
     ukrainischen Grenzdorf, wo es in seiner Jugend Strom nur sechs Stunden am
     Tag gegeben hatte und die Heizung im Winter höchstens eine
     Raumtemperatur von vierzehn Grad zuließ, war es ein weiter und
     schlachtenreicher Weg zur Wilmersdorfer Villa gewesen, die zu jeder Tages-
     und Nachtzeit von vier bewaffneten Bodyguards bewacht wurde. Dachte er darüber
     nach, konnte er zufrieden sein, dachte er aber nicht darüber nach,
     war er latent unzufrieden. Es gehört zu den schlechten Gewohnheiten
     in die Jahre gekommener Männer, sich zu oft und zu kritisch das
     eigene Spiegelbild anzusehen. Tschutschelows Mißtrauen wuchs in
     jenem Maß, in dem das eigene Spiegelbild nicht genau das wiedergab,
     was er von ihm erwartete. Je schneller das Leben aus ihm schwand (dabei
     schwand es momentan noch langsam), desto stärker versuchte er, es zu
     packen und festzuhalten. In seiner Position hatte gesundes Mißtrauen
     von jeher zu den Grundpfeilern der Machterhaltung gehört, in den
     letzten Monaten jedoch begann er auch seiner engsten Umgebung zu mißtrauen,
     jenem kleinen Kreis von Menschen, dem auch ein mächtiger Mann
     unbedingt Vertrauen schenken muß, um psychisch nicht zu erkranken.
     Die Ehe mit Anita hatte Phasen gegenseitig stumm geduldeter Freizügigkeit
     enthalten, er hatte Geliebte gehabt, echte Geliebte, nicht nur Mädchen,
     die zur schnellen Saturierung sexueller Bedürfnisse dienten. Anita
     war ab und an fremdgegangen, ihm war das klar gewesen, und er hatte beide
     Augen zugedrückt, solange sie diskret blieb. Durch das Nachlassen
     seiner Libido, verbunden mit frustrierender Impotenz, ließ auch
     seine Duldsamkeit nach, es kam zu Auseinandersetzungen, sogar nonverbaler
     Natur. Von der Logik geleitet, daß, wo er nun enthaltsam lebe, sie
     sich ihm gefälligst anpassen müsse, versuchte er Anita in einen,
     wenn auch goldenen, Käfig zu sperren. Leider hatte sich Anita eine
     gesellschaftliche Existenz aufgebaut, die es ihr ermöglichte, sich
     regelmäßig seiner Überwachung zu entziehen. Sie verkehrte,
     sobald sie wohltätig und ehrenamtlich unterwegs war, in Kreisen, zu
     denen seine Leute schlicht keinen Zugang erhielten. Tschutschelow war
     gezwungen, sich auf Informanten zu verlassen, die nicht aus den eigenen
     Reihen stammten. Jimmy Kistner zum Beispiel war jemand gewesen, den er
     indirekt auf die eigene Gattin angesetzt hatte, ohne daß dies
     zwischen den beiden Männern je explizit vereinbart worden wäre.
     Er fragte ihn hier und da, meist telefonisch, dies und das, und was
     Kistner, der keineswegs dumm war, an Informationen lieferte, brachte ihm
     prompt Tschutschelows Dank in Form von menschlichen Naturalien ein.
     Kistner hatte ein Faible für junge, ostslawische Mädchen mit
     bleicher Haut und kleinen Brüsten gehabt, bevorzugt noch mit roten
     Ponyfrisuren. Und weil Kistner nicht nur nicht dumm, sondern in dieser
     Hinsicht beinahe schlau war, lieferte er stets nur Informationen, die
     Anita zwar ein wenig, aber nicht allzusehr belasteten. Nie hatte er etwas
     preisgegeben,

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